„Zeitenwende“: Wie Scholz' Regierungserklärung bewertet wird
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Der Krieg in der Ukraine hat Europa verändert – soviel lässt sich nach den vergangenen Tagen schon sagen. Was vor kurzem noch als unverrückbar galt, scheint mit dem russischen Angriffskrieg binnen weniger Tage verworfen worden zu sein. Harte Sanktionen gegenüber der russischen Wirtschaft und Oligarchen, der Ausschluss aus dem internationalen Finanzsystem, der Stopp von Nord Stream 2 – und zuletzt sogar Waffenlieferungen in ein Krisengebiet. Und zwar direkt, von Deutschland.
All dies wurde von Olaf Scholz am Sonntag im Bundestag aufgegriffen, erklärt, verteidigt. In einer Regierungserklärung, in der der Bundeskanzler von einer „Zeitenwende“ sprach, nach der die Welt nun eine andere sei als zuvor. Eine Wortwahl, die auch in der Medienwelt aufgegriffen wurde. „Es ist das Oberthema, einer Regierungserklärung, die man wohl ohne Übertreibung historisch nennen kann“, schreibt dazu beispielsweise Spiegel Online am Sonntagnachmittag. Auch von einer Kerhtwende ist die Rede. „Seine Rede markiert eine Zäsur. Scholz bricht mit jahrzehntelangen, vor allem auch sozialdemokratischen Gewissheiten in der Verteidigungs- und Außenpolitik“, heißt es. „Scholz,der rhetorisch häufig im Ungefähren bleibt, lässt an seiner Entschlossenheit an diesem Tag keinen Zweifel.“
ARD: „Man muss vorsichtig sein mit dem Wort historisch, aber...“
In der „Tagesschau“ wird das am Sonntagabend ähnlich bewertet: „Man muss vorsichtig sein mit dem Wort historisch, aber den heutigen Tag kann man so bezeichnen“, kommentiert Tina Hassel, Scholz' Ankündigungen. „In atemberaubenden Tempo hat die Ampel-Regierung langjährige in der Außen- und Sicherheitspolitik über Bord geworfen.“ Ausgerechnet ein sozialdemokratischer Kanzler breche mit vielen Gewissheiten, die für SPD und Grüne lange Jahre zur DNA gehörten, ergänzt sie mit Blick auf die Versprechen zur militärischen Aufrüstung. „All das, was bislang nicht möglich war, soll nun kommen“ – auch mit Blick auf die Kehrtwende bei der Energiepolitik.
„Als dann Olaf Scholz die etwa zehn Schritte geht von seinem Platz zum Pult“, beschreibt die „Süddeutsche Zeitung“ am Montag den Auftakt von Scholz' Rede im Bundestag, „lässt er Jahrzehnte deutscher Gewissheiten hinter sich“. „Der Sozialdemokrat wird eine Regierungserklärung abgeben, wie Angela Merkel sie nie halten musste und auch kein Kanzler vor ihr.“ Der Kanzler habe in seiner Rede eine Art neuen Koalitionsvertrag referiert. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ druckt am Montag sogar ganze Teile von Scholz' Regierungserklärung ab, das „Handelsblatt“ kommentiert: „Nichts ist mehr so, wie es war. Die starke Rede des Bundeskanzlers am Sonntag im Bundestag bedeutet eine Zäsur in der Berliner Republik. Olaf Scholz legt den Hebel um (…).“ Der Text endet mit den lobenden Worten: „Es war eine starke Rede von Scholz, die keine Minute zu früh kam.“
Aus der SPD:
Innerhalb der Partei sind die Reaktionen auf die Rede nicht weniger deutlich, die Wortwahl nicht weniger bedeutsam. „Die Zeitenwende und sie muss ausbuchstabiert werden. Das tut Olaf Scholz gerade sehr klar (...)“, kommentiert Parteivorsitzender Lars Klingbeil aus seiner Corona-Isolation noch am Sonntag, während Co-Vorsitzende Saskia Esken im Parlament spricht.
Siemtje Möller, Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, beschreibt den SPD-Kanzler mit den Adjektiven „stark, entschlossen und klar“. Der Seeheimer Kreis, für den Möller spricht, ist in seiner Wortwahl auch nicht weniger deutlich: „Unser Kanzler zeigt Führunggsstärke“, kommentieren sie mit einem kurzen Text und einem Bild vol Scholz, im Hintergrund die Nationalfarben der Ukraine.
Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin Katja Mast indes wählt die drei Adjektive „klar, kraftvoll, konsequent“, während der Schleswig-Holsteinische Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner im Anschluss an die Sitzung des Parlaments von einer „bemerkenswerten Debatte im Bundestag“ spricht. „Der 24. Februar war ein Einschnitt in der europäischen Nachkriegsgeschichte und das zeigte auch die Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz.“