Gespräch in Bellevue

Welche Rolle Bundespräsident Steinmeier bei der Regierungsbildung spielt

Kai Doering30. November 2017
Bei der schwierigen Regierungsbildung nach dem Scheitern von Jamaika richten sich alle Augen auf ihn: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Bei der schwierigen Regierungsbildung nach dem Scheitern von Jamaika richten sich alle Augen auf ihn: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Nicht nur an diesem Donnerstag richten sich alle Augen auf Frank-Walter Steinmeier. Dem Bundespräsidenten kommt die entscheidende Rolle bei der schwierigen Regierungsbildung zu. Warum er dafür der richtige Mann ist, sagt sein Biograf Sebastian Kohlmann.

Am Donnerstag trifft sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit den Vorsitzenden von SPD, CDU und CSU, um die Möglichkeiten für eine Regierungsbildung auszuloten. Was ist von dem Treffen zu erwarten?

Erstmal finde ich es bemerkenswert, dass es überhaupt zu diesem Gespräch kommt. Die SPD hat ja bis vor kurzem eine erneute große Koalition kategorisch ausgeschlossen. Dass sich Martin Schulz nun mit Angela Merkel und Horst Seehofer an einen Tisch setzt, ist das Verdienst von Frank-Walter Steinmeier, dessen Credo ja schon als Außenminister war, man müsse den Gesprächsfaden immer aufrechterhalten. Was in der Außenpolitik gilt, ist in der Innenpolitik nicht verkehrt. Zu welchen konkreten Ergebnissen das Acht-Augen-Gespräch führen wird, ist allerdings schwer abzusehen.

Das Amt des Bundespräsidenten ist normalerweise eher repräsentativ. Warum hat er nun einen so großen Einfluss auf die Regierungsbildung?

Das liegt an der Rolle, die das Grundgesetz dem Bundespräsidenten zuschreibt, wenn sich nicht so ohne weiteres eine neue Regierung bilden lässt. In der Geschichte der Bundesrepublik ist das ja so bisher noch nicht vorgekommen. In dieser Situation wird deutlich, wie das Grundgesetz aufgebaut ist und dass Neuwahlen nicht so ohne weiteres möglich sind. Mit der Institution des Bundespräsidenten gibt es jemanden, der einen großen Einfluss darauf hat, wie es jetzt weitergeht. Und Frank-Walter Steinmeier hat sich dafür entschieden, nun erstmal alle Bundestagsparteien zum Gespräch einzuladen, um gemeinsam zu überlegen, wie eine Regierung doch noch ohne Neuwahlen gebildet werden kann. Das Gesprächsangebot eines Bundespräsidenten kann man kaum ausschlagen.

Sebastian Kohlmann

Frank-Walter Steinmeier hat selbst Regierungsverantwortung getragen. Hilft ihm das, um in dieser schwierigen Situation zu vermitteln?

Frank-Walter Steinmeier hat mit der Repräsentativität seines Amtes zu Anfang sehr gefremdelt. Die Umstellung vom aktiven Politiker in der Exekutive zum obersten Repräsentanten der Bundesrepublik war tatsächlich sehr groß. Durch das Scheitern der Jamaika-Sondierungen richten sich nun alle Augen auf den Bundespräsidenten. Das gibt ihm die Chance, wieder exekutiv aktiv zu werden. Das scheint ihm, trotz des Ernstes der Lage, Freude zu machen. Wenn man sich seine Sprache anhört und seine Körpersprache ansieht, merkt man, dass seine Haltung in den vergangenen Tagen eine ganz andere geworden ist. Man sieht: Da ist jemand, der gestalten möchte.

Das ist eigentlich im Amt des Bundespräsidenten nicht vorgesehen. Wie weit ist der Rahmen, in dem er tatsächlich gestalten kann?

Frank-Walter Steinmeier kann natürlich keine Koalitionsverhandlungen führen, aber er kann Gespräche anstoßen und die Beteiligten in die Pflicht nehmen. Sein Ziel ist, die drei Parteivorsitzenden miteinander ins Gespräch zu bringen, weil er glaubt, dass eine erneute große Koalition möglich ist. Was die Parteien daraus machen, kann der Bundespräsident dann nur noch bedingt beeinflussen.

Frank-Walter Steinmeier war selbst Minister in zwei großen Koalitionen. Spielt das eine Rolle für die Gespräche mit SPD und Union?

Das spielt sicher eine Rolle, weil er sowohl Martin Schulz als auch Angela Merkel und Horst Seehofer seht gut und lange kennt. Wichtiger finde ich aber, dass Frank-Walter Steinmeier selbst in herausgehobener Position bereits an vier Regierungsbildungen auf Bundesebene beteiligt gewesen ist – angefangen 1998 an der Seite von Gerhard Schröder über die Neuauflage von Rot-Grün 2002 und die erste große Koalition 2005 bis hin zur Neuauflage 2013. Aus seinen Erfahrungen heraus weiß Frank-Walter Steinmeier genau, inwieweit die SPD auf der einen und die CDU/CSU auf der anderen Seite koalitionsfähig miteinander sind – und wo es vielleicht haken könnte.

Die SPD hat eine erneute große Koalition lange kategorisch ausgeschlossen. Meinen Sie, Frank-Walter Steinmeier wird sie umstimmen?

Ich glaube schon, dass Frank-Walter Steinmeier die Parteiführung umstimmen kann. Schwieriger wird es bei den Parteimitgliedern, insbesondere beim linken Flügel der SPD und dort exemplarisch bei den Jusos. Da wäre dann, sollte es in Richtung einer neuen großen Koalition gehen, eher die Parteiführung um Martin Schulz gefragt. Allerdings kann der Bundespräsident hier durchaus Hilfestellung leisten. Ich persönlich fände es zum Beispiel gut, wenn der Bundespräsident nicht nur mit den Partei- und Fraktionsvorsitzenden, sondern auch mit den Vorsitzenden der Jugendorganisationen der Parteien, also der Jusos und der Jungen Union, aber auch der anderen Jugendverbände, das Gespräch sucht. Das würde der Demokratie insgesamt sicher guttun.

Sebastian Kohlmann

ist promovierter Politikwissenschaftler, befasst sich seit vielen Jahren mit dem Thema und ist einer der besten Kenner des Wirkens von Frank-Walter Steinmeier. Nach Stationen am Göttinger Institut für Demokratieforschung und der Friedrich-Ebert Stiftung in Bonn arbeitet er heute in der Politik im Hintergrund in Berlin. Gerade ist von ihm bei dtv das Buch "Frank-Walter Steinmeier: Der Weg ins Schloss Bellevue" (ISBN 978-3-423-28145-4 ) erschienen.

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Kommentare

"Rolle, die das Grundgesetz dem Bundespräsidenten zuschreibt"

"Frank-Walter Steinmeier kann natürlich keine Koalitionsverhandlungen führen, aber er kann Gespräche anstoßen und die Beteiligten in die Pflicht nehmen. Sein Ziel ist, die drei Parteivorsitzenden miteinander ins Gespräch zu bringen, weil er glaubt, dass eine erneute große Koalition möglich ist."

Es ist NICHT die Aufgabe des Bundespräsidenten, eine Mehrheiten-Regierung anzustoßen. Schon garnicht kann er "Beteiligte in die Pflicht nehmen", nur weil er meint eine Mehrheiten-Regierung sei möglich oder nötig. Dies obliegt allein dem Parlament.

"Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage ohne Aussprache gewählt."
Art. 63 Abs. 1 GG
Erreicht der vorgeschlagene Abgeordnete (binnen 14 Tagen) die absolute Mehrheit nicht, "findet unverzüglich ein neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die (relativ) meisten Stimmen erhält."
Art. 63 Abs. 4 GG
Sollte der vorgeschlagene Abgeordnete in Mehrheit nicht gewählt werden, "so hat der Bundespräsident binnen sieben Tagen entweder ihn zu ernennen oder den Bundestag aufzulösen."
Art. 63 Abs. 4 GG

Eine Koalition mit absoluter Mehrheit wird weder im GG gefordert, noch ist sie zur Regierungsbildung nötig.

"Rolle, die das Grundgesetz dem Bundespräsidenten zuschreibt"

Richtig, Michael Mantel, das Wort "Koalition" kommt in Art. 63 nicht vor, es erscheint lediglich in der Überschrift zu Art. 9.

Bundespräsident Steinmeier

Es ist ein Glück für die SPD das der Bundespräsident Steinmeier heißt und ihr nach dem Scheitern von Jamaika die Tür weit offen hält für eine halbwegs gesichtswahrende Rückkehr auf die politische Bühne. Die GroKo wird keine Liebesheirat aber sie bietet wie 1966 die Chance mit einem überzeugenden Programm und mit einer ebenso überzeugenden Mannschaft wieder Volkspartei zu werden und den seit 2005 anhaltenden Abwärtstrend in Richtung zweite Linkspartei umzukehren.

Gro Ko

Der Abwärtstrend resuliert ausschließlich daher, dass die SPD sich in den letzten Jahren, vor allem in den beiden großen Koalitionen nicht von der CDU/CSU abgrenzen konnte. Sie hat ihre eigenen Vorstellungen nur mit Abstrichen (Mindestlohn zu niedrig, mit Ausnahmen, Mietpreisbremse unwirksam, Leiharbeit ebenso unwirksam etc. etc.) oder überhaupt nicht (Finanztransaktionssteuer, Rückkehrrecht zur Vollarbeitszeit, Abschaffung der sachgrundlosen Befristung, Sammelklage) durchsetzen können. Dagegen hat die Union allen Mist wie PKW-Maut, Autobahnprivatiserung, Vorratsdatenspeicherung etc.etc. durchgesetzt. Dafür wurde die SPD mit 20% abgestraft.

Wer dies leugnet und immer nur die Linkspartei (immerhin gibt es mit der Linken die meisten Schnittmengen, auch wenn sie es nicht erkennen wollen) als das Grundübel hinstellt, ist auf dem rechten Auge blind. Neoliberale Deregulierungen und Privatiserungen, deren "Segnungen" wir bei den Paketdiensten erleben oder Flexibilisierungen der Arbeitszeiten wären uns bei Jamaika beschert worden und werden von der CSU weiter betrieben.

Und die Unzuverlässigkeit der Union hat Monsantoschmidt unter Beweis gestellt.

"Die GroKo wird keine Liebesheirat"

"Chance...wieder Volkspartei zu werden und den seit 2005 anhaltenden Abwärtstrend in Richtung zweite Linkspartei umzukehren."

Der Weg in eine GroKo führt die SPD denklogisch nach rechts und nicht nach links.
Folglich kann eine erneute GroKo den anhaltenden Abwärtstrend in Richtung zweite Linkspartei gerade nicht umkehren.
Im Gegenteil, der SPD laufen die Wähler in alle möglichen Richtungen davon weil sie seit Schröders Basta-Politik ihre sozialen Kompetenzen verloren hat, sie in einer Regierung der "ungeliebten" Kompromisse, auch nicht neu aufbauen kann.
Ist sogar dem Gabriel aufgefallen als er nach der Wahl meinte, man könne nicht erklären etwas Anderes in Opposition zur Regierung zu fordern als man zuvor in Regierungsverantwortung mitgetragen hätte.
Und was dem einen Seeheimer recht ist, dürfte doch einem anderen Seeheimer billig sein.
Oder Herr Frey ?