Wahlprogramm: Fünf Dinge, die die SPD für Arbeitnehmer*innen plant
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„Unser Ziel ist Vollbeschäftigung mit gerechten Löhnen“, schreibt die SPD im Entwurf ihres Programms für die Bundestagswahl am 26. September. Am 9. Mai soll es auf dem ersten digitalen Parteitag in der SPD-Geschichte beschlossen werden. Eigentlich wäre mit dem Satz schon alles gesagt, was die SPD für Arbeitnehmer*innen plant. Ein etwas genauerer Blick lohnt aber doch.
Ein Mindestlohn von 12 Euro
Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums arbeitet jede*r vierte Beschäftigte in Deutschland derzeit für weniger als 12 Euro in der Stunde. Im Jahr 2018 wurden rund acht Millionen Jobs unterhalb der Niedriglohnschwelle von 11,05 Euro brutto je Stunde entlohnt. So hat es das Statistische Bundesamt ermittelt. Aktuell gibt es demnach 1.421.000 Jobs die nach Mindestlohn bezahlt werden, 807.000 davon üben Frauen aus. Der beträgt zurzeit 9,50 Euro pro Stunde. Bis zum 1. Juli 2022 wir er schrittweise auf 10,45 Euro erhöht. Zu wenig, meint die SPD. In ihrem „Zukunftsprogramm“ für die Bundestagswahl kündigt sie deshalb an: „Wir werden den gesetzlichen Mindestlohn zunächst auf mindestens zwölf Euro erhöhen und die Spielräume der Mindestlohnkommission für künftige Erhöhungen ausweiten.“ Wie das konkret aussehen könnte, haben Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil bereits im März in einem Eckpunktepapier aufgeschrieben.
Tariftreue per Gesetz
Seit Jahren ist die Tarifbindung in Deutschland rückläufig. Galt 1998 noch für 76 Prozent der Beschäftigten in West-Deutschland ein Tarifvertrag, waren es 2019 gerade noch 53 Prozent – 23 Prozentpunkten weniger innerhalb von 20 Jahren. In Ostdeutschland betrug der Rückgang im selben Zeitraum 18 Punkte. Die Tarifbindung lag hier 2019 allerdings bei nur noch 45 Prozent, wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat. „Wir wollen, dass möglichst viele Unternehmen sich an den Tarifverträgen beteiligen“, schreibt deshalb die SPD im Entwurf ihres Zukunftsprogramms. Um das zu erreichen, sollen öffentliche Aufträge künftig nur noch an Unternehmen vergeben werden, die nach Tarif bezahlen. Die SPD will dafür ein Tariftreuegesetz erwirken. Wo kein Tarifvertag besteht, soll für öffentliche Aufträge ein bundesweit geltender Vergabemindestlohn in Höhe von 60 Prozent des Medianlohns eingeführt werden.
Recht auf Arbeit
„Unsere Antwort auf den Wandel der Arbeitswelt ist ein ‚Recht auf Arbeit‘. Das bedeutet für uns, dass sich die Solidargemeinschaft dazu verpflichtet, sich um Jede*n zu kümmern und jeder*m Arbeit und Teilhabe zu ermöglichen. Weil sich Arbeit verändert, soll jede*r alle Möglichkeiten bekommen, sich auch selbst weiterzuentwickeln.“ So steht es im Entwurf des SPD-Programms für die Bundestagswahl. Konkret wollen die Sozialdemokrat*innen mit einem „Recht auf Weiterbildung“ dafür sorgen, dass sich Menschen, deren Arbeit sich verändert, fortlaufend weiterqualifizieren können. Im Extremfall sollen sie sogar die Möglichkeit bekommen, eine komplette neue Berufsausbildung zu machen – unabhängig vom Alter. Arbeitnehmer*innen sollen zudem das Recht haben, finanziell gefördert in „Bildungszeit“ oder „Bildungsteilzeit“ zu gehen, um sich unabhängig vom eigenen Betrieb weiterzubilden oder umschulen zu lassen. Mit einem „Transformations-Kurzarbeitergeld“ sollen Beschäftigte unterstützt werden, die sich innerhalb eines Betriebs neu orientieren müssen.
Recht auf Homeoffice
Während der Corona-Pandemie erlebt das Arbeiten von zuhause aus einen Boom. Wer im Homeoffice arbeiten kann, soll das auch machen – um sich und seine Kolleg*innen zu schützen. Doch auch zu normalen Zeiten verlagert sich die Arbeit für immer mehr Menschen in die eigenen vier Wände. Die SPD trägt dem im Entwurf ihres „Zukunftsprogramms“ Rechnung. „Wir werden einen Rechtsanspruch auf mobile Arbeit einführen“, kündigen die Sozialdemokrat*innen an. Beschäftigte sollen bei einer Fünf-Tage-Woche mindestens 24 Tage im Jahr mobil oder im Homeoffice arbeiten können, wenn es die Tätigkeit erlaubt. Zur Arbeit zuhause gezwungen werden soll aber niemand. „Der Grundsatz der Freiwilligkeit der mobilen Arbeit für Arbeitnehmer*innen ist für uns Voraussetzung“, heißt es im SPD-Programm. Und natürlich sollen auch zuhause Arbeits- und Ruhezeiten gelten und ein Recht auf Nichterreichbarkeitszeiten garantiert sein.
Eine Garantie für einen Ausbildungsplatz
Nicht allen jungen Menschen gelingt der Start ins Berufsleben nach der Schule. Während in einigen Branchen nicht genügend Auszubildende gefunden werden, gibt es in anderen einen Ausbildungsplatzmangel. „Junge Berufsanfänger*innen brauchen eine Chance, in das Berufsleben einzusteigen“, schreibt die SPD im Entwurf ihres Zukunftsprogramms. Um das zu erreichen, soll es künftig eine Ausbildungsgarantie geben: Wer nicht in einem Betrieb ausgebildet werden kann, soll eine „eng an die betriebliche Praxis angelehnt Ausbildung in einer Berufsschule oder eine außerschulische Ausbildung“ erhalten. Sobald es eine Möglichkeit gibt, in einen Betrieb zu wechseln, soll sie ergriffen werden. Betriebe, die nicht oder weniger ausbilden als sie könnten, sollen in einen Fonds einbezahlen. Für Auszubildende in Gesundheits-, Pflege- oder Erziehungsberufen soll diese Ausbildung nicht nur kostenfrei sein. Sie sollen auch eine Vergütung erhalten.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.