Rassismus und Rechtsextremismus

Studie zu Polizei-Rassismus: SPD-Innenminister planen Alleingang

Lars Haferkamp18. September 2020
Georg Maier (SPD), Innenminister von Thüringen und Vorsitzender der Innenministerkonferenz, fordert eine Studie zu Rassismus bei der Polizei.
Macht Druck: Georg Maier (SPD), Innenminister von Thüringen und Vorsitzender der Innenministerkonferenz, fordert eine Studie zu Rassismus bei der Polizei.
Die SPD erhöht den Druck auf Innenminister Seehofer. Für Studien zum Thema Rassismus bei der Polizei wollen die SPD-Innenminister nicht länger auf ihn warten. Sie werden „notfalls auch allein“ handeln, so Georg Maier (SPD), der Vorsitzende der Innenministerkonferenz.

Die SPD-Innenminister verlieren die Geduld mit Bundesinnenminister Horst Seehofer. Angesichts des jüngsten Rechtsextremismus-Skandals der Polizei in Nordrhein-Westfalen und der anhaltenden Weigerung Seehofers, Rassismus bei Polizist*innen untersuchen zu lassen, sind die Innenminister der SPD-geführten Länder entschlossen, eine eigene Studie in Auftrag zu geben.

Georg Maier: SPD-Innenminister sind sich einig

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD), stellt nun eine eigene Studie der SPD-regierten Bundesländer in Aussicht gestellt. Die sozialdemokratischen Ressortchefs seien sich einig, dass sie eine Studie über Rassismus in der Polizei wollten – und dies „notfalls auch allein“, betonte Maier gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

 „Die schiere Zahl von Einzelfällen wird langsam mal zu viel“, so der Minister. Für die SPD-Ressortchefs gehe es jetzt nur noch darum, wie eine solche Studie genau aussehen solle. „Eine Gesinnungsprüfung“ bei Beamt*innen wolle er aber nicht, stellte Maier klar. Deshalb sollten die Polizeigewerkschaften in die Untersuchung miteinbezogen werden.

Roger Lewentz: Personalrat einbeziehen

Roger Lewentz (SPD), der Innenminister von Rheinland-Pfalz, sieht das genau so. „Wie bereits angekündigt, werden die Schwerpunkte einer Untersuchung, die sich aber nicht nur eng gefasst allein auf das Thema Rassismus beschränken sollen, mit dem Hauptpersonalrat der Polizei Rheinland-Pfalz besprochen.“ Gespräche hierzu würden mit dem Hauptpersonalrat noch in diesem Monat geführt.

Unterstützung kommt ebenso aus Bremen, „auch, wenn es bei uns keine vergleichbaren Vorfälle wie jüngst in NRW oder Hessen gibt“, so die Sprecherin von SPD-Innensenator Ulrich Mäurer. Bremen habe „bereits vor Wochen öffentlich erklärt, dass wir offen für eine Studie zu Racial-Profiling sind“.

Georg Maier, der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, unterstrich, gegen rechtsextremistische Umtriebe von Polizisten müsse jetzt „kompromisslos und konsequent“ vorgegangen werden. Dazu gehöre es auch, sämtliche strafrechtlichen und disziplinarischen Möglichkeiten auszuschöpfen. Es dürfe nicht „der Hauch eines Zweifels daran bestehen, dass sich Polizistinnen und Polizisten auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegen“.

Saskia Esken: Wir brauchen ein Lagebild

Auch SPD-Chefin Saskia Esken hat ihre Forderung nach einer Studie zum Thema bekräftigt. In der „Rheinischen Post“ forderte sie eine umfassende Aufklärung über „Rassismus und Menschenfeindlichkeit“ bei der Polizei von Bund und Ländern. „Es ist inzwischen allen klar, dass wir hierfür ein Lagebild zu Rassismus und Menschenfeindlichkeit brauchen“, so Esken. Sie kritisierte, dass Bundesinnenminister Seehofer hier nicht mitziehe. „Seine Vogel-Strauß-Methode ist gefährlich für das Ansehen der Polizei“, warnte die SPD-Vorsitzende. Auch bei der Bundespolizei müsse man wissen, ob es innere Einstellungen gebe, die am Ende zu „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ führten. „Von der Einstellung zu entsprechenden Handlungen ist es leider ja dann nicht mehr weit“, gab Esken zu Bedenken. „Wir müssen den Polizistinnen und Polizisten den Rücken stärken, die Rechtsextremismus in ihren Reihen strikt ablehnen“, forderte die SPD-Chefin.

Bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung am Donnerstagabend betonte Esken: „Für Rechtsextremisten darf im Staatsdienst kein Platz sein.“ Dabei wandt sie sich auch an die Mitarbeiter*innen der Sicherheitsbehörden: „Allen Frauen und Männern bei Polizei, Justiz und Verfassungsschutz sage ich: Für ein Leben in Freiheit ist Ihre Arbeit unverzichtbar. Wir brauchen sie mehr denn je. Seien Sie, bleiben Sie, werden Sie wehrhaft. Mutig. Laut.“

Christine Lambrecht: Seehofer soll einlenken

Inzwischen wächst der Druck auf Innenminister Seehofer auch innerhalb der Bundesregierung. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht forderte ihn auf, seine Ablehnung aufzugeben. Er müsse einsehen, dass es gerade nicht darum gehe, die Polizist*innen unter Generalverdacht zu stellen, sondern dass es in deren ureigenem Interesse ist, dass wir mehr wissen“, sagte Lambrecht dem Sender RTL/ntv. Jetzt müsse geklärt werden, welche Instrumente bei der Einstellung, der Ausbildung und im Dienst der Beamten verändert werden müssten, um gegensteuern zu können. Das muss im Interesse eines Innenministers sein“, sagte die Bundesjustizministerin an die Adresse Seehofers.

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Kommentare

Man kann nicht in Köpfe schauen

Ich erinnere mich an die Zeit um 1996-1998 herum. Soldaten durften höchstoffiziell in der Öffentlichkeit als "Mörder" beschimpft werden, Rudolf Scharping machte sich durch persönliche Charaktereigenschaften zum bis dato unbeliebtesten Ver(t?)eidigungsminister der Bundeswehr und es gab immer mal wieder Kurzmeldungen über angeblich gefundene rechtsgerichtete Tendenzen in der Bundeswehr.
Die "wehrhafte Demokratie" schaltete relativ zeitnah politische Bildung in der Truppe, auch vor dem Hintergrund das die Prä-AfD-Rechtsparteien "Republikaner" und "DVU" in einigen Landesparlamanten (Bremer Senat z.B.) mit ein bis zwei Abgeordneten zeigen durften, das sie auch nur am Futtertrog sitzen möchten.

Man hat irgendwann im Sommer den Unteroffizieren kleine Fresszettel in die Hand gedrückt (ca. 1/3 DIN A5, wenn die Erinnerung noch stimmt) mit einer zu unterschreibenden Versicherung das man rechtsgerichtete Verhaltensweisen umgehend an die zuständigen Stellen melden werde.

Das war zwar alles wenig wirkungsvoll und relativ sinnfrei aber zumindest unter Einbeziehung der Zwischenvorgesetzten direkt in der Truppe. Wie ein abgehobener Ausschuß nun "ermitteln" soll wäre interessant zu erfahren.

Echter Profi !

Es geradezu wohltuend, wie professionell Thüringens Innenminister Georg Meier mit dem möglicherweise nicht grundlos schwelenden Verdacht einer rechtsextrem unterwanderten Polizei in Thüringen umgeht.
Das fällt schon allein dadurch auf, das Genosse Georg Meier wohlweislich die mutige Forderung von Saskia Esken nach diesbezüglichen unabhängigen Untersuchungen nicht als Pauschalverdacht gegen alle PolizistInnen diskreditiert hatte. Denn schon Genossin Esken sagte im selben Atemzug ihrer damalige Forderung, es gehe dabei eben gerade darum, die demokratiefesten PolizistInnen zu schützen und Institutionen zu schaffen bzw. zu stärken die unsere Sicherheitsbehörden nachhaltig vor der weiteren, inbesondere rechtsextremistischen, Unterwanderung zu bewahren.
Jetzzt können bzw. müssen wir uns fragen, warum schon bereits bei Saskia Eskens damaliger Initiative, seitens der Innenminister Seehofer und im Windschatten dabei Genosse Boris Pistorius, reflexhaft mit Empörung reagierten, ihr die Worte im Mund herumdrehten und jegliche unabhängige Studien verweigerten! Vielleicht gab und gibt es ja "gute" Gründe warum Seehofer bis heute den genaueren Blick in unseren Sicherheitsapparat verweigert!

Unangebrachte Polizeiaktionen

Unangebrachte Polizeiaktionen, z.B. wie bei Demonstrationen in den letzten Wochen sichtbar wurden, sind dringender zu untersuchen. So manche "Maßnahme" gegen Schwächere (Frauen und ältere Bürger) lassen doch sehr an totalitäre Verhältnisse erinnern.

Traditionen

1945/46 kamen einige führende GESTAPO Mitarbeiter vors Gericht, der Rest der Polizei wurde als "Mitläufer" übernommen. So mancher war da vorher bei der "Partisanenbekämpfung" tätig. Schulungen von neuen Polizisten wurden durch "erfahrene Beamte" durchgeführt. Das Phänomen rechter Gesinnung bei den Sicherheitsorganen ist also gar nicht neu. Auf eine demokratische Polizeiausbildung wurde also nicht groß Wert gelegt und auch das pflanzte sich fort. Das Ansinnen von Georg Meier ist positiv zu werten, denn auch seit Jahren überfällig; Pistorius hat sich noch vor Monaten gegenteilg geäußert.