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Welche Rolle Bundespräsident Steinmeier bei der Regierungsbildung spielt

Nicht nur an diesem Donnerstag richten sich alle Augen auf Frank-Walter Steinmeier. Dem Bundespräsidenten kommt die entscheidende Rolle bei der schwierigen Regierungsbildung zu. Warum er dafür der richtige Mann ist, sagt sein Biograf Sebastian Kohlmann.
von Kai Doering · 29. November 2017
Bei der schwierigen Regierungsbildung nach dem Scheitern von Jamaika richten sich alle Augen auf ihn: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Bei der schwierigen Regierungsbildung nach dem Scheitern von Jamaika richten sich alle Augen auf ihn: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Am Donnerstag trifft sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit den Vorsitzenden von SPD, CDU und CSU, um die Möglichkeiten für eine Regierungsbildung auszuloten. Was ist von dem Treffen zu erwarten?

Erstmal finde ich es bemerkenswert, dass es überhaupt zu diesem Gespräch kommt. Die SPD hat ja bis vor kurzem eine erneute große Koalition kategorisch ausgeschlossen. Dass sich Martin Schulz nun mit Angela Merkel und Horst Seehofer an einen Tisch setzt, ist das Verdienst von Frank-Walter Steinmeier, dessen Credo ja schon als Außenminister war, man müsse den Gesprächsfaden immer aufrechterhalten. Was in der Außenpolitik gilt, ist in der Innenpolitik nicht verkehrt. Zu welchen konkreten Ergebnissen das Acht-Augen-Gespräch führen wird, ist allerdings schwer abzusehen.

Das Amt des Bundespräsidenten ist normalerweise eher repräsentativ. Warum hat er nun einen so großen Einfluss auf die Regierungsbildung?

Das liegt an der Rolle, die das Grundgesetz dem Bundespräsidenten zuschreibt, wenn sich nicht so ohne weiteres eine neue Regierung bilden lässt. In der Geschichte der Bundesrepublik ist das ja so bisher noch nicht vorgekommen. In dieser Situation wird deutlich, wie das Grundgesetz aufgebaut ist und dass Neuwahlen nicht so ohne weiteres möglich sind. Mit der Institution des Bundespräsidenten gibt es jemanden, der einen großen Einfluss darauf hat, wie es jetzt weitergeht. Und Frank-Walter Steinmeier hat sich dafür entschieden, nun erstmal alle Bundestagsparteien zum Gespräch einzuladen, um gemeinsam zu überlegen, wie eine Regierung doch noch ohne Neuwahlen gebildet werden kann. Das Gesprächsangebot eines Bundespräsidenten kann man kaum ausschlagen.

Frank-Walter Steinmeier hat selbst Regierungsverantwortung getragen. Hilft ihm das, um in dieser schwierigen Situation zu vermitteln?

Frank-Walter Steinmeier hat mit der Repräsentativität seines Amtes zu Anfang sehr gefremdelt. Die Umstellung vom aktiven Politiker in der Exekutive zum obersten Repräsentanten der Bundesrepublik war tatsächlich sehr groß. Durch das Scheitern der Jamaika-Sondierungen richten sich nun alle Augen auf den Bundespräsidenten. Das gibt ihm die Chance, wieder exekutiv aktiv zu werden. Das scheint ihm, trotz des Ernstes der Lage, Freude zu machen. Wenn man sich seine Sprache anhört und seine Körpersprache ansieht, merkt man, dass seine Haltung in den vergangenen Tagen eine ganz andere geworden ist. Man sieht: Da ist jemand, der gestalten möchte.

Das ist eigentlich im Amt des Bundespräsidenten nicht vorgesehen. Wie weit ist der Rahmen, in dem er tatsächlich gestalten kann?

Frank-Walter Steinmeier kann natürlich keine Koalitionsverhandlungen führen, aber er kann Gespräche anstoßen und die Beteiligten in die Pflicht nehmen. Sein Ziel ist, die drei Parteivorsitzenden miteinander ins Gespräch zu bringen, weil er glaubt, dass eine erneute große Koalition möglich ist. Was die Parteien daraus machen, kann der Bundespräsident dann nur noch bedingt beeinflussen.

Frank-Walter Steinmeier war selbst Minister in zwei großen Koalitionen. Spielt das eine Rolle für die Gespräche mit SPD und Union?

Das spielt sicher eine Rolle, weil er sowohl Martin Schulz als auch Angela Merkel und Horst Seehofer seht gut und lange kennt. Wichtiger finde ich aber, dass Frank-Walter Steinmeier selbst in herausgehobener Position bereits an vier Regierungsbildungen auf Bundesebene beteiligt gewesen ist – angefangen 1998 an der Seite von Gerhard Schröder über die Neuauflage von Rot-Grün 2002 und die erste große Koalition 2005 bis hin zur Neuauflage 2013. Aus seinen Erfahrungen heraus weiß Frank-Walter Steinmeier genau, inwieweit die SPD auf der einen und die CDU/CSU auf der anderen Seite koalitionsfähig miteinander sind – und wo es vielleicht haken könnte.

Die SPD hat eine erneute große Koalition lange kategorisch ausgeschlossen. Meinen Sie, Frank-Walter Steinmeier wird sie umstimmen?

Ich glaube schon, dass Frank-Walter Steinmeier die Parteiführung umstimmen kann. Schwieriger wird es bei den Parteimitgliedern, insbesondere beim linken Flügel der SPD und dort exemplarisch bei den Jusos. Da wäre dann, sollte es in Richtung einer neuen großen Koalition gehen, eher die Parteiführung um Martin Schulz gefragt. Allerdings kann der Bundespräsident hier durchaus Hilfestellung leisten. Ich persönlich fände es zum Beispiel gut, wenn der Bundespräsident nicht nur mit den Partei- und Fraktionsvorsitzenden, sondern auch mit den Vorsitzenden der Jugendorganisationen der Parteien, also der Jusos und der Jungen Union, aber auch der anderen Jugendverbände, das Gespräch sucht. Das würde der Demokratie insgesamt sicher guttun.

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Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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