AfD in Hessen: gezielt provokant
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Aktuell ist die AfD-Fraktion im Hessischen Landtag wieder einmal in den Schlagzeilen. Nach Berichten des Hessischen Rundfunks wurden über eigene Fraktionsmitglieder Dossiers angelegt und den Betroffenen – unter ihnen der in Ungnade gefallene Spitzenkandidat im Landtagswahlkampf – u.a. unzulässigen Kontakt zu Menschen aus anderen Fraktionen vorgeworfen.
Diese Entwicklung ist neu für Hessen, sie scheint aber zu zeigen, dass es zur Normalität dieser rechtspopulistischen Partei gehört, sich selbst zu zerfleischen. Über kurz oder lang kann man bei jeder Landtagsfraktion solche Prozesse beobachten. Das gleiche gilt für die Bundestagsfraktion.
Provokante und zielgerichtete Linie
Dabei fiel die AfD im Hessischen Landtag am Anfang nicht durch Provokationen auf. Die Linie des Fraktionsvorsitzenden Robert Lambrou war es, als „echte“ CDU wahrgenommen zu werden, die konservative Positionen vertrete – während die Union in der schwarz-grünen Koalition ihre Identität aufgeben würde. Da die AfD gemerkt hat, dass sie damit allerdings medial nicht durchdringt und wahrgenommen wird, versucht sie nun die üblichen Methoden der AfD-Provokationen anzuwenden. Dazu gehören u.a. die Beleidigung des Ministerpräsidenten, Vergleiche von anderen Parteien mit dem Nationalsozialismus oder bei der feierlichen Würdigung des Grundgesetzes – so einige AfD-Abgeordnete – demonstrativ sitzen zu bleiben und keinen Beifall zu spenden.
Die AfD-Fraktion verfolgt überall gezielt ihre Markenkernthemen: Dies führt auch dazu, dass die Partei- und Fraktionsführung innere Spannungen, von denen die Alternative nicht nur auf der Bundesebene spätestens seit der Auseinandersetzung um den „Flügel“ betroffen ist, meist wegmoderieren kann. Das gemeinsame Ziel eint: Ein neues Buch über die AfD-Fraktion im Hessischen Landtag zeigt deutlich, dass sie sich auf die Fragen Migration, Integration und Innere Sicherheit, dann auch Bildungs- und Schulfragen oder die Leugnung des Klimawandels fokussiert.
Bei den ersten Haushaltsberatungen, an denen die AfD in diesem Bundesland beteiligt war, belegten ihre Änderungs- und Alternativanträge, dass sie ihre politische Linie provokant und zielgerichtet fortführt. Bei den Formalitäten, die in einem Parlament anfallen und bei anderen Themen zeigt sich, dass die AfD ihre Inhalte und Forderungen eher unprofessionell präsentiert.
Rechtspopulismus vor einer Zäsur
In Hessen ist die AfD nach einer „Etablierungsphase“ eifrig dabei, die Regierung mit Anfragen zu überhäufen, um ihre Oppositionsrolle besonders sichtbar zu machen. Sie will sich als provozierender und auch aggressiver Vorreiter präsentieren, der frühzeitig auf vermeintliche Regierungsversäumnisse und falsche Wege hinweist.
Seit der Corona-Krise steht der Rechtspopulismus auch in Hessen vor einer Zäsur. Ob die AfD wirklich in der Wählergunst verliert, wie die Umfragen auf Bundesebene nahelegen, oder ob sich eine neue politische Gelegenheitsstruktur für sie ergibt, ist noch unklar. Das haben die etablierten Kräfte in der Regierung und Opposition auch in der eigenen Hand. Im Umgang mit der AfD sollte aber eine Erfahrung aus den Wahlkämpfen der letzten Jahre besonders berücksichtigt werden: Eine gezielte positive Ansprache der AfD-Stammwählerschaft bestätigt eher deren Unterstützung für die Rechtspopulisten. Der Weg der Nachahmung ist nirgendwo erfolgreich gewesen.
ist Policy Fellow des Berliner Think Tanks „Das Progressive Zentrum“. Hauptberuflich ist er Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Landtag Rheinland-Pfalz.