Corona-Demo

Sturm von Rechtsextremist*innen: SPD verurteilt Angriff auf den Reichstag

Kai Doering30. August 2020
Rechtsextreme vor dem Reichtstagsgebäude am 29. August 2020: „Das Demonstrationsrecht ist kein Freibrief für die Missachtung des Parlaments und rechtsextreme Hetze.“
Rechtsextreme vor dem Reichtstagsgebäude am 29. August 2020: „Das Demonstrationsrecht ist kein Freibrief für die Missachtung des Parlaments und rechtsextreme Hetze.“
Führende SPD-Politiker*innen haben den Sturm von Rechtsextremist*innen auf das Reichstagsgebäude am Samstag scharf verurteilt. „Das Demonstrationsrecht ist kein Freibrief für die Missachtung des Parlaments und rechtsextreme Hetze“, sagte der Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans.

Auch knapp 24 Stunden nachdem Rechtsradikale in Berlin Polizeiabsperrungen überwunden haben und auf die Treppen des Reichstagsgebäudes gelaufen sind, sitzen Wut und Entsetzen noch tief. „Es kann nicht angehen und es darf nicht hingenommen werden, dass einige mit Symbolen aus einer schlimmen, dunklen Vergangenheit vor dem Gebäude des Bundestags auftreten“, sagte der designierte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz am Sonntagnachmittag vor der Presse in Berlin.

Scholz: Rechtsextremismismus entschieden entgegentreten

Die Vorgänge vor dem Reichstagsgebäude zeigten, dass der Rechtsextremismus in Deutschland nicht unterschätzt werden dürfe und ihm „mit aller Entschlossenheit und allen Handlungsmöglichkeiten des Staates entgegentreten“ werden müsse. „Wir müssen alles dafür tun, dass solche Bilder nicht mehr entstehen“, forderte Scholz.

Gleichzeitig stellte er aber auch klar, dass die Teilnehmer*innen der Demonstration gegen die Corona-Bestimmungen eine kleine Minderheit seien. „Die ganz große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ist klug und vernünftig und ist einverstanden mit all den Entscheidungen, die wir getroffen haben zum Schutz der Gesundheit. Auf diese Vernunft gründet unsere Demokratie und auf die vertrauen wir auch“, sagte Scholz.

Esken: Sagen Feind*innen der Demokratie den Kampf an

„Das Demonstrationsrecht ist kein Freibrief für die Missachtung des Parlaments und rechtsextreme Hetze“, machte auch der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ klar. Die Ereignisse vor dem Reichstagsgebäude seien mehr als ein Fall ausschließlich für die Strafverfolgungsbehörden. „Wir brauchen ein gemeinsames wirklich konsequentes Eintreten für Frieden und Freiheit – und gegen Rassismus und Rechtsextremismus“, forderte Walter-Borjans.

Genauso sieht es seine Co-Vorsitzende Saskia Esken. „Die Bilder vom Samstag haben uns gezeigt, dass wir eine überparteiliche Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft, Verbänden, Behörden und Wissenschaft brauchen, um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu schützen und aufzuklären, welche Gefahr von den Feinden der Demokratie ausgeht“, schrieb sie auf Twitter. „Und wir sagen all denen den Kampf an, die Angst, Zwiespalt und Hass säen, um ihre Ideologie zu verbreiten und unsere Welt zurück in ihren braunen Sumpf zu stoßen.“

„Da waren Rechtsextremisten unterwegs, die uns alle herausfordern, unsere freie und demokratische Ordnung zu verteidigen“, sagt auch die stellvertretende SPD-Vorsitzende Serpil Midyatli dem „vorwärts“. Nun seien alle Demokrat*innen gefragt aufzustehen. „Jetzt ist Haltung gefragt“, so Midyalti.

Klingbeil: Bilder, die ich nicht mehr sehen wollte

„Wenn ich sehe, dass versucht wird, den Bundestag zu stürmen und Reichsbürger und Nazis zusammen mit anderen Demonstranten versuchen, in das Gebäude zu kommen, dann macht mich das wütend und fassungslos“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im Video-Interview mit der „Bild“. „Das sind Bilder, die ich in unserer Demokratie nicht mehr sehen wollte.“ Dass er Verfassungsschutz noch kurz vor der Demonstration am Samstag erklärt habe, es gebe keine Hinweise, dass die Veranstaltung von Rechtsextremen unterwandert sei, müsse untersucht werden. „Die Bilder sprechen ein deutliches anderes Bild.“

„Schwarz-Rot-Gold waren immer die Farben der Demokraten,  schwarz-weiß-rot sind die Farben des Obrigkeitsstaates und der Nationalsozialisten“, stellte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil auf Twitter klar. „Vor diesem Hintergrund empfinde ich es als Skandal, dass die Reichsflagge auf den Stufen des Bundestages gezeigt wurde.“ Alle Teilnehmer*innen der Anti-Corona-Demonstration müssten sich fragen lassen, mit wem sie zusammen demonstriert haben.

Ähnlich argumentierte auch Bundeaußenminister Heiko Maas auf Twitter:

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Kommentare

Wem nutzt diese Front?

Eines sollte allen klar geworden sein: Nur Teile der Demo in Berlin waren Rechte und Faschisten. Der andere Teil kam aus anderen Ecken und Gründen. Nun mag man diesem Teil vorwerfen, sich mit Faschisten einzureihen. Beide Gruppen sind deshalb nicht gleichzusetzen. Nebenbei bemerkt: Ich erinnere mich an keine Großdemonstration, an der ich teilgenommen habe, bei der diese Art von "Sortenreinheit" jemals erreicht worden wäre.

Was gewinnt die SPD, wenn sie weiterhin jeden Dialog von vornherein vereitelt, indem auf jede Differenzierung verzichtet wird? Warum geht die SPD nicht inhaltlich auf diejenigen Forderungen ein, die erkennbar nicht von rechts kommen (ohne sie teilen zu müssen)? Gibt es keinen Raum für Kritik an der Pandemiepolitik der Regierung? Ist es bei dieser übergroßen Koalition zwischen Regierung, Opposition und Medien in Corona-Fragen nicht nachvollziehbar, wenn ein Korrektiv eingefordert wird?

Bei dem Gewicht der Corona-Maßnahmen sind Fragen und Kritik nachvollziehbar und die SPD sollte aufhören, diese mit der großen Keule zu dämonisieren. Denn davon profitieren am Ende ausschließlich die Faschisten, weil sie ein Alleinstellungsmerkmal gewinnen.

Ich war selbst vor Ort. Ja,

Ich war selbst vor Ort. Ja, einige Leute haben die Treppen zum Eingang des Reichstages bestiegen. Wie vor ein paar Wochen Greenpeace.

Aber niemand hat Gullydeckel von Dächern oder Steine auf Menschen geworfen, wie auf vielen anderen Demos.

Unter dem Strich empfand ich die Freiheitsdemo als eine sehr gelungene Veranstaltung.

da haben Sie

wohl nicht richtig hingesehen. Wer etwas "besteigt", bewegt sich in gänzlich anderer Manier als jemand, der etwas erstürmt.

Um ein Beispiel zu geben: Edmund Hillary hat den Mount Everest bestiegen, er hat ihn nicht erstürmt.

Mag sein, daß Sie mit

Mag sein, daß Sie mit dererlei akademischen Spitzfindigkeiten bei manchen Leuten punkten können. Fakt ist, daß die sonst von Demos zum 1.Mai, G20 etc. gewohnten Gewaltexzesse hier schlichtweg nicht vorkamen.

ja, das ist

eine denkbare Sicht. Vielleicht aber stimmt auch Ihre Beobachtung, dann hätte der VORWÄRTS sich im Titel vergriffen, wenn er von erstürmen schreibt, wo lediglich bestiegen wurde.
Ich war nicht dabei, muss also offen halten, wer sich vergriffen hat in der Wortwahl

stürmen = rennen

Die Rechten sind – verfolgt von Polizisten – auf die Treppen des Reichstags gerannt, was man gemeinhin als "stürmen" beschreibt. Insofern passt die Wortwahl.

"verfolgt" lässt nun

eine eher reaktive Formulierung naheliegen. Wer verfolgt wird, "rettet" sich an einen anderen Ort, "flieht" im konkreten Beispiel auf die Treppen. Stürmen ist eher Situationen zugedacht, die eine Initiative beinhalten, also eine Aktion, nicht eine Reaktion, beispielsweise auf das Verfolgtwerden. Einfach ist das alles nicht, zugegebenermaßen. Ich wüsste wirklich gerne, wie es nun tatsächlich war. Schade, wäre ich nur auch da gewesen, möchte ich fast sagen

Entzückend, diese in bester

Entzückend, diese in bester sozialdemokratischer Tradition betriebene Konzentration aufs Unwesentliche.

Ganz einfach

Doch, das ist ganz einfach: Eine Gruppe Rechtsxtremer hat widerrechtlich Absperrungen durchbrochen und ist die Treppe zum Eingang des Reichtstagsgebäudes hochgelaufen. Um sie davon abzuhalten, sind Polizisten hinter ihnen hergelaufen. Das alles ist auf zahlreichen Videos dokumentiert.

Die"Erstürmung" des

Die"Erstürmung" des Reichstags ist ja recht gut dokumentiert worden. Erstaulich fand ich, dass der Reichstag derart schlecht geschützt war, dass Demo-Teilnehmer bis vor die Eingangstür vordringen konnten. Eigenartig war, nachdem Verstärkung seitens der Polizei ankam und die Bilder im Kasten waren, die Teilnehmer die Treppen vor dem Reichstag gesittet wieder verließen. Bleibt abzuwarten, was jetzt wieder für Forderungen bezüglich des Demonstrationsrecht laut werden.

Wenn die Rechten, Edelnazis, die Covidioten und sonstige Leugner nicht wären, müssten sich die Systemparteien doch glatt den eigenen und den Problemen in diesem Lande widmen.

Bilder

Also Karin, Du willst doch nicht ernsthaft unterstellen daß das Ganze inszeniert worden sein könnte um von den realen Problemen in dieser Republik abzulenken.

Ausschließen möchte ich

Ausschließen möchte ich nichts. Die Demo vor dem Reichstag hatte gar nichts zu tun mit der von den Querdenkern organisierten Demo, sondern wurde separat angemeldet und auch genehmigt. Es ist schon seltsam, zwei unabhängig voreinander veranstaltete Demos auf engstem Raum zuzulassen. Da Berichterstattung zeigt auf, dass die Demos und die Veranstalter in einen Topf geworfen werden, was nicht stimmt.

Sicherheitspolitik

Es war ja bekannt, daß die Rechten sowas vorhatten. Statt sich darauf vorzubereiten wurde aber vom Berliner Innensenator samt Behörden vor dem ganzen Demozauber Angst gemacht und auf die reale Situation war er nicht vorbereitet ?!? Wie ich auf Bildern sehen konnte war nicht nur die Reichsflagge zu sehen, sondern auch die Reichskriegsflagge - ich denke es verboten die zu zeigen. Wo war da polizeiliches Handeln, also bei rotgelbgrün (kurdisch) da ist der Zugriff schneller.
Es bringt aber ganz und gar nichts die Leute aus der "bürgerlichen Mitte" mit den Rechten in einen Topf zu werfen. Gründe für Kritik an der Coronapolitik gibt es genug - seit Monaten fordere ich mehr Transparenz bei den RKI Zahlen ein.Mit sowas, satt Alarmismus, könnte man vielleicht auch jetzt noch Einsicht bei vielen Zauderern erreichen.

Sturm von Rechtsextremist*innen

Die Gerichte hatten sich blind auf die "Hygienekonzepte" der Veranstalter verlassen, obgleich bei der Menge der Teilnehmer und vor allem angesichts der Einstellung vieler Teilnehmer abzusehen war, dass die Abstandsregeln nicht eingehalten würden.

"Jeder hat gewusst, mit wem er da auf der Straße steht." sagt zu Recht SPD-Generalsekratär Lars Klingbeil, ebenso wie Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch die "Mitläufer" kritisierte, indem sie sich nicht eindeutig von den Neo-Nazis und Rechtsextremen distanziert hätten.

Schließlich war dies nicht die erste Demo dieser Art, bei der Nazis voll mitgemischt hatten.

Die Vorstandsvorsitzende der Amadeu-Antonio Stiftung, Anetta Kahane, hatte beobachtet: "Das Schlimme war, dass die Reichsflaggen sich unter den ganz normalen Leuten gemischt haben." und "Die Menschen hätten sich gut verstanden. Es sei ein "einziges Meer" an Gemeinsamkeit gewesen. "

Somit können Beschwerden von Demo-Teilnehmern, zu Unrecht mit den Nazis in einen Topf geworfen zu werden, nicht als glaubwürdig gewertet werden.

Warum haben die Veranstalter nicht eine eigene Demo ohne die Rechten durchgeführt, wo man doch wusste, welche Folgen dies haben könnte?

Der Grund zur Sorge liegt woanders !!!

Das Mitlaufen von sogenannten "BürgergerInnen aus der Mitte der Gesellschaft) mit RehtsextremistInnen und Verschw.theoretikerInnen zeugt natürlich nicht von Sensibilität und Geschichtsbewusstsein und Weitsicht, es zeugt aber möglicherweise davon, dass aus vielerlei Gründen die BürgerInnen, trotz der gerade in Coronazeit immensen Fürsorgebemühungen der amtiereden Bundesregierung, mehr und mehr das Vertrauen in ihre gewählte Volksvertretung verlieren !
Der Grund für den Vertrauensverlust liegt wahrscheinlich weniger an der lästigen Maskenpflicht oder sonstigen staatlich angeordneten Corona-Massnahmen, als an der zunehmenden Offensichtlichkeit dass Politik mehr und mehr nach Gusto von Wirtschaftsgiganten und ihren Lobby-Vasallen gemacht wird. Gleichzeitig herscht bei den BürgerInnen vielfach zurecht das Gefühl vor dass sie weder umfassend von staatlichen Organen informiert werden (Stichwort Transparenz !) noch in wichtigen Fragen gefragt werden !
Was uns noch mehr sorgen sollte als das Völkchen von Rechtsextremen, VerschwörungstheoretikerInnen und MitläuferInnen, ist der latente Vertrauensverlust in die gewählten VolksverteterInnen unserer Demokratie und damit in die Dem. selbst !

wahr

gesprochen, weg vom Bürger, der Graben wird sicher so gestaltet werden das Lobbyisten und Freunde weiter Zugang finden, zu den Entscheidungsträgern in Regierung und Parlament, von denen die meisten den berufswunsch hegen, selbst Lobbyist zu werden. Gutenberg geht da ein und aus, andere Namen sind Legion.
Ausweitung der Legislatur auf 5 Jahre, nachvollziehbar, dieser Wunsch, denn man möchte nicht gestört werden, ist man mal drin im Apparat.