Junge Außenpolitik

Zeitenwende: Warum wir jetzt auf den Indo-Pazifik blicken müssen

Lucia Preiss05. Juni 2023
Eine seine erste Auslandsreisen führte Bundeskanzler Olaf Scholz im April 2022 nach Japan. Deutschland sollte sich der gesamten Region stärker zuwenden.
Eine seine erste Auslandsreisen führte Bundeskanzler Olaf Scholz im April 2022 nach Japan. Deutschland sollte sich der gesamten Region stärker zuwenden.
Wir können es uns nicht mehr leisten, den Indo-Pazifik allein auf China zu reduzieren. Die Sozialdemokratie muss sich der Region noch intensiver zuwenden und sich aktiv für Frieden und Freiheit aller Staaten einsetzen.

Das Zeitenwende-Papier der Kommission Internationale Politik der SPD trägt im Titel den Anspruch, „Antworten auf eine Welt im Umbruch“ zu formulieren. Richtigerweise werden darin die hegemonialen Ansprüche Chinas auf den Indo-Pazifik thematisiert. Um passende Antworten auf die Herausforderungen der komplexen Region finden zu können, sollten wir jedoch den indo-pazifischen Raum als Ganzes mehr in den Fokus nehmen.

Warum der Indo-Pazifik so wichtig ist

Der Indo-Pazifik umspannt die Gesamtheit des durch den Indischen und Pazifischen Ozean geprägten Raums. Zentrale Akteure sind u.a. Indien, China, Indonesien, Vietnam, Japan, Australien und Neuseeland. Rund 60 Prozent der Weltbevölkerung leben in dieser Region und sie ist auch für die Weltwirtschaft entscheidend. Mehr als 90 Prozent des Welthandels werden auf dem Seeweg abgewickelt, davon ein Großteil über den Indischen und den Pazifischen Ozean. Ein Viertel des gesamten seewärtigen Handels geht durch die Straße von Malakka, die zwischen Malaysia und der Insel Sumatra liegt. Konflikte im Indo-Pazifik würden die gesamte Weltwirtschaft schwer treffen.

Der Indo-Pazifik ist politisch sehr heterogen. Natürlich ist da China, das immer eindringlicher damit droht, seine Machtprojektion mit Gewalt durchzusetzen. Im Indo-Pazifik gibt es aber auch wichtige Partner Deutschlands, die sich für eine friedliche, regelbasierte Ordnung einsetzen – etwa Japan, Australien oder Indien. Auch die USA engagieren sich als Pazifikanrainer sehr dafür, ihr offensiver Kurs weckt jedoch teilweise auch Sorgen. Deutschland und die EU sind hier gefragt – als Vermittler und als starke Fürsprecher eines freien, offenen Indo-Pazifiks.

Europäische Ansätze ausbauen

Die Bundesregierung hat bereits 2020 Leitlinien zum Indo-Pazifik verabschiedet, in denen sie sich u.a. für die Stärkung des Multilateralismus einsetzt. Auf Initiative Deutschlands, Frankreichs und der Niederlande – die alle bereits nationale Strategien hatten – hat auch die EU 2021 eine entsprechende Strategie vorgestellt. Ein gemeinsames europäisches Vorgehen ist zentral für eine erfolgreiche Indo-Pazifik-Politik, denn allein kann Deutschland wenig ausrichten. Daher sollte sich die SPD dafür einsetzen, dass wir Europäer*innen mit einer Stimme sprechen – vor allem, was die Souveränität aller Staaten in der Region angeht.

Der russische Angriffskrieg hat verdeutlicht, wie wichtig es ist, frühzeitig entschieden für das Völkerrecht einzustehen und sich nicht von ideologischen Verklärungen oder wirtschaftlichen Abhängigkeiten blenden zu lassen. Denn es gilt nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts. Dafür müssen wir diplomatisch Stellung beziehen und gleichzeitig zwischen den Akteur*innen vermitteln. Wichtig ist auch, Präsenz in der Region zu zeigen, wie etwa vergangenes Jahr durch die Ausbildungs- und Präsenzfahrt der Fregatte Bayern und die Übung der Luftwaffe in Australien.

Die Lehren aus der „Zeitenwende“ anwenden

Entscheidend für unser Engagement sollten die Stimmen unserer Partner*innen sein. Sie müssen wir noch mehr in den Fokus rücken und unsere Partnerschaften vertiefen, etwa mit Japan, Indien oder Indonesien. Davon können auch wir enorm profitieren, denn mit vielen Staaten haben wir das Kooperationspotential nicht annähernd ausgeschöpft.

Klar ist: Wir sollten unseren Einfluss im Indo-Pazifik nicht überschätzen. Dennoch gilt es, den von uns formulierten Gestaltungswillen ernst zu nehmen und aktiv uns für Freiheit und Frieden zu engagieren. So können wir auch zeigen, dass wir nachhaltig aus der Zeitenwende gelernt haben.

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Kommentare

regelbasierte Ordnung ?

Ich bin eher für die Vereinbarungen der UNO und das sich das daraus ergebende Völkerrecht.

Feministische Außenpolitik = Imperialer Krieg?

Wie steht es mit den hegemonialen Ansprüchen der USA im Indopazifik? Die haben dort ebenso wenig etwas zu suchen wie wir, sichern dort aber primär ihre Machtinteressen ab.

Wie sollten wir Europäer in der Lage sein, für einen freien und offenen Indopazifik zu sorgen? Wir können noch nicht einmal eine eigene Militärstrategie unabhängig von den USA formulieren, wir hängen am US-Tropf und unsere Bundesregierung fühlt sich auch noch wohl dabei. Uns ist nicht einmal gestattet, einen Verhandlungsfrieden in der Ukraine zu denken, geschweige denn Gespräche zu führen. Und da will die Autorin im Indopazifik für Freiheit und Gerechtigkeit sorgen?

Wollen wir entschieden für das Völkerrecht eintreten? Fangen wir im Kosovo an, da haben wir es mit Füßen getreten und tun es noch.

Das Ganze wird nur zu noch mehr hegemonialen Konflikten führen, zu mehr Aufrüstung und zu mehr Profiten bei der Rüstungsindustrie. Und zu mehr Abhängigkeit der EU von den USA, die für Europa nur Krieg und Niedergang im Gepäck haben.

Wenn das die neue außenpolitischen Positionierung der SPD ist, dann wird sie wirksam zu Wahlerfolgen der AfD beitragen.

So ist es.

Peter Plutarch hat mit allem Recht - da können Pistorius und die Junge Außenpolitik sagen, was immer sie wollen. Zusätzlich sei daran erinnert, dass ein SPD-Verteidigungsminister schon mal Deutschlands Freiheit am Hindukusch verteidigt hat mit katastrophalen Folgen für alle daran Beteiligten. Und China ist eine ganz andere Nummer als die Taliban.

Meinungsbeitrag

Der Text ist nicht "die neue außenpolitische Positionierung der SPD", sondern ein Gastbeitrag, der die Meinung der Autorin wiedergibt.