Die Wiederwahl Steinmeiers ist auch eine Niederlage für CDU-Chef Merz
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Frank-Walter Steinmeier ist wiedergewählt. Die Bundesversammlung wählte ihn am Sonntag mit über 73 Prozent der gültigen Stimmen für eine weitere Amtszeit zum Bundespräsidenten.
Seine Wiederwahl ist eine gute Nachricht für Deutschland und seine Demokratie. Denn schon in den letzten fünf Jahren hat sich Steinmeier als engagierter Verteidiger – und wo nötig auch als guter Erklärer – unserer demokratischen Ordnung erwiesen. Dabei hat er die doppelte Herausforderung durch die zersetzende Propaganda der AfD und die radikalen Corona-Proteste angenommen und souverän gemeistert. Statt sich weg zu ducken im Schloss Bellevue ist der Präsident in die Offensive gegangen und hat den Dialog mit den Bürger*innen gesucht, auch wenn es schwierig und unbequem war. „Ich bin überparteilich, aber ich werde nie neutral sein, wenn es um die Sache der Demokratie geht.“ So hat Steinmeier sein Engagement für die Demokratie einmal auf den Punkt gebracht.
Steinmeier sorgte für Regierungsbildung
Dabei hat er ihnen durchaus auch etwas zugemutet. Das gilt ebenso für die politischen Parteien. Ja, vielleicht gilt das sogar am meisten für seine eigene Partei, für die seine Mitgliedschaft freilich ruht, die SPD. Nach der Bundestagswahl 2017 und der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zwischen Union, FDP und Grünen entschied sich die Sozialdemokratie für einen klaren Oppositionskurs. Nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen war es Steinmeier, der der SPD ins Gewissen redete. „Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält“ , so argumentierte er damals. Und bewegte so die SPD, erneut Regierungsverantwortung in einer großen Koalition unter CDU-Führung zu übernehmen. So wurden Neuwahlen vermieden. Deutschland blieb regierbar.
Dass Steinmeier Mut beweist, auch wenn es um sein eigenes politisches Schicksal geht, zeigte er im Mai 2021. Damals noch ohne klare Mehrheit in der Bundesversammlung erklärte er sich bereit für eine erneute Kandidatur als Staatsoberhaupt. „Gewissheit gibt es in der Demokratie nicht, auch nicht bei der Wahl des Bundespräsidenten“, betonte er damals. Damit zeigte er einen Mut, wie ihn vor ihm kein anderes Staatsoberhaupt in der Bundesversammlung bewies.
Hohe Wertschätzung der Bürger*innen
Seit Jahren zeigen die Umfragen eine konstant hohe Wertschätzung der Bevölkerung für Steinmeier. Nach dem aktuellen ZDF-Politbarometer wenige Tage vor der Wiederwahl finden 85 Prozent der Befragten, der Bundespräsident leiste eine gute Arbeit. Nur zehn Prozent sind damit nicht zufrieden. Damit kommt Steinmeier bei den Anhänger*innen aller Parteien auf eine mehrheitliche Zustimmung. Selbst die AfD-Anhänger*innen bescheinigen ihm zu 51 Prozent gute Arbeit.
Auch wenn Frank-Walter Steinmeiers Mitgliedschaft in der SPD in der Zeit seiner Präsidentschaft ruht – für die SPD ist die erste Wiederwahl eines sozialdemokratischen Staatsoberhauptes ein großer politischer Erfolg, ja auch ein historischer. Denn zum ersten Mal seit Reichspräsident Friedrich Ebert (1919-1925) und den Bundespräsidenten Gustav Heinemann (1969-1974) und Johannes Rau (1999-2004) wird ein Staatsoberhaupt aus den Reihen der SPD wiedergewählt.
Keine Mehrheitsbildung gegen die SPD
Wichtig für die SPD ist darüber hinaus: In der Bundesversammlung gibt es keine Mehrheitsbildung gegen die Sozialdemokratie. Das wäre durchaus möglich gewesen, denn die Positionierung der Regierungspartner Grüne und FDP zum Präsidentenamt war im Koalitionsvertrag der Ampel nicht festgelegt.
Die Union hatte ohne eigenen starken Kandidaten bzw. Kandidatin keine Chance in der Bundesversammlung. Die Angst vor einer Abstimmungsblamage war dann wohl doch größer als der Wunsch, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Schon seit Jahren hatte die Union wenig Fortune in der Präsidentenfrage: Die letzten Staatsoberhäupter der CDU – Horst Köhler und Christian Wulff – haben nach ihrem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Amt keinen guten Eindruck hinterlassen.
Friedrich Merz scheitert mit eigener Nominierung
Doch zunächst hatte die Union ganz andere Pläne. Noch im Dezember hatte CDU-Chef Friedrich Merz zum Vorschlag seines Parteifreundes, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst für eine*n eigene*n CDU-Kandidat*in in der Bundesversammlung vollmundig verkündet: „Aus meiner Sicht ist es selbstverständlich, dass wir das tun.“ Das war es offensichtlich nicht. Denn von seiner Ankündigung blieb am Ende nichts mehr übrig. Wie so oft bei Friedrich Merz.
„Ich halte das für richtig, nicht aufgeregte Vorschläge zu machen, die alle nichts werden“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz vor wenigen Tagen in der ARD zu seiner Art Politik zu machen. „Ich kenne in diesem Land Politiker, die haben von den 200 Vorschlägen, die sie gemacht haben, genau zwei im Laufe ihrer langen Karriere durchgesetzt. Und an die kann sich keiner erinnern.“ An Friedrich Merz' Vorschlag zur Präsidentenwahl kann sich heute in der Tat kaum noch jemand erinnern. Typisch bei ihm.