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AfD in Mecklenburg-Vorpommern: Auf den Spuren von 1989

Wahl-Prognosen sehen die AfD in Mecklenburg-Vorpommern bei 19 Prozent und damit an dritter Stelle nach SPD und CDU. Die Kandidaten der Partei ficht das nicht an. Sie sehen sich bereits als Wahlsieger und scheuen historische Vergleiche nicht.
von Robert Kiesel · 15. August 2016
Björn Höcke bei seiner Rede in Neubrandenburg
Björn Höcke bei seiner Rede in Neubrandenburg

Wenn Mecklenburg-Vorpommern am 4. September an die Wahlurne tritt, geht es für die AfD längst nicht mehr um die Frage, ob sie in den Landtag eintritt, sondern in welcher Stärke. Darüber sind sich Beobachter und Vertreter der Partei einig. Der jüngste Wahlkampfauftritt ihrer Kandidaten zeigt: Der AfD-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern wähnt sich als Nabel einer Revolution, wie sie die Ostdeutschen bereits 1989 erlebt haben.

Die AfD und die Revolution

So scheuten Vertreter der Partei am vergangenen Freitag nicht den Vergleich, wonach der 4. September 2016 eine ähnliche Dynamik wie der 4. September 1989 und die damals erstmalig veranstaltete Montagsdemonstration in Leipzig entfachen könne. Wählt die AfD und sichert so die Zukunft unseres Landes und eurer Kinder, so die Aussage des vom Radiomoderatoren zum AfD-Spitzenkandidaten avancierten Leif-Erik Holm auf dem Marktplatz von Neubrandenburg.

Er war nicht der einzige Redner des Abends, der die laut Polizeischätzung 270 versammelten Zuhörer auf ein vermeintlich „historisches Ergebnis“ einschwor. AfD-Rechtsausleger Björn Höcke, der für seine halbstündige Rede eigens aus Thüringen nach Neubrandenburg gereist war, forderte: „Ihr habt hier die Chance, Geschichte zu schreiben und die AfD zur stärksten Kraft in diesem Land machen, mit eurer Kraft und eurem Willen. Ihr könnt Geschichte schreiben, schreibt sie!“ und erntete dafür aus dem Publikum ein enthusiastisches „Das machen wir!“ Dass Höcke nur wenige Sätze später ausschloss, in naher Zukunft in eine Koalition mit den „Totalversagern der Altparteien“ zu gehen und damit den Hoffnungen der Anhänger auf eine konstruktive parlamentarische Arbeit ihrer Partei eine Absage erteilte, störte scheinbar niemanden.

Tiraden gegen „Vollversager“ und „vaterlandslose Gesellen“

Genau wie der Fakt, dass weder Höcke noch die übrigen Redner des Abends ernsthafte Aussagen dazu trafen, welche inhaltlichen Weichenstellungen die Partei nach ihrem absehbar zweistelligen Einzug in den Landtag einleiten will. Stattdessen verloren sich die Redner in verbalen Angriffen auf die sogenannten Altparteien. Höcke beschimpfte die Vertreter der „Dinosaurierparteien“ wahlweise als „Vollversager“ oder „vaterlandslose Gesellen“, die gegen deutsche Interessen handelten. Die CDU bestehe aus „Zeitgeistkastraten“, angeführt von der „Kanzlerdiktatorin in Berlin“, Angela Merkel. Überhaupt sei die Republik zu einem „politischen Swingerklub“ verkommen, in dem jeder mit jedem ins Bett steige, sprich koaliere. Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Haltung – all das hätten die Vertreter der etablierten politischen Konkurrenz längst über Bord geworfen im „Muliti-Kulti-Wahn“, so das Credo der vom dankbaren Publikum mit Applaus bedachten Tiraden Höckes.

Da passt es ins Bild, dass der thüringische AfD-Landeschef selbst vermeintliche Fakten transportierte, die sonst nur Anhänger von Verschwörungstheorien verbreiten. Die Behauptung Höckes, wonach jede Nacht tausende Asylbewerber auf deutschen Flughäfen landen würden, bezahlt mit dem Geld deutscher Steuerzahler, hatte zuletzt selbst die unter AfD-Anhängern beliebte neurechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“ dementiert. Weder Höcke noch sein Publikum ließen sich davon beeindrucken. Während der Redner behauptete, „unser Land und unser Volk wird von den Altparteien-Politkern ausgequetscht wie eine Zitrone“, zollten die anderen frenetischen Beifall.

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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