SPD-Zukunftsdialog: Wie der „gleichstellungspolitische Rollback“ verhindert werden kann
Die Corona-Krise hat zu einem gleichstellungspolitischen Rollback geführt, so die These der Professorin Jutta Allmendinger. Durch den „Rückzug des Staates“ – gemeint ist die zeitweise Schließung von Schulen und Kindertagesstätten – sei es wieder zu einer traditionellen Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen innerhalb der Familien gekommen. Entsprechend steht beim vierten SPD-Zukunftsdialog die Frage im Vordergrund, wie solch eine Entwicklung bei künftigen Krisen vermieden werden kann. Wichtig ist – da sind sich alle Diskutant*innen einig – die gleiche Aufteilung von Familienarbeit, aber auch ein möglichst gleicher Verdienst von Männern und Frauen.
Forderung: Weg mit dem Ehegattensplitting!
Dem steht bislang u.a. das Ehegattensplitting im Wege. Denn in vielen Ehen verdienen die Männer mehr Geld. Entsprechend hoch ist der steuerliche Vorteil, wenn Frauen wenig oder nur in Teilzeit arbeiten, was wiederum dazu führt, dass ein Großteil der Arbeit im Haushalt an den Frauen hängen bleibt. Die Journalistin Ferda Ataman kann davon aus eigener Erfahrung berichten: „Mich stört das Ehegattensplitting schon lange. Denn es führt dazu, dass Frauen den Schritt zurückgehen, weniger arbeiten und sich um den Haushalt kümmern. Es führt auch dazu, dass ein altes, überholtes Ehemodell vorgesehen ist.“ SPD-Generalsekretär macht daraufhin den politischen Willen zur Veränderung deutlich: „Die Position von uns ist klar, dass wir das Ehegattensplitting weghaben wollen und das nicht mehr zeitgemäß finden.“
Wobei Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, deutlich macht, dass die Abschaffung des Ehegattensplittings nur eine Stellschraube von mehreren sei. Wichtig seien auch andere Arbeitszeitmodelle. Beispielsweise eigne sich aus ihrer Sicht eine 32-Stunden-Woche eher für eine gerechte Aufteilung von Haushalts-, Familien- und Arbeitszeit: „Was ist das Ziel? Zwei vollzeiterwerbstätige Eltern? Oder zwei Elternteile, die jeweils zwei Drittel arbeiten? Die Möglichkeiten, auch dann Karriere zu machen, wäre gegeben, wenn das auch Männer tun würden.“
Die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken wirft ein, dass viele Männer gerne mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen würden, jedoch ökonomischen Zwängen unterworfen seien. Daher sei eine gleiche Bezahlung von Männern und Frauen notwendig, um auch gleiche Chancen zu schaffen. „Das Ehegattensplitting zementiert ein Ehemodell, das keiner mehr haben will. Deswegen muss das weg“, macht auch sie noch einmal deutlich.
Für paritätische Listen bis 2025
Klara Geywitz, stellvertretende Parteivorsitzende, hebt hervor, dass Frauen auf der politischen Entscheidungsebene immer noch unterrepräsentiert sind. „Deswegen brauchen wir ein Paritätsgesetz, damit die Interessen von Frauen auf Augenhöhe vertreten sind“, fordert sie. Die These, man müsse nur ausreichend Frauen zum politischen Engagement bewegen, greife zu kurz. Denn es gebe allein dadurch eine strukturelle Benachteiligung, dass Frauen durchschnittlich pro Tag zwei Stunden mehr Carearbeit leisten als Männer. „Diese Zeit fehlt ihnen zum Beispiel beim politischen Engagement“, erläutert Geywitz. Daher brauche es „einen kleinen Push“, um die Parität im politischen Bereich zu erreichen.
Auch Lars Klingbeil betont mit Blick auf ein Paritätsgesetz: „Die Zeit ist reif dafür. Auch in der Union tut sich was, wobei ich mir wünschen würde, dass die Parteivorsitzende und die Bundeskanzlerin auch mal Druck in den eigenen Reihen machen.“ Mit Blick auf die anstehende Wahlrechtsreform zur Bundestagswahl 2025, für die in einer zuständigen Kommission Vorschläge zur Herstellung der Parität erarbeitet werden sollen, sagt er: „Wir wären jetzt schon so weit gewesen, aber wenn die Union noch ein bisschen Zeit braucht, helfen wir ihnen auch gerne.“ Das Ziel müsse allerdings sein, bis 2025 paritätische Listen zu haben.
Esken: „Wir sind keine Belastung, sondern eine Bereicherung“
Saskia Esken nimmt darüber hinaus die Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen großer Unternehmen in den Fokus: „Wir müssen endlich das Gesetz für Frauen in Führungspersonen scharf stellen. Es ist unglaublich, dass Unternehmen als Zielgröße für Frauen in Vorständen Null angeben.“ In Richtung des CDU-Wirtschaftsministers Peter Altmaier, der sich gegen die Einführung eines solchen Gesetzes sträubt, sagt Esken: „Wenn jetzt argumentiert wird, Frauen in Führungspositionen seien eine Belastung für die Wirtschaft, kriege ich einen Zorn. Wir sind keine Belastung, sondern eine Bereicherung.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo