Inland

Eine Woche 9-Euro-Ticket: Viele betreten zum ersten Mal einen Bahnhof

Seit einer Woche gilt das 9-Euro-Ticket. Ralf Damde, Vize-Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der DB Regio, zieht eine gemischte Zwischenbilanz – und fordert mehr Personal an den Bahnhöfen.
von Kai Doering · 7. Juni 2022
Viel Informationsbedarf: Ralf Damde, Vize-Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats DB Regio, fordert wegen des 9-Euro-Tickets mehr Personal an den Bahnhöfen.
Viel Informationsbedarf: Ralf Damde, Vize-Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats DB Regio, fordert wegen des 9-Euro-Tickets mehr Personal an den Bahnhöfen.

Seit einer Woche kann mit dem Neun-Euro-Ticket überall in Deutschland gefahren werden. Wie fällt ihre Zwischenbilanz aus?

Ich befürworte das Neun-Euro-Ticket und finde es gut, dass damit Familien und Pendler entlastet werden. Und ich unterstütze auch das Ziel, Menschen den Öffentlichen Personennahverkehr näher zu bringen. Zur Ehrlichkeit gehört aber dazu, dass die Voraussetzungen für die Einführung des Tickets nicht gestimmt haben. Seit 30 Jahren wird die Deutsche Bahn AG abgewirtschaftet. Es wird an Zügen und Personal gespart. In Hochzeiten wie etwa gerade am Pfingstwochenende gibt es keinerlei Reserven und kaum eine Möglichkeit, auf ein hohes Fahrgastaufkommen zu reagieren. Trotzdem haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Herausforderungen, die das Neun-Euro-Ticket mit sich bringt, gut reagiert. Sie haben in der ersten Woche einen Top-Job gemacht und vieles aufgefangen. Besonders froh bin ich, dass die befürchteten körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Fahrgästen und Bahn-Personal bisher ausgeblieben sind. Es ist allerdings auch klar, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht weiter in dem Umfang Überstunden leisten können, wie sie es in der ersten Woche getan haben.

In der Berichterstattung war vor allem am Pfingstwochenende von chaotischen Zuständen in den Regionalzügen die Rede. Inwieweit ist das repräsentativ?

Das Pfingstwochenende war nicht chaotischer als in anderen Jahren auch. Das macht die Sache nicht unbedingt besser, aber mit dem Neun-Euro-Ticket hat das nichts zu tun. Klar ist aber auch, dass wir solche Wochenenden nicht drei Monate lang durchstehen können. Wir haben über Pfingsten Tausende Überstunden produziert und alles im Einsatz gehabt, was einsatzfähig war – sowohl was die Züge angeht als auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das geht mal, aber nicht ständig.

Die ersten Tage des Neun-Euro-Tickets haben gezeigt, dass Passagiere deutlich mehr Hilfestellung brauchen als normalerweise. Woran liegt das?

Es ist ja gewollt, dass möglichst viele Menschen zurück zur Bahn und zurück zum ÖPNV kommen. Das scheint gut zu funktionieren. Viele betreten dadurch aber offenbar zum ersten Mal einen Bahnhof. Sie brauchen Hilfe von der Frage, wo der Zug fährt bis hin zur Unterstützung beim Einstieg. Viele wissen auch gar nicht, dass in den Zügen nach wie vor eine Maskenpflicht herrscht. Die Fahrgäste darauf hinzuweisen, gehört ebenfalls zu der Unterstützung, die die Kolleginnen und Kollegen leisten müssen.

Wie sollte die Bahn darauf reagieren?

Wir brauchen mehr und bessere Informationen. Wir brauchen aber auch mehr Menschen auf den Bahnhöfen, die ansprechbar sind und helfen können. Das reicht von Reise-Informationen bis zur Aufgabe, für Ordnung zu sorgen. Natürlich ist ein junger Mann schneller beim Einstieg als eine Person, die im Rollstuhl sitzt. Darauf hinzuweisen und für gegenseitige Rücksichtnahme zu werben, ist auch Aufgabe der Kolleginnen und Kollegen. Sie können so auch dafür sorgen, dass Konflikte zwischen Fahrgästen gar nicht erst entstehen. Wir brauchen aber auch mehr Ein- und Ausstiegshilfen und eine Sonderreinigung von Zügen, besonders auf viel befahrenen Strecken.

Was können die Fahrgäste tun?

Möglichst entspannt bleiben und aufeinander achten. Außerdem sollten sie ihren Ärger, wenn mal etwas schiefläuft, nicht am Personal der Bahn auslassen. Wenn etwa ein Zug nicht fahren kann, weil er zu voll ist, liegt das nicht am bösen Willen des Zugführers, sondern daran, dass der Zug blockiert, wenn er ein bestimmtes Gewicht überschreitet. Der Zugführer kann da gar nichts machen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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