Inland

Übergewinnsteuer: Über diese drei Punkte wird gestritten

Unter Sozialdemokrat*innen ist die Idee populär, andere Länder wie Italien, Spanien und Großbritannien haben sie bereits eingeführt: Eine Übergewinnsteuer. Was spricht in Deutschland dagegen, welche Hürden gibt es, würde sie überhaupt etwas bringen?
von Benedikt Dittrich · 4. August 2022
Von der Energiekrise profitieren einzelne Unternehmen und Konzerne überdurchschnittlich – deswegen wird über eine Übergewinnsteuer diskutiert.
Von der Energiekrise profitieren einzelne Unternehmen und Konzerne überdurchschnittlich – deswegen wird über eine Übergewinnsteuer diskutiert.

Die aktuelle Inflation ist für viele Menschen im Alltag spürbar, ob bei Heizung, Sprit oder Lebensmittelkosten. Während jede Person an der Supermarktkasse die steigenden Preise für Obst, Gemüse oder Milchprodukte bezahlen muss, ist das in Teilen der Wirtschaft anders. Denn es gibt auch Unternehmen, die inmitten der Energiekrise gut verdienen und steigende Umsätze vermelden – nicht zuletzt die Gewinne der großen Ölkonzerne zeigen das. Jüngst meldete der Konzern BP einen Milliardenüberschuss. Mit einer Übergewinnsteuer, so die Idee, soll auch die Gemeinschaft von diesen krisenbedingten Einnahmen profitieren, mit zusätzlichen Steuereinnahmen sollen weitere Entlastungspakete geschnürt werden. Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres prangerte jüngst die „groteske“ Gier der Energiekonzerne an und forderte Regierungen dazu auf, „exzessive“ Gewinne zusätzlich zu besteuern.

Ein Antrag im Bundesrat dazu war vor der Sommerpause noch gescheitert. Abgerissen ist die Diskussion seitdem nicht. Deswegen werfen wir nochmal einen genaueren Blick auf drei Argumente gegen die Übergewinnsteuer:

Hohe juristische Hürden

Gerade aus den Reihen der FDP gibt es Kritik an einer Übergewinnsteuer. Eines der Argumente: Sie könne nicht passgenau angewendet werden, sei willkürlich und juristisch kaum umsetzbar. Es fehle eine „klare, rechtssichere Definition“, meint unter anderem FDP-Chef Christian Lindner.

Das hält Ökonom und SPD-Vorstandsmitglied Gustav Horn nicht für ein ausreichendes Argument. Grundsätzlich seien die Hürden für die Einführung einer Übergewinnsteuer in Deutschland nicht größer als in Italien oder Spanien. Beide Länder haben sie bereits eingeführt, Spanien will damit einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr finanzieren.

„Juristisch schwieriger schon“, so Horn auf Nachfrage des „vorwärts“, „weil die Steuerarten in der Verfassung stehen.“ Dem pflichtet auch Steuerexperte Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bei. „Um hier Rechtssicherheit zu schaffen, müsste das Grundgesetz geändert werden“, erklärt er in einem Gastbeitrag.

Aber: Grundsätzlich möglich ist eine Übergewinnsteuer eben doch, wie auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages festgestellt hat, meint Horn. Als Alternative hält er eine Abgabe statt einer Steuer für möglich, „mit der ein einmaliger Lastenausgleich in dieser Krise erreicht werden soll.“

Übergewinn schwer nachweisbar

„Das deutsche Steuersystem kennt nur Gewinne, keine Übergewinne“, argumentiert Bundesfinanzminister Lindner außerdem. Insofern sei auch ein Übergewinn schwer nachweisbar.

Dem halten SPD-Politiker*innen aber vorliegende Bilanzen und Prognosen großer Unternehmen entgegen: „Wir sehen, wie die Gewinnerwartungen nach oben geschraubt werden“, sagt beispielsweise SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch im Deutschlandfunk, „es gibt ja Veröffentlichungen.“ Das sei die Grundlage, auf der man ein solches Gesetz formulieren könne.

Auch Stefan Bach sieht kein Problem darin, diese Übergewinne zu identifizieren und entsprechend zusätzlich zu besteuern, wie er im „vorwärts“ erklärt: „Grundsätzlich kann man Zufallsgewinne ebenso wie systematische „ökonomische Renten“ hoch besteuern, etwa beim Boden, bei Monopolen und begrenztem Wettbewerb oder eben bei knappen Rohstoffen.“

SPD-Vorsitzende Saskia Esken verweist zusätzlich auf die Einnahmen von Energieunternehmen, die beispielsweise ihren produzierten Strom derzeit zu Höchstpreisen an der Börse verkaufen können. Höchstpreise, die teils aus Spekulationen und einer befürchteten Energieknappheit resultieren, wie auch Bach argumentiert – für die die Unternehmen aber weder eine besondere Leistung erbracht hätten noch ein besonders hohes unternehmerisches Risiko eingegangen wären.

Es gibt nichts zu holen

Ein drittes Argument: Große Energiekonzerne wie Shell und BP haben ihren Unternehmenssitz nicht in Deutschland – eine Übergewinnsteuer hierzulande für diesen Bereich würde also nur geringe Steuereinnahmen bringen. Das gibt auch Bach zu bedenken. Allerdings: Auch im Inland profitieren Unternehmen von den höheren Einnahmen mit fossilen Energieträgern – Raffinerien beispielsweise, Händler*innen oder Unternehmen die Kohle oder Gas verstromen. Diese nennt auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages als mögliche Ziele einer Übergewinnsteuer.

SPD-Politikerin Cansel Kiziltepe nennt deswegen auch große Energiekonzerne beim Namen: „Horrende Gewinnprognosen von RWE auf der einen und Menschen, die aufgrund der explodierenden Energiekosten kurz vor dem Ruin stehen, auf der anderen Seite. Wir müssen die Krisenprofiteure zur Kasse bitten!“, appelliert die Ökonomin und Bundestagsabgeordnete auf Twitter.

Der Energieversorgungskonzern mit Sitz in Essen hatte vergangene Woche seine Gewinnprognose für das laufende Jahr erhöht, von rund vier Milliarden auf bis zu 5,5 Milliarden vor Steuern.

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