Welche Ziele Olaf Scholz mit seiner Ukraine-Politik verfolgt
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Der 24. Februar 2022 markiert nicht nur den Beginn von Russlands Krieg in der Ukraine. Er beendete auch jahrzehntelange politische Gewissheiten in Deutschland. Nicht umsonst sprach Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Sondersitzung des Bundestags drei Tage nach dem Angriff von einer „Zeitenwende“. Ein knappes Jahr später hielt Scholz am Mittwoch erneut eine Regierungserklärung. Der Anlass: ein außerordentliches Treffen des Europäischen Rates am Donnerstag und Freitag dieser Woche.
Entscheidungen vertraulich vorbereiten und erst dann kommunizieren
Scholz nutzte seine Rede auch, um sein Handeln gegenüber der Ukraine und Russland zu erklären. Mehr als einmal war dem Kanzler im vergangenen Jahr eine zögerliche, ja zaudernde Haltung vorgeworfen worden. Diese Annahme widerlegte der Kanzler am Mittwoch eindrucksvoll. Vom ersten Kriegstag an, habe für ihn gegolten: „Der Zusammenhalt innerhalb unserer Bündnisse und Allianzen ist unser höchstes Gut“, stellte Scholz klar. „Diesen Zusammenhalt wahren und stärken wir, indem wir Entscheidungen zunächst vertraulich vorbereiten – und dann erst kommunizieren.“ Wie etwa bei der Entscheidung im Januar, Kampfpanzer in die Ukraine zu liefern.
„Was unserer Geschlossenheit hingegen schadet“, fand der Kanzler ebenfalls deutliche Worte, „ist ein öffentlicher Überbietungswettbewerb nach dem Motto: Kampfpanzer, U-Boote, Flugzeuge – wer fordert noch mehr.“ Kritik und das Auseinandertreiben von Verbündeten nutze am Ende vor allem einem: „Putin und seiner Propaganda“, so Scholz.
Die drei Prinzipien von Olaf Scholz
Drei Prinzipien nannte der Kanzler, die sein Handeln und das der Bundesregierung vom ersten Tag des Krieges an leiteten:
- „Wir lassen nicht zu, dass ein Land sich mit Gewalt Teiles eines anderen Landes einverleibt und damit die Grundprinzipien unserer Friedensordnung in Europa in Frage stellt.“ Genau deshalb unterstütze Deutschland die Ukraine dabei, sich zu verteidigen. „Solange wie nötig“, wie Scholz betonte.
- „Wir treffen keine Entscheidungen, die die NATO zur Kriegspartei werden lassen.“ Nicht die NATO führe Krieg gegen Russland, stellte Olaf Scholz klar. „Russland hat die Ukraine überfallen.“ Deshalb sei es auch an Russland, den Krieg zu beenden. „Je eher, desto besser.“
- „Alles, was wir tun, tun wir im Gleichklang mit unseren Partnern und Verbündeten.“ Das sei für ihn der Leitfaden in den vergangenen zwölf Monaten gewesen. „Und dabei bleibt es“, so Scholz. Den außerordentlichen Europäischen Rat wollten er und seine Amtskolleg*innen nutzen, „um unsere Positionen abzugleichen und den weiteren Kurs abzustecken“.
Nicht die laute Forderung setzt sich durch
Zum Schluss seiner Regierungserklärung fasste Olaf Scholz seine Erkenntnisse sei dem 24. Februar zusammen. Die Erfahrung dieser Zeit zeige: „Nicht die schnelle, laute Forderung setzt sich durch, sondern durchdachte, ordentlich abgestimmte und daher tragfähige Ideen.“ Diesen Weg werde er deshalb weitergehen. Lösungen gemeinsam mit anderen zu erarbeiten, „das ist und das bleibt der Kompass dieser Bundesregierung in der Außen- und in der Europapolitik“.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.