Tierschutz

Welttierschutztag: Es ist an der SPD, die Tierausbeutung zu beenden

Stefan Sander04. Oktober 2020
Armes Schwein: Im System der Tierindustrie wird ein Schwein nur sechs Monate alt, obwohl es eine biologische Lebenserwartung von zehn Jahren hätte.
Armes Schwein: Im System der Tierindustrie wird ein Schwein nur sechs Monate alt, obwohl es eine biologische Lebenserwartung von zehn Jahren hätte.
Viele Tiere leben in Deutschland unter katastrophalen Bedingungen. Dabei gibt es mehr als genug Alternativen, um die Tierausbeutung zu beenden. Die SPD sollte sich dafür stark machen.

Tiere empfinden wie wir Menschen Schmerzen. Sie haben daher ein Interesse daran, keinem unnötigen Leid ausgesetzt zu sein. Sie wollen auch, dass ihre jeweils individuellen und speziesspezifischen Grundbedürfnisse gestillt sind. Diese banalen Einsichten müssen die Grundlage unseres Tierschutzes sein. Tun wir Tieren außerhalb einer Notsituation Gewalt an, müssen wir dies folglich als Ausbeutung verstehen. Und Ausbeutung wollen wir beenden. Denn als demokratische Sozialist*innen dürfen wir nicht hinnehmen, dass Tiere einfach zu unserem Nutzen – zur Ernährung oder Unterhaltung – da sind. Wir können keine vermeintlich von Gott gegebene Ordnung ins Feld führen, die eine Ausbeutung rechtfertigt.

Menschen produzieren Tierleid

Im Jahr 2019 wurden in Deutschland rund 763 Millionen Tiere geschlachtet. Auf unserer Webseite haben wir einen selbst entwickelten Tiertötungszähler eingebunden, der diese schwindelerregenden Dimensionen ein wenig verständlicher machen soll.

Im System der Tierindustrie wird ein Schwein nur sechs Monate alt, obwohl es eine biologische Lebenserwartung von zehn Jahren hätte. Eine „Milchkuh“ wird viereinhalb Jahre alt (Lebenserwartung 25 Jahre). Ein „Masthähnchen“ wird nur fünf bis sieben Wochen alt (Lebenserwartung fünf Jahre). Eine echte vegetarische Eier- und Milchproduktion, also eine ohne Tötung, gibt es nicht. Denn sowohl „Legehennen“ als auch „Milchkühe“ werden bei abnehmender „Leistung“ geschlachtet. Die qualvollen Existenzbedingungen der einzelnen Tierarten können auf der Seite der Albert Schweitzer Stiftung nachgelesen werden.

Gesellschaftliche Dimensionen der Katastrophe

Weil wir uns auch gut ohne Tierindustrie ernähren können, weil es ohne Tierleid und Tierproduktion geht, sprechen wir von Tierausbeutung. Diese Tierausbeutung ist eine Katastrophe. Und wenn CDU-Minister*innen die Fortsetzung der Tierquälerei ermöglichen, ist das ein Skandal. Es nutzt allerdings nichts, wenn wir unseren Fokus immer nur auf einzelne Skandale richten. Vielmehr muss es darum gehen, die Ausbeutung der Tiere in ihrer grundlegenden Verbindung zu kapitalistischen Produktionsverhältnissen und anderen Formen der Unterdrückung zu verstehen und zu kritisieren.

Zurzeit ist der Begriff des „Tierwohls“ ist in aller Munde. Dabei ist er hochproblematisch. Das Tierwohl-Framing der Tierindustrie zu übernehmen, bedeutet gerade nicht, das Wohl eines jeden Tieres zu berücksichtigen. Vielmehr wird vor allem das Wohl der Tierindustrie berücksichtigt. Nicht zuvorderst über Alternativen zur Tierindustrie nachzudenken, ist daher ein Teil der gesellschaftlichen Katastrophe.

Tierproduktion und Klimakatastrophe

Die Lebensmittel- und Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass die Viehhaltung weltweit für 14,5 Prozent aller Treibhausgase verantwortlich ist. Andere Studien kommen auf bis zu 25 Prozent, doch selbst ausgehend von der konservativen Einschätzung der FAO werden Tierprodukte im Jahr 2050 mehr als die Hälfte des Treibhausgas-Budgets für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels verschlingen. Rechnet man hier noch das von den Konzernen prognostizierte Produktionswachstum hinzu, sind es sogar mehr als  80 Prozent. Damit ist unmissverständlich klar, dass sich die Klimaziele nicht ohne Reduzierung der Tierproduktion erreichen lassen.

Das Einhalten dieser Ziele und damit das Verhindern der Klimakatastrophe ist die wichtigste Aufgabe unserer Gesellschaft. Auch in den Augen vieler Wähler*innen.

Was hilft: Ausstieg aus der Käfigethik

Daher benötigt die SPD endlich konsistente Tierschutzforderungen, die zusätzlich gegen die Klimakatastrophe wirken. Es müssen zudem Forderungen sein, mit denen sie sich vor niemanden mehr zu verstecken braucht. Wir sagen:

  • Alle wissen, dass die Tierproduktion bis 2030 massiv gesenkt werden muss. Wir müssen endlich weitgehende Ziele festlegen, die dabei helfen, die Ausbeutung von Tieren zu verringern und das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. „Sozis für Tiere“ fordert daher die Halbierung der Tierproduktion bis 2030.
  • Keinesfalls dürfen Steuermittel für „Tierwohl“-Stallumbauten oder weitere Schlachthöfe fließen. Vielmehr werden diese Ressourcen benötigt, um den Abbau von Produktionskapazitäten zu unterstützen, etwa durch „warme Sanierungen“. So können Betriebe zukünftig deutlich weniger Tiere, „viehlos“ oder „bio-vegan“ produzieren.
  • Die Ernährungsbildung in Deutschland ist bekanntermaßen schlecht. Dabei wäre etwa die Einhaltung der Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in der Gemeinschaftsverpflegung sowie die Bewerbung der Vorteile pflanzlicher Ernährung – ähnlich der Kampagne „Zu gut für die Tonne“ – von hoher Bedeutung für eine nachhaltige Ernährung.

Mit diesen Forderungen punktet die SPD sicher auch bei der jüngeren Generation, der insbesondere Tier- und Klimaschutz sehr am Herzen liegen.

Was kann die Parteibasis tun?

Die Parteibasis findet bei Sozis für Tiere ein Beschlussarchiv mit mehr als 300 Beschlüssen von SPD und Jusos zur Ernährungs-, Landwirtschafts- und Tierschutzpolitik. Das Archiv hilft ungemein bei der Entwicklung neuer Anträge.

Außerdem laden wir alle ein, an unserem Lesekreis teilzunehmen. Er wird sich zunächst mit dem (als PDF frei verfügbaren) Buch „Haben Tiere Rechte?“ der Bundeszentrale für politische Bildung auseinandersetzen.

Es liegt an der SPD, die Tierausbeutung zu beenden.

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Kommentare

Wie kam es dazu ?

Als Ende der 1990er Jahre die Diskounter anfingen "Frischfleisch" anzubieten hatten diese einen großen Bedarf an einheitlichen Chargen. Dies konnten Großschlachtereien am Besteb bedienen und diese brauchten dann Großmäster, die wiederum einheitliche Chargen an Tieren liefern konnten. Soweit alles gedeckt vom bestehenden Wirtschaftssystem. Naturlich auch die Schließung kleiner Schlachtereien und Fleischereien. Dazu kam das beschränkte Angebot der diskounter, die nur Teilstücke der Tiere (Kotlett, Brust etc.) hier vermarkteten - der Rest war für den Export (samt Weltmeister). Futtermittelimport - Fleischexport das ist das Boomgeschäft; das Nitrat bleibt hier im Grundwasser. Bleibt aber auch die Frage: wer subventinierte damals die Konzentration auf Großschlachtereien und noch mehr industrialisierte Tierhaltung ? Wer "lockerte" die Arbeitsbedingunegn gerade in der Fleischindustrie ? Welche Politik zerstört(e) die bäuerliche Landwirtschaft ?
Aber wir sollten auch den pestiziddurchtränkten Ackerbau (Gemüse, Obst, Getreide etc.) nicht aus den Augen verlieren, denn dort herrschen die gleichen Rahmenbedingungen.

Wie kam es dazu?

Fragen über Fragen über Fragen.
Die Antwort liegt im "bestehenden Wirtschaftssystem". Und das ist nahezu weltweit der
real existierende Kapitalismus in der heutigen Form des Neoliberalismus (marktextremistischer Kapitalismus) und des
Finanzmarktkapitalismus.

Karl Marx / MEW 23, S. 529 F :
Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie z u g l e i c h die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.

wie schön wäre das

aber es käme der Quadratur des Kreise gleich, wenn das gelänge. Wir müssen ja schließlich auch noch religiösen und kulturellen Bedürfnissen der jetzt hier auch lebenden Geltung verschaffen, und Tiere, die nicht die Hände eines europäischen Schlachtbetriebs gelangen, wurden dann nicht nur in der Haltung gequält, sie werden auch bei vollem Bewusstsein abgeschlachtet. Sehr bereichernd, kulturell- aber für die Tiere ist das eher nichts

Das stimmt nicht

Bitte vebreiten Sie keine Unwahrheiten. Das halale Schlachten, auf das Sie sich hier wohl beziehen, ist nach § 17 des Tiersschutzgesetzes in Deutschland verboten und wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet.

bitte nicht ganz so

unvorsichtig- in den Vorwürfen.
Vgl,
https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv104337.html#

So weit mir bekannt, gibt es

So weit mir bekannt, gibt es in DE Ausnahmeregelungen. In welchem Umfang diese erteilt werden, ist mir nicht bekannt. Das wäre evtl. mit Blick auf den Tierschutz interessant zu erfahren.

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Wenn man sich nur erst einmal

Wenn man sich nur erst einmal Gedanken über die Tierhaltung an sich Gedanken machen würde. Kühe und Schweine, die auf Spaltenböden gehalten werden, ist wirklich grauenhaft.

Ferner müssen die Lebend-Tiertransporte über weite Strecken unter die Lupe genommen werden, hier insbesondere auch die Tiertransporte mit Schiffen. Was da nicht lebend ankommt, wird mit Sicherheit ins Meer geworfen - geht ja gar nicht anders.

Generell muss erst einmal der Umgang mit unseren Nutztieren in Frage gestellt werden, hier insbesondere in Großmastställen.

Halal und Koscher

Ich denke mal daß wir uns darüber nicht streiten müssen. Bedenklich ist doch das Produktions- und Vermarktungssystem, das Bauern - um der Existenz willen - dazu zwingt so mit den Tieren umzugehen. Manch einer würde gerne anders, aber ...... . Ich hörte von einem Ferkelerzeuger (!), daß er ja bereit ist auf Kastenstände zu verzichten, allein "der Markt" gibt nicht soviel her als daß er sich den Umbau leisten könnte und es war doch die "Agrarwissenschaft" und das Veterinäramt das ihn zu dieser Produktionsweise gedrängt hat. Offenstallhaltung mit großen Buchten pro Sau - das ging aus "Seuchenhygienischen Gründen" nicht.
Was hält den Mann ab afd zu wählen ?