Die Kritik an Bundespräsident Christian Wulff nimmt immer drastischere Ausmaße an. Am Wochenende demonstrierten einige hundert Menschen vor dem Schloss Bellevue. Indem sie ihre Schuhe zeigten, forderten sie Wulffs Rücktritt.
Das nasskalte Wetter hätte vor allem wasserfeste und warme Stiefel erfordert. Doch am Wochenende gab es am Rande des Tiergartens in Berlin ein buntes Sammelsurium an Schuhen zu sehen – vom eleganten Stöckelschuh bis zur sommerlichen Sandale, vom abgewetzten Fußballschuh bis zum legeren Slipper. Doch niemand holte sich nasse Füße: Das vielfältige Schuhwerk diente als Zeichen des Protests vor Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten.
„Wulff den Schuh zeigen“ lautete das Motto der Kundgebung, zu der der überparteiliche Verein „Crative Lobby of Future“ (CLoF) eingeladen hatte, um den Unmut über den Bundespräsidenten zum Ausdruck zu bringen – das Zeigen von Schuhen gilt in der islamischen Welt als Ausdruck von tiefer Verachtung. Mehrere Hundert Menschen waren dem Aufruf gefolgt, der sich binnen weniger Tage via Facebook und Twitter wie ein Lauffeuer verbreitet hatte.
Vorbildfunktion beschädigt
„Wulff tritt die Werte der freiheitlichen Ordnung mit Füßen, obwohl er sie als höchster Repräsentant des Staates vertreten soll“, kritisierte der CloF-Vorsitzende Holger Werner. „Wir ermuntern Jugendliche, sich gesellschaftlich in Vereinen und Parteien zu engagieren“, so Werner. Wenn der oberste Hüter des Grundgesetzes sich so verhalte, stelle sich die Frage der Glaubwürdigkeit. Besonders kritisiert Werner die offensichtliche Verletzung der Pressefreiheit durch die „Mailbox-Affäre“ des Bundespräsidenten. „Ich war in der Bürgerrechtsbewegung der DDR aktiv – für mich ist die Pressefreiheit eines der höchsten Güter eines freiheitlichen Staates.“
Jürgen Jänen, CloF-Pressesprecher und aktiver Sozialdemokrat, fügte hinzu: „Mich persönlich stört auch die ausgesprochene Doppelmoral des Präsidenten. Er hat andere Politiker wie seine Amtsvorgänger Glogowski in Niedersachsen und Rau in Bellevue aus geringeren Anlässen moralisch scharf kritisiert. Aber jetzt lässt er sich nicht an seinen früher bekundeten Ansprüchen messen.“
Rechtspopulisten ausgegrenzt
Nicht frei von Ironie war das Geschehen etwas abseits: Obwohl der Bundespräsident mit einer Geste aus der arabischen Welt kritisiert wurde, versuchte sich eine kleines Grüppchen von Wulff-Gegnern in politischer Trittbrettfahrerei und hielt Plakate einer populistischen Anti-Islam-Partei hoch. Dieses Spiel über Bande zeigte allerdings keine Wirkung – die ungebetenen Gäste blieben am rechten Rand und wurden nicht weiter beachtet.