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Thomas Kutschaty: „Die SPD muss wieder mehr Zukunftsmut ausstrahlen.“

Thomas Kutschaty ist neuer Vorsitzender der SPD Nordrhein-Westfalen. Im Interview sagt er, wie er die Partei wieder zum Erfolg führen will und warum es nach der Corona-Krise „einen sozialen Neustart“ geben muss.
von Kai Doering · 5. März 2021
Neuer NRWSPD-Chef Thomas Kutschaty: Gerade nach der Corona-Krise ist es Zeit für einen sozialen Neustart.
Neuer NRWSPD-Chef Thomas Kutschaty: Gerade nach der Corona-Krise ist es Zeit für einen sozialen Neustart.

Wie geht es der SPD in Nordrhein-Westfalen?

Wenn ich mir die Umfragewerte ansehe, haben wir eine Menge zu tun. Ich möchte keinen weiteren Parteitag erleben, der im Zeichen von 17 Prozent steht, die uns der WDR vor kurzem prognostiziert hat. Deshalb heißt es für mich und uns alle: Ärmel hochkrempeln und ran an die Arbeit!

Was wollen Sie konkret ändern?

Die Veränderung beginnt im Kopf. Das hat viel mit Haltung, Auftreten und Präsenz zu tun. Wir müssen uns ja für nichts verstecken. Das, was die SPD in den letzten Jahren für dieses Land geleistet hat, kann sich sehen lassen. Dinge wie der Mindestlohn, die Grundrente oder besserer Mieterschutz sind etwas, das wir durchaus mit Stolz vor uns hertragen sollten. Ich möchte für mehr Motivation und Begeisterung in der SPD sorgen. Denn wenn wir selbst von unseren Ideen begeistert sind, dann schaffen wir es auch, andere davon zu begeistern. Dafür müssen wir auch in Pandemiezeiten deutlich mehr rausgehen zu den Menschen – ob im wortwörtlichen oder übertragenen Sinne. Ich persönlich habe mir vorgenommen, 100.000 Kontakte mit Bürgerinnen und Bürgern zu haben, wenn nicht per Hausbesuch, dann zumindest digital. Klingeln und klicken ist jetzt das Gebot der Stunde.

Wie erleben Sie die Partei in Nordrhein-Westfalen zurzeit?

Corona hat die Parteiarbeit stark verändert. Gerade viele ältere Genossinnen und Genossen leiden darunter, im Moment nicht zur Ortsvereinssitzung gehen zu können. Das merke ich auch bei mir in Essen. Wir haben es an vielen Stellen geschafft, auf digitale Formate umzustellen, aber das kann den gewohnten persönlichen Kontakt nicht ersetzen. Auf der anderen Seite nutzen viele auch die Chance der digitalen Möglichkeiten, um noch intensiver zu arbeiten. Das ist schon beeindruckend. Ich freue mich trotzdem schon sehr auf die Zeit, wenn ich wieder live bei der Ortsvereinssitzung oder beim Sommerfest sein darf.

Bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr lag die SPD zwar knapp vor den Grünen, aber deutlich hinter der CDU. Welche Lehren ziehen Sie daraus? 

Die Ergebnisse der SPD im Land waren ja sehr unterschiedlich. In einigen Städten wie Mönchengladbach oder Hamm haben wir durchaus große Erfolge verbuchen und Wechsel in den Rathäusern erreichen können. Wir sind überall dort gut gewesen, wo wir mit frischen Ideen und überzeugenden Kandidatinnen und Kandidaten angetreten sind. Eine Lehre sollte deshalb sein, dass wir nicht nur gefühlt, sondern auch ganz praktisch wieder die Zukunftspartei in Deutschland sein müssen.

Sie haben sogar angekündigt, einen „Zukunftsrat“ gründen zu wollen. Was soll der leisten?

Die SPD hat immer in die Zukunft geschaut und überlegt, wie sich das Land verändern muss. Daran möchte ich anknüpfen. Mir ist wichtig, dass wir uns mehr Gedanken über das Morgen machen. Wie gestalten wir den Transformationsprozess der Arbeit? Wie sorgen wir für einen sozial gerechten Klimaschutz? Das sind Fragen, die im Zukunftsrat besprochen werden sollen. Dabei plane ich eine Besetzung quer durch die Gesellschaft – von den Gewerkschaften bis zu Fridays for Future. Die SPD muss wieder mehr Zukunftsmut ausstrahlen. Gerade nach der Corona-Krise ist es Zeit für einen sozialen Neustart.

Sehen Sie die Grünen dabei als Partner oder eher als Gegner?

Die Grünen sind ein politischer Mitbewerber so wie CDU, FDP oder Linkspartei auch. Natürlich gibt es mit den Grünen große Schnittmengen. Nicht umsonst haben wir ja auch viele Jahre erfolgreich miteinander regiert. Das heißt aber nicht, dass wir nicht in einzelnen Bereichen auch unterschiedliche Auffassungen haben. Ich z.B. diskutiere Umweltpolitik nicht anhand von Grenzwerten oder der Anzahl stillgelegter Kraftwerke. Ich möchte viel eher Umweltpolitik machen, damit wir in Zukunft auch noch Arbeitsplätze haben und der soziale Zusammenhalt auch weiter gewährleistet wird. Und nach meiner Einschätzung darf man auch in Nordrhein-Westfalen in einem Einfamilienhaus wohnen, ohne dafür schief angeguckt zu werden.

Ist der Umgang mit Armin Laschet eigentlich einfacher oder schwieriger geworden, jetzt, wo er CDU-Bundesvorsitzender ist?

Armin Laschet muss sich aufteilen zwischen der bundespolitischen Verantwortung in Berlin und der Aufgabe, das bevölkerungsreichste Bundesland zu regieren. Das fällt ihm gerade schwer. In Zukunft wird immer mehr die Frage auftauchen, ob Armin Laschet – zumindest gedanklich – gerade in Berlin oder in Düsseldorf ist. Im Idealfall sitzt Armin Laschet nach dem 26. September als Oppositionsführer im Bundestag.

Welche Rolle kann die SPD in Nordrhein-Westfalen im Bundestagswahlkampf und bei der Wahl spielen? 

Wir wollen unseren Beitrag zu einem guten Abschneiden der SPD mit einem guten Ergebnis in Nordrhein-Westfalen leisten. Umgekehrt brauchen wir aber auch Rückenwind aus Berlin, um bei uns im Land punkten zu können. Nach dem Parteitag wollen wir mit großer Ge- und Entschlossenheit dafür arbeiten, dass die 18 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen einen großen Anteil am Sieg der SPD bei der Bundestagswahl haben werden.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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