Geschichte

Vorbild aus der Schmidt-Zeit: Was ist die „konzertierte Aktion“?

Am 15. September findet das zweite Treffen der „konzertierten Aktion“ von Arbeitgeber*innen und Gewerkschaften gegen die steigenden Preise statt. Die Idee dazu geht in die 70er Jahre und auf einen sozialdemokratischen Wirtschaftsminister zurück.
von Kai Doering · 1. Juni 2022
„Tisch der gesellschaftlichen Vernunft“: Fritz Berg (Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie), Professor Karl Schiller (Bundeswirtschaftsminister), Ludwig Rosenberg (DBG-Vorsitzender) und Otto Brenner (IG Metall Vorsitzender) im Juli 1967
„Tisch der gesellschaftlichen Vernunft“: Fritz Berg (Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie), Professor Karl Schiller (Bundeswirtschaftsminister), Ludwig Rosenberg (DBG-Vorsitzender) und Otto Brenner (IG Metall Vorsitzender) im Juli 1967

Die Preise für Lebensmittel und Energie steigen und steigen. Die Entlastungspakete der Bundesregierung schaffen zwar eine gewisse Linderung, eine dauerhafte Lösung sind sie jedoch nicht. Bundeskanzler Olaf Scholz will deshalb Arbeitgeber*innen und Gewerkschaften zu einer „konzertierten Aktion“ zusammenrufen. Das kündigte er im Juni in der Generaldebatte zum Haushalt im Bundestag an. „Gemeinsam mit den Sozialpartnern wollen wir diskutieren, wie wir mit der aktuellen Preisentwicklung umgehen“, sagte Scholz. Das erste Treffen soll am 4. Juli stattfinden.

„Tisch der gesellschaftlichen Vernunft“

Das – nirgendwo gesetzlich verankerte – Gesprächsformat geht zurück auf die 60er und 70er Jahre. Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise und drohenden Arbeitskämpfen traf sich erstmals am 20. Februar 1976 eine Runde von Vertreter*innen von Regierung, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und der Bundesbank, um das Vorgehen in wirtschaftlichen Fragen gemeinsam abzustimmen, zu „konzertieren“. Eingeladen hatte der sozialdemokratische Bundeswirtschaftsministers Karl Schiller, der von einem „Tisch der gesellschaftlichen Vernunft“ sprach.

Entscheiden konnte die Runde nichts, doch für den Austausch der sich zum Teil unerbittlich gegenüber stehenden Seiten ist sie eine wertvolle Plattform. So enstehen Ideen wie eine Zusatzprämie für Sparer*innen und eine Novellierung des 312-Mark-Gesetzes, mit dem Arbeitnehmer*innen Vermögen aufbauen und für die Rente vorsorgen sollen. Für die Arbeitgeber*innen-Seite blieb die „konzertierte Aktion“ eine unverbindliche Gesprächsrunde. Die Gewerkschaften fürchteten den Verlust der Tarifautonomie.

„gezielte Kraftanstrengung in einer außergewöhnlichen Situation“

Auch deshalb macht Olaf Scholz im Bundestag deutlich, dass der Abstimmungsprozess auch diesmal „kein Dauerzustand“ sein dürfe, und dass es im Rahmen der konzertieren Aktion keine Lohnverhandlungen geben werde. Es sei ein „ungewöhnlicher Schritt“, der vor dem Hintergrund massiv steigender Preise aber dringend geboten sei. Sein Ziel sei „eine gezielte Kraftanstrengung in einer außergewöhnlichen Situation“, betonte Scholz.

Von Arbeitgeber*innenseite gab es bereits Zustimmung. „Ich begrüße den Vorschlag des Bundeskanzlers, die aktuellen Herausforderungen in einer konzertierten Aktion von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Politik zu besprechen“, erklärte Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger. Die Arbeitgeber*innen seien sich ihrer Verantwortung bewusst. Die letzte kozertierte Aktion, wenn auch nicht unter diesem Namen, hatte es 2014 gegeben. Damals hatten der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit Vertretern der IG Metall sowie der deutschen Industrie das „Zukunft der Industrie“ ins Leben gerufen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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