Inland

Von Staatsbürgerschaft bis Zuwanderung: Was die Ampel plant

Schnellere Einbürgerung, Doppelpass, Fachkräfte aus dem Ausland: Die Bundesregierung bringt gerade einiges in Sachen Migration auf den Weg. In der Debatte wird das häufig vermischt. Ein Überblick
von Jonas Jordan · 5. Dezember 2022
Niemand soll sich mehr gegen einen Pass entscheiden müssen: Die Bundesregierung will die doppelte Staatsbürgerschaft allen ermöglichen.
Niemand soll sich mehr gegen einen Pass entscheiden müssen: Die Bundesregierung will die doppelte Staatsbürgerschaft allen ermöglichen.

„Migration war und ist schon immer ein Teil unseres Landes“, schreiben SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag, den sie vor einem Jahr unterzeichnet haben. Die Ampel-Partnerinnen zählen darin auch auf, welche Änderungen sie planen: ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht, mehr qualifizierte Einwanderung und eine bessere gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte.

Inzwischen nehmen die Vorhaben konkretere Formen an. Eine Übersicht

Das Chancenaufenthaltsrecht

„Wir wollen, dass Menschen, die gut integriert sind, auch gute Chancen in Deutschland haben“, begründete Innenministerin Nancy Faeser das am Freitag im Bundestag beschlossene Chancenaufenthaltsrecht im Interview mit dem „vorwärts“. Damit erhalten bislang geduldete Menschen die Möglichkeit, innerhalb einer Frist von 18 Monaten die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland zu erfüllen. Dazu zählen beispielsweise ausreichende Deutschkenntnisse und die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts.

Derzeit (Stand 31. Dezember 2021) leben 242.029 geduldete Menschen in Deutschland, davon 136 605 seit mehr als fünf Jahren. Wer eben jene Personengruppe gilt das Chancenaufenthaltsrecht. Wer bis zum 31. Oktober dieses Jahres mindestens fünf Jahre geduldet in Deutschland gelebt hat und nicht straffällig geworden ist, soll es in Anspruch nehmen können. Damit soll das bisher gängige Prinzip der sogenannten Kettenduldungen beendet werden, wie Faeser in der abschließenden Parlamentsdebatte noch einmal deutlich machte.

Umsetzungsstand: Am 2. Dezember 2022 hat der Bundestag das Chancenaufenthaltsrecht mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP beschlossen.

 Einwanderung von Fachkräften

„Deutschland gehen die Arbeitskräfte aus“, warnte der damalige Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, im vergangenen Jahr. 400.000 Fachkräfte fehlen nach Berechnungen der BA, pro Jahr. „Um neue Potenziale für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland zu erschließen, wollen wir, dass Menschen aus anderen Ländern in unserem Land leichter studieren oder eine Ausbildung machen können“, haben SPD, Grüne und FDP deshalb in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben.

Wie das konkret aussehen soll, hat die Bundesregierung Ende November in einem Eckpunktepapier formuliert. So sollen die Voraussetzungen, die ausländische Arbeitskräfte nachweisen müssen gesenkt werden, etwa indem sie auch dann eine Einreise- und Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn sie den Nachweis ihrer beruflichen Qualifikation zunächst nicht oder nur teilweise erbringen können.

Zudem sollen auch Menschen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erhalten, wenn sie zwar bereits viel Berufserfahrung haben, aber keinen Abschluss nachweisen können. Wer „gutes Potenzial“ hat, eine Arbeitsstelle in Deutschland zu finden, soll ebenfalls anreisen dürfen. Das Potenzial soll über ein Punktesystem ermittelt werden, das etwa Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, aber auch Deutschlandbezug und Alter berücksichtigt.

Umsetzungsstand: Das Bundeskabinett hat die Eckpunkte am 30. November beschlossen. Spätestens bis Ende März 2023 erarbeiten Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil nun einen Gesetzentwurf. Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause beschlossen werden.

Staatsbürgerschaft

Rund 10,7 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit leben in Deutschland, gut die Hälfte davon seit mindestens zehn Jahren. Doch nur 2,5 Prozent derjenigen, die seit zehn Jahren oder länger in Deutschland leben, wurden im vergangenen Jahr eingebürgert. EU-weit liegt Deutschland damit im hinteren Bereich. „Viele haben keine deutsche Staatsangehörigkeit, weil es entweder sehr lange dauert und aufwändig ist, sie zu beantragen, oder sie ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben müssten, wenn sie die deutsche annehmen“, weiß Hakan Demir, Innenpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion.

In ihrem Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP deshalb vereinbart, die Hürden für die Einbürgerung zu senken. „Eine Einbürgerung soll in der Regel nach fünf Jahren möglich sein, bei besonderen Integrationsleistungen nach drei Jahren“, heißt es im Koalitionsvertrag. Auch die „Mehrfachstaatsangehörigkeit“, der sogenannte Doppelpass, soll künftig problemlos möglich sein. Auch Kinder von Eltern mit ausländischem Pass sollen deren Staatsangehörigkeit ebenso wie die deutsche erhalten, wenn sich die Eltern seit mindestens fünf Jahren in Deutschland aufhalten.

„Wir schaffen mit dieser Möglichkeit Gerechtigkeit, weil bei den meisten Einbürgerungen schon jetzt eine doppelte Staatsbürgerschaft möglich ist. Vor allem aber erkennen wir die Realität an“, sagt Hakan Demir. Natürlich sei es möglich, deutsch zu sein und gleichzeitig eine andere Identität zu haben. „Wir wollen niemanden zwingen, sich für das eine oder das andere zu entscheiden.“

Umsetzungsstand: Ende November wurde ein Referent*innenentwurf aus dem Bundesinnnenministerium bekannt, in dem die Forderungen des Koalitionsvertrags durchdekliniert werden. Mit einem fertigen Gesetzentwurf ist im Frühjahr zu rechnen. Stimmt dem das Bundeskabinett zu, kann sich der Bundestag damit befassen. Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause in Kraft treten.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

0 Kommentare
Noch keine Kommentare