Inland

Wegen Corona: Bundestag macht Weg frei für digitale Kandidierendenaufstellung

Corona macht auch vor der Bundestagswahl 2021 nicht Halt: Die Parteien können nun ihre Kandidierenden ohne Versammlung benennen. Welche der digitalen Ausweichmöglichkeiten genutzt werden, entscheiden die Landesverbände. Die endgültige Wahl muss weiter per Urne oder Brief erfolgen.
von Mahmut Özdemir · 28. Januar 2021
Die „epidemische Notlage nationaler Tragweite“ besteht fort – doch die Abgeordneten werden künftig bei der Bewältigung der Krise wieder öfter mitreden.
Die „epidemische Notlage nationaler Tragweite“ besteht fort – doch die Abgeordneten werden künftig bei der Bewältigung der Krise wieder öfter mitreden.

Am 14. Januar 2021 hat der Bundestag mit der Feststellung, "dass die Durchführung von Versammlungen für die Wahl der Wahlbewerber und der Vertreter für die Vertreterversammlungen zumindest teilweise unmöglich ist", die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Parteien ihre Kandidierenden für die Bundestagswahl am 26. September auch ohne Versammlungen benennen können.

Ab Anfang Februar kann es losgehen

Das Bundesinnenministerium ist nun befugt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestages Regelungen zu treffen, die von den Bestimmungen über die Aufstellung von Wahlbewerbern abweichen. Ebenso können Abweichungen der Parteien von entgegenstehenden Bestimmungen ihrer Satzungen zugelassen werden. Die jüngsten Erfahrungen im Zuge der Covid-19-Pandemie zeigen, dass dringender Handlungsbedarf besteht, um die Vorbereitung zur Bundestagswahl 2021 in ganz Deutschland sicher zu stellen. Daher wird am 28. Januar 2021 die sogenannte COVID-19-Wahlbewerberaufstellungsverordnung im Bundestag beschlossen, die ab Anfang Februar Gültigkeit für die Parteien erlangt.

Was heißt das konkret für die Parteien und Wahlbewerber*innen vor Ort? Wichtig ist mir zu betonen: Präsenzversammlungen sind in vielen Teilen Deutschlands für die Parteien weiterhin möglich und sollten für diese auch die Regel bleiben. Hier bedarf es der Kreativität vor Ort, um beispielsweise in einem Fußballstadion und unter Einhaltung angemessener Schutzmaßnahmen eine solche Veranstaltung für alle Beteiligten sicher durchführen zu können. Wir sind uns über Parteigrenzen hinweg einig, dass Präsenzveranstaltungen es am besten schaffen, die notwendige Parteitagsatmosphäre zu erzeugen und die Möglichkeit für alle Beteiligten bieten, Stimmungen wahrzunehmen, Fragen zu stellen und die unterschiedlichen Kandidierenden miteinander zu vergleichen.

Möglichst große Flexibilität und Planungssicherheit

Wo diese Präsenzversammlungen jedoch nicht möglich sind, haben wir im Dienste unserer Demokratie zusätzliche Optionen geschaffen, derer sich die Parteien bedienen dürfen: Hierbei war uns wichtig, dass wir mit der Verordnung möglichst große Flexibilität und Planungssicherheit für alle Beteiligten schaffen. Die Parteien vor Ort wissen schließlich am besten, welche Ausgestaltung der Kandidat*innen- und Listenaufstellung am ehesten für alle Beteiligten vor Ort funktioniert und somit durchführbar ist.

Um dieses Primat zu bewahren, erhalten die Landesverbände der Parteien die Entscheidungshoheit darüber, ob sie diese Ausweichregeln anwenden oder nicht. Wenn sich der Landesvorstand für Ausweichregelungen entscheidet, gibt es folgende Optionen (Aufzählung ist nicht abschließend):

  • Von der in der Satzung gewählten Form der Versammlung kann abgewichen werden. Das bedeutet, dass die Vertreter*innenversammlungen ganz oder teilweise im Wege der elektronischen Kommunikation, also in Videokonferenzen durchgeführt werden können.
  • So können die Versammlungen ausschließlich digital durchgeführt werden.
  • Oder: Einzelne Personen oder Teile der Parteimitglieder können im Wege elektronischer Kommunikation an einer Präsenzversammlung teilnehmen.
  • Auch möglich ist: Mehrere durch elektronische Kommunikation stattfindende Teilversammlungen an verschiedenen Orten miteinander zu verbinden.
  • Außerdem besteht die Möglichkeit zur Absenkung des Delegiertenschlüssels für die Vertreter*innenversammlung; Mindestteilnahmezahlen für die Beschlussfähigkeit können ebenfalls abgesenkt werden.

Wichtig bleibt es weiterhin, die Anzahl der teilnehmenden, stimmberechtigten Mitglieder oder Vertreter*innen zu erfassen und in der Niederschrift anzugeben.

Verfahren können auch schriftlich durchgeführt

Das Vorschlagsrecht der Vorschlagsberechtigten, das Vorstellungsrecht der Bewerber*innen und die Möglichkeit der Kommunikation untereinander sind sicherzustellen. Bei Livestreams sind die Wahrnehmung des Vorschlagsrechts, das Vorstellungsrecht und die Befragung der Bewerber*innen auf anderem Weg, also zumindest schriftlich, elektronisch per E-Mail oder fernmündlich (Telefon/Online) zu gewährleisten. Bei der Wahlbewerber*innenaufstellung können elektronische Verfahren zur Vorermittlung, Sammlung und Vorauswahl der Bewerbungen genutzt werden.

Das ganze Verfahren oder Teile des Verfahrens können auch schriftlich durchgeführt werden. Dies kommt in Frage für Parteien, die Videokonferenzen nicht oder nur schwer durchführen können, oder auch für Parteien, die diese elektronische Möglichkeit nicht nutzen wollen oder können. So besteht die Möglichkeit, Vorschläge und Vorstellungsschreiben schriftlich einzureichen. Vorstellung und Befragung können jedoch zusätzlich oder ausschließlich elektronisch erfolgen, z. B. durch Veröffentlichung von Vorstellungsvideos oder die Kommunikation über E-Mails und soziale Netzwerke.

Brief- oder Urnenwahl durch Wahlrecht vorgeschrieben

Wichtig zu beachten ist, dass die endgültige Abstimmung über die Kandidat*innen und die Landeslisten per Brief- oder Urnenwahl stattfinden müssen.

Insbesondere bei den Listenaufstellungen könnten vorbereitende digitale Wahlen stattfinden, die aber durch eine Schlussabstimmung per Brief- oder Urnenwahl bestätigt werden müssen (Verfahren ähnlich zur Wahl Parteivorsitzender CDU). Das ist aufgrund der verfassungsrechtlich vorgegebenen Wahlrechtsgrundsätze nicht anders möglich. Hiervon darf nicht abgewichen werden! Die Abstimmung kann jedoch auch in einer Kombination aus Brief- und Urnenwahl erfolgen oder auch durch Urnenwahl auf mehreren Teilversammlungen.

Ausnahmeregeln enden am 31. Dezember 2021

Vier Wochen nachdem der Deutsche Bundestages festgestellt hat, dass die Durchführung von Versammlungen für die Wahl der Wahlbewerber*innen und der Vertreter*innen für die Vertreterversammlungen wieder überall vollumfänglich möglich sind, tritt die Rechtsverordnung außer Kraft – spätestens jedoch mit Ablauf des 31. Dezember 2021.

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Autor*in
Mahmut Özdemir

ist Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion.

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