Vor 75 Jahren

Zwangsvereinigung zur SED: Das vorläufige Ende der ostdeutschen SPD

Ulrich Mählert21. April 2021
Symbolischer Handschlag: Wilhelm Pieck (l.) und Otto Grotewohl auf dem Vereinigungsparteitag von KPD und SPD am 22. April 1946 im Berliner Admiralspalast
Symbolischer Handschlag: Wilhelm Pieck (l.) und Otto Grotewohl auf dem Vereinigungsparteitag von KPD und SPD am 22. April 1946 im Berliner Admiralspalast
Vor 75 Jahren beschloss ein Parteitag in der Sowjetischen Besatzungszone die Gründung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Die Sozialdemokraten glaubten, in den neuen Partei den Ton angeben zu können. Wenig später begann der Kampf gegen den „Sozialdemokratismus“.

Am 21./22. April 1946 beschlossen mehr als 1.000 Delegierte von SPD und KPD auf einem Sonderparteitag einstimmig die Gründung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). An deren Spitze standen der Kommunist Wilhelm Pieck und der Sozialdemokrat Otto Grotewohl. Ihr Händedruck auf der Bühne des Berliner Admiralspalasts wurde zum Logo der neuen Partei. Die sollte laut ihrer Satzung fortan auf allen Ebenen paritätisch von Sozialdemokraten und Kommunisten geleitet werden.

Presse und Rundfunk in der Sowjetischen Besatzungszone feierten die SED-Gründung als das Ende der Spaltung der Arbeiterbewegung. In der sahen nicht wenige Zeitgenossen eine Ursache für den Aufstieg der Nationalsozialisten in der Weimarer Republik.

Die Kommunisten drängten auf eine schnelle Vereinigung

Der gesamtdeutsche Anspruch der neuen Partei endete an den Grenzen der sowjetischen Besatzungszone. In der Sozialdemokratie der drei Westzonen stieß die Parteifusion mehrheitlich auf Ablehnung. Ihr Wortführer war Kurt Schumacher, der seine Genossen zwischen Elbe und Oder leidenschaftlich davor gewarnt hatte, für die KPD „den Blutspender“ abzugeben. Für Schumacher waren die Kommunisten „rot lackierte Faschisten“ und Interessenvertreter einer „auswärtigen Macht“, d.h. der Sowjetunion Stalins. Der war noch im Sommer 1945 davon ausgegangen, dass die Kommunisten die bestimmende politische Kraft in Europa werden. Dementsprechend hatte die KPD-Führung damals Avancen aus der SPD abgelehnt, eine gemeinsame Partei zu gründen.

Tatsächlich erfreute sich die SPD jedoch in der Folgezeit ungleich größeren Zulaufs als die KPD. Als deren österreichische Genossen bei den Nationalratswahlen im November 1945 nur vier von 165 Mandaten errangen, läuteten in Berlin die Alarmglocken. Jetzt waren es die Kommunisten, die mit allen Mitteln auf eine schnelle Vereinigung drängten. Überall in der SBZ suchten und fanden KPD-Funktionäre lokale sozialdemokratische Befürworter einer Parteifusion, mit denen sie Arbeitsgemeinschaften und Ausschüsse bildeten.

Sozialdemokratische Funktionäre, die Zweifel äußerten, erhielten Besuch von KPD-Vertretern sowie sowjetischen Besatzungsoffizieren. Wo alle Einheitsschwüre, Versprechungen und Schmeicheleien nichts fruchteten, halfen Drohungen. Längst hatte es sich herumgesprochen, dass vielerorts in der sowjetischen Besatzungszone Sozialdemokraten in den Kellern der sowjetischen Geheimpolizei verschwanden. Derart eingeschüchtert, zogen sich viele kritische Sozialdemokraten aus der Parteiarbeit zurück oder gingen gleich in den Westen.

Der Irrglaube der Sozialdemokraten

Als die sozialdemokratischen Delegierten zum Vereinigungsparteitag benannt wurden, waren die Kritiker verstummt oder durch die Besatzungsmacht ausgeschaltet. Mit Anton Ackermanns Thesen vom „besonderen deutschen Weg zum Sozialismus“ schien die KPD von ihrer Moskauhörigkeit abgeschworen zu haben. Wer noch Zweifel an der Redlichkeit der KPD hatte, teilte die unausgesprochene Überzeugung der sozialdemokratischen Parteiführer um Otto Grotewohl, dass sich die politikerfahrenen Sozialdemokraten in der SED nicht an die Wand spielen lassen würden.

Angesichts ihres Rückhalts in der Bevölkerung glaubten viele Sozis, dass sie in der gemeinsamen Partei den Ton angeben würden. Die Forderung Kurt Schumachers, die SPD in der Ostzone lieber selbst aufzulösen, statt in die KPD zu überführen, schien der Situation vor Ort nicht gerecht zu werden. Ohnehin würden die Karten neu gemischt, wenn aus den vier Besatzungszonen ein neuer deutscher Staat entstehen würde. Ein folgenschwerer Irrtum, wie sich bald herausstellen sollte.

Der Kampf gegen den „Sozialdemokratismus“ beginnt

Ab 1947 ließen sich die Differenzen zwischen der Sowjetunion und dem Westen nicht mehr kaschieren. Mit der Teilung der Welt in zwei Blöcke ging ein Eiserner Vorhang über Europa nieder, der Deutschland ab 1949 in zwei Staaten teilte. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kommunisten ihre Fassade längst fallen gelassen. Nachdem sie erfolgreich die SPD als Partei ausgeschaltet hatten, nahmen sie nun den Kampf gegen den „Sozialdemokratismus“ auf. Sozialdemokraten, die sich der neuen Linie nicht bedingungslos unterwerfen wollten, blieb nur noch der Parteiaustritt oder die Flucht in den Westen. Verhaftungen waren an der Tagesordnung. Besonders unerbittlich wurden Sozialdemokraten verfolgt, die die Verbindungen zu ihrer Partei im Westen aufrechterhalten hatten.

Die Gründung der SED vor 75 Jahren hätte ohne den Druck der sowjetischen Besatzungsmacht, die Verhaftung von sozialdemokratischen Einheitsgegnern sowie die falschen Versprechungen nicht stattgefunden. Auch wenn zweifellos Eitelkeiten, Konkurrenzdenken sowie Selbsttäuschung den Weg der ostdeutschen SPD in die SED mit befördert hatten, bringt der Begriff „Zwangsvereinigung“ die damaligen Ereignisse am treffendsten auf einen Punkt.

Kolumne des SPD-Geschichtsforums

Unter dem Titel „Im Rückspiegel“ beleuchten wechselnde Autor*innen des Geschichtsforums historische Ereignisse, die für die SPD bedeutend sind. Im Rückspiegel eines Autos sieht man bekanntlich nach hinten, aber wenn man ihn etwas kippt bzw. dreht, sieht man sich selbst. Um Vergangenheit und Gegenwart soll es in der Kolumne gehen.

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Kommentare

Zwangsvereinigung

Ja so schreibt man im Westen, aber selbst dort gab es an der sozialdemokratischen Basis das Bestreben sich mit der KPD zusammen zu tun. Aber das liesen die Westalliierten nicht zu - auch das gehört zum Thema, denn druck gab es nicht nur von einer Seite. Damit will ich ja nicht sagen, daß die Politik der SED zu bejubeln wäre und die sowjetische Besatzungsmacht daran ganz unschuldig war. Allerdings muss man auch deutlich sagen, daß aufgrund des Druckes der Westallierten die SPD im Westen keine sozialdemokratische Politik machen durfte. Und selbst als diese Druck nachließ tat sich die SPD schwer auf sozialdemokratische Pfade zurüch zu finden. Die SED ist Geschichte ! Und wenn die SPD so unsozialdemokratisch weitermacht könnte sie auch nur noch in den Geschichtsbüchern zu finden sein. Also ich will das nicht.

Leserbrief Zwangsvereinigung

Der Name des Mannes, der in den Westzonen die Zwangsvereinigung verhindert hat war Dr. Kurt Schumacher, ein Patriot, Sozialist und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, aber auch gegen alle anderen Formen des Faschismus.
Er war der 1.Vorsitzende der SPD nach dem Krieg. Die 12-jährige KZ-Haft hatte seinen Körper so geschwächt, dass er bereits 1951 verstarb. Als er einmal zu seiner Ansicht über den Faschismus gefragt wurde, gab er folgende Antwort: Es gibt braun lackierte Faschisten und es gibt rot lackierte Faschisten. Erst durch seine konsequente Ablehnung jeglicher totalitärer Herrschaftssysteme schaffte es die SPD, die Adenauer gerne als Bürgerschreck verunglimpfe, 1969 den Kanzler zu stellen und mit der linksliberalen FDP ein neues modernes Deutschland zu schaffen, in dem allerdings keiner fürchten musste, für eine Meinungsäußerung in irgendeiner Form gemaßregelt zu werden. 1972 wurde die SPD zum ersten Mal stärkste Partei im Bundestag. Dies war der persönliche Verdienst von Willy Brandt, der mit folgenden Slogan gewann: Deutsche, ihr könnt stolz sein auf euer Land. Dies war ich auch! Tempus mutantur !!!

Antwort

Bitte weniger Eifer bei der Verteidigung der offiziösen Linie. Wie Albert EInstein halte ich den Antikommunismus für ein Grundübel dieser Gesellschaft. Damit will ich die Kommunisten nicht unbedingt in Schutz nehmen, denn sie haben viel SCH.... gebaut, aber das sollte nicht von der Sch..... die von der SPD gebaut wurde ablenken. Und Kurt Schumacher ist für mich ebensowenig ein Säulenheiliger wie Walter Ulbricht.

Zwangsvereinigung

Zum Thema empfiehlt sich folgender Link:
https://www.swrfernsehen.de/bekannt-im-land/von-moskau-nach-manderscheid...
Dies erschien im SWR aus Anlass des 100-jährigen Geburtstages von Wolfgang Leonhard, dessen Frau Elke Leonhard die SPD in dem damals noch sehr konservativ geprägten Wahlkreis Bitburg vertreten hatte.
Wolfgang Leonhard erlebte die Vereinigung noch als Teilnehmer der Gruppe Ulbricht bevor er nach Jugoslawien ging.