Parteileben

Nach der Wahl: Warum Menschen jetzt in die SPD eintreten

Seit der Pleite bei der Bundestagswahl sind mehr als 4000 Menschen in die SPD eingetreten. Was hat den Ansturm ausgelöst? Wir haben fünf Neumitglieder gefragt, warum sie ausgerechnet jetzt in die Partei eingetreten sind und was sie sich von der SPD erhoffen.
von Fabian Schweyher · 11. Oktober 2017
SPD Neumitglieder
SPD Neumitglieder

Auch wenn die Bundestagswahl für die SPD enttäuschend verlaufen ist, eine erfreuliche Entwicklung gibt es dennoch: Die Zahl der Neumitglieder wächst. Seit dem Wahlabend bis zum vergangenen Montag haben knapp 4200 Menschen den Online-Antrag ausgefüllt und sind in die SPD eingetreten. Das sind rund 280 Neumitgliedschaften täglich. Hinzu dürften viele weitere in den Landesverbänden kommen.

Fesseln der Großen Koalition

Zu den Neuen in der Partei gehört Kathrin Spenna, die sich bei der Bundestagswahl als Wahlhelferin engagiert hat. Das Ergebnis für die SPD habe sie enttäuscht. Deswegen habe sie sich entschieden, aktiv zu werden. „Ich habe auf mein Herz gehört und bin SPD-Mitglied geworden“, sagt die 22-Jährige, die in Bonn Asienwissenschaften studiert.

Das Thema Soziale Gerechtigkeit sei ihr wichtig. Mit dem Gang der SPD in die Opposition verbindet sie die Hoffnung, dass sich die Partei neu ausrichte und eine stärker linke Politik verfolge. Gleichzeitig könne die Partei, befreit von den Fesseln der Großen Koalition, den Menschen besser das Gefühl vermitteln, deren Interessen zu vertreten, so Kathrin Spenna.

Hoffnung auf eine Erneuerung

Neumitglied in der SPD und doch kein unbeschriebenes Blatt ist Tobias Beck. In seiner Jugend war er mit Herzblut bei den Jusos aktiv. Doch als er Vater wurde, entschied er sich mit 20 Jahren auszutreten und sich der Familie widmen. Inzwischen ist er 33 Jahre alt und lebt in Vreden im Münsterland. Am Wahlabend ist er „aus dem Bauch heraus“ in die Partei zurückgekehrt. Dazu bewogen hat ihn das Abschneiden der AfD sowie die Ankündigung von Martin Schulz, die Partei in die Opposition zu führen. „Wir haben gezeigt, dass wir Mut haben, Neues zu wagen.“ Angesichts des Erstarkens der AfD erinnert er an die Machtergreifung durch die Nazis 1933: „Wir stellen uns jetzt wieder gegen rechtsextremes Gedankengut und kämpfen für die Demokratie.“

Von der Partei erhoffe er sich einen Erneuerungsprozess. „Wir müssen uns neu erfinden, ohne uns zu verkaufen“, sagt Tobias Beck, der als Personalreferent für das Bistum Münster arbeitet. Das sei nur möglich, wenn über Sachthemen statt über Personal diskutiert werde. Die Soziale Gerechtigkeit solle mehr Gewicht bekommen. „Wir müssen hervorheben, was uns von der CDU unterscheidet.“

Zu konservativ

Das Wahlergebnis der AfD war für Aaron Idstein zuerst ein Schock, dann ein Auftrag. „Ich habe mir gedacht: Jetzt muss ich aktiv werden“, erinnert sich der 20-Jährige aus dem hessischen Oestrich-Winkel. Gesagt, getan: Einen Tag später trat er in die SPD ein. Die Partei vertrete am meisten seine Interessen und die seiner Generation. Allerdings: „Die SPD ist mir zu konservativ und zu ruhig geworden.“ Mehr junge Menschen sollten in der Partei aktiv sein. Außerdem solle sich die SPD auf die sozialdemokratischen Werte besinnen.

Eine Aufgabe der Partei sieht der Student der Filmwissenschaft in der Abgrenzung zur AfD. Gleichzeitig müsste die SPD auf deren Wähler zugehen. „Deren Ängste und Sorgen sind real, wenn auch die Dinge, vor denen sie Angst haben, nicht real sind“, erklärt Idstein. Er möchte ihnen vermitteln: „Wer wirklich etwas ändern möchte, hat in der SPD die Möglichkeit dazu.“

Im Stich gelassen

Beatrice Manke aus Cottbus ist von der SPD enttäuscht. Seit der Wende habe sie die SPD gewählt, doch zuletzt habe die freiberufliche Hebamme zum ersten Mal das Gefühl gehabt, nicht mehr vertreten zu sein. In der Großen Koalition und damit auch von der SPD sei das Thema Geburtshilfe kaum beachtet worden. Zu wenig habe sich verändert, als dass der Beruf Hebamme attraktiver geworden wäre. „Es darf einer Gesellschaft doch nicht egal sein, wie wir geboren werden.“

Der Gang in die Opposition hat die 44-Jährige bewegt, in die Partei einzutreten. „Ich wünsche mir, dass die SPD zu ihren Wurzeln zurückfindet und sich darum kümmert, was die Menschen bewegt.“ Als Hebamme komme sie mit vielen Menschen in Kontakt. Ihr Eindruck: Viele fühlen sich im Stich gelassen und sind enttäuscht. Ihr Fazit: „Es muss sich grundlegend etwas ändern.“

Eine Frage des Anstands

Wenn Fabian Rack an die sozialdemokratischen Parteien in Europa denkt, fällt er ein hartes Urteil: „Viele von ihnen sind in einem noch schlechteren Zustand als die SPD“, sagt der Rechtsanwalt. Er hoffe, dass die SPD eine Volkspartei bleibt. Deswegen ist der Freiburger jetzt Parteimitglied geworden. Und er hat klare Erwartungen: „Ich möchte eine Partei unterstützen, die die soziale Kraft in Deutschland ist“, sagt er. Soziale Gerechtigkeit sei ihm wichtig. „Es ist eine Frage des Anstands, dass beispielsweise eine Altenpflegerin einfach gut verdienen soll.“

Damit einher geht seine Hoffnung auf ein besseres gesellschaftliches Klima. In den vergangenen Jahren sei die Polarisierung heftiger geworden. „Es gibt oft nur noch ein dafür oder ein dagegen.“ Der 30-Jährige sorgt sich davor, dass sich der Zustand der Gesellschaft weiter verschlechtere. Er hoffe, sagt Fabian Rack, dass er mit seinen Anliegen bei der SPD richtig aufgehoben sei.

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