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WSI-Gleichstellungsbericht: Frauen leisten Großteil unbezahlter Sorgearbeit

Wie sieht es mit der Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland aus? Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt: Frauen holen im Job auf, ihre wirtschaftliche und soziale Situation ist jedoch weiterhin schlechter als die von Männern.
von Vera Rosigkeit · 26. Februar 2020

Die Erwerbsbeteiligung von Frauen steigt, 2018 lag ihr Anteil bei 72,1 Prozent (im Vergleich: 1991 bei 57 Prozent), der Anteil der Männer bei 79,6 Prozent, ein Unterschied von knapp acht Prozent. Deutlich höher hingegen ist mit fast zwei Dritteln ihr Anteil an den ausschließlich geringfügig Beschäftigten. Von den Erwerbstätigen, die ausschließlich einen Minijob haben, sind 62 Prozent weiblich. 46 Prozent der Frauen und damit gut viermal so häufig wie Männer (11 Prozent) arbeiten in Teilzeit. Laut WSI-Report trage dieses Ungleichgewicht, auch wegen geringerer Karrieremöglichkeiten, wesentlich dazu bei, dass der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen knapp 21 Prozent unter dem von Männern liege.

Großer Unterschied bei unbezahlter Sorgearbeit

Als wesentlichen Grund für die Unterschiede im Erwerbsleben nennen die Autor*innen der Studie, die das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung am Mittwoch vorgelegt hat, die ungleiche Aufteilung der unbezahlten Sorgearbeit, etwa bei der familiären Kinderbetreuung, der Pflege oder im Haushalt (Gender Care Gap). So mache unbezahlte Arbeit bei Frauen 45 Prozent an der Gesamtarbeitszeit aus, bei Männern sind es hingegen nur 28 Prozent. Die Wissenschaftler*innen räumen ein, dass Männer beispielsweise bei der Pflege langsam mehr Aufgaben übernehmen würden.

Unterschiede finden sich nach wie vor auch im Einkommen, obwohl Frauen in der schulischen Bildung die Männer inzwischen überholt haben. Von den Frauen, die in Vollzeit arbeiten, verdienen 25 Prozent weniger als 2.000 Euro brutto im Monat, bei den Männern sind es 14 Prozent. Dass der Abstand zwischen den Entgelten in den vergangenen Jahren kleiner geworden ist, sei der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zu verdanken.

53 Prozent weniger Rente

Besonders groß ist laut WSI-Report die Lücke bei der Absicherung im Alter: Um 53 Prozent niedriger im Vergleich zu Männern ist das Alterseinkommen von Frauen, nimmt man gesetzliche Rente, betriebliche und private Alterssicherung zusammen. „Diese Entwicklung zeigt beispielhaft: Der Rückstand der Frauen wird in wichtigen Bereichen kleiner. Aber Fortschritte bei der Gleichstellung vollziehen sich meist sehr langsam“, sagt WSI-Forscherin Karin Schulze Buschoff, die die Studie zusammen mit Yvonne Lott vom WSI sowie Svenja Pfahl und Dietmar Hobler vom Berliner Forschungsinstitut Sowitra erstellt hat.

Sie weisen zudem darauf hin, dass es mit der Gleichstellung schneller voran gehe, wo Politik mit Investitionen und verbindlichen Regulierungen für Dynamik sorge. Maßnahmen reichten hier von der Ganztagsbetreuung für Kinder bis zur Einführung einer Geschlechterquote in Aufsichtsräten in den 160 größten börsennotierten Unternehmen. Hier stieg der Frauenanteil um gut 30 Prozent bis 2018, während in Unternehmens-Vorständen, für die es bislang keine gesetzlichen Regeln gibt, nicht einmal jedes zehnte Mitglied weiblich ist.

Quote für Vorstände

Dass es auch hier verbindliche Vorgaben geben müsse, dafür hatte sich kürzlich Bundesjustizministerin Christine Lambrecht auf einer Tagung der IG Metall „zur Quote für Aufsichtsräte und Führungspositionen“ ausgesprochen. Gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Franziska Giffey habe sie einen entsprechenden Gesetzentwurf erarbeitet, der dem Kanzleramt vorliege, betonte Lambrecht.

Um Gleichstellung weiter zu fördern, sprechen sich auch die Wissenschaftler*innen der Studie für verpflichtenden Vorgaben in Vorständen aus. Sie empfehlen darüber hinaus stärkere Anreize für Männer zu schaffen, Sorgearbeit zu übernehmen und einen weiteren Ausbau der institutionellen Betreuung von Kleinkindern. Auch sei eine finanzielle Aufwertung von frauendominierten Berufen im Sozial-, Erziehungs- und Gesundheitsbereich notwendig, um diese für beide Geschlechter attraktiver zu machen. Zudem plädieren sie für die Schaffung von Arbeitsplätzen in kurzer Vollzeit und Abkehr von der Vollzeit- bzw. Überstundenkultur.

SPD für mehr Partnerschaftlichkeit

SPD-Fraktionsvize Katja Mast reagierte am Mittwoch auf die Ergebnisse der Studie und forderte Initiativen für mehr Partnerschaftlichkeit und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Angestrebte Maßnahmen seien der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter und die Reform des Elterngeldes. „Darauf aufbauend machen wir uns als SPD für unser Modell der Familienarbeitszeit stark. Es erleichtert die flexiblere Verteilung von Zeiten für die Arbeit, für Kinder und Familie oder auch Pflege und sorgt mit dem Familiengeld für wirtschaftliche Stabilität.“

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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