SPD will Klarheit über Sicherheitspolitik der USA unter Trump
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Herr Arnold, am Freitag beginnt die Münchener Sicherheitskonferenz. Da scheint es in diesem Jahr besonders viel Klärungsbedarf zu geben, richtig?
In der augenblicklichen Weltlage mit ihren vielen offenen Fragen hat die Konferenz in diesem Jahr eine herausragende Bedeutung. Es ist sehr wichtig, sich zu informieren und Klarheit zu bekommen, auch gegenseitiges Verständnis für unterschiedliche Sichtweisen zu schaffen. Allerdings: Es ist eine informelle Konferenz, dort wird geredet und nichts entschieden.
Nach dem Machtwechsel in den USA gibt es unter Sicherheitspolitikern weltweit große Verunsicherung. Was ist ihre größte Sorge?
Die größte Sorge ist, dass wir immer noch nicht wissen, was die USA wirklich wollen. Wir haben einen Präsidenten, der immer wieder ziemlich inkompetent Dinge in die Welt twittert und auf der anderen Seite einen Verteidigungsminister, der die Nato schätzt und kennt. Es muss Klarheit geschaffen werden, wo die Reise wirklich hingeht.
Außenminister Gabriel hat von seinem Amtskollegen in Washington hinsichtlich der transatlantischen Beziehungen beruhigende Worte zu hören bekommen. Sind Sie beruhigt?
Es ist natürlich gut, dass die Fachminister miteinander reden und auf einer Wellenlänge liegen. Aber wir wissen nicht, welchen Spielraum die US-Minister haben. Oder ob sie an der ganz kurzen Leine des Präsidenten sind.
Sehen Sie auch Chancen durch die neue Lage nach dem Amtsantritt Donald Trumps?
Die Welt ist durch die Wahl von Trump in keinem Bereich besser oder gar sicherer geworden. Das gilt für die Demokratie in den USA und deren weltweiten Vorbildcharakter, für die internationalen Wirtschaftsbeziehungen und ganz besonders für die Sicherheitspolitik. Wenn es eine Chance gibt, dann liegt sie darin, dass unsere osteuropäischen Partner inzwischen merken, dass Europa seine militärischen Fähigkeiten stärker bündeln und sich nicht länger ausschließlich auf die USA verlassen darf. Diese Chance sollten wir nutzen.
Aus Polen gibt es den Vorschlag einer eigenständigen europäischen Atommacht, um sich von den USA unabhängiger zu machen. Was halten Sie davon?
Ich halte das für abenteuerlich. Mit Sozialdemokraten wird es so etwas auf gar keinen Fall geben. Wir werden weiterhin beharrlich versuchen, auch bei schwierigsten Partnern in Washington und Moskau, zu Rüstungskontrolle und zur Reduzierung von Nuklearwaffen in der Welt zu kommen.
Wie stark muss Deutschland künftig seinen Verteidigungsetat erhöhen?
Er muss weiter steigen wie im letzten Jahr, also um 2 Milliarden Euro auf dann ca. 38 Milliarden Euro. Wir brauchen ein bedarfsgerechtes Wachstum. Das Nato-Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist utopisch. Zudem ist es unnötig und auch nicht sachgerecht. Das wären bei uns nämlich 66 Milliarden Euro pro Jahr, wir wüssten gar nicht, was wir mit dem Geld tun sollten. Die Amerikaner geben ihre zwei Prozent doch nicht nur wegen der Nato aus, sondern weil sie weltweit Ambitionen haben, die sehr viel Geld kosten, völlig unabhängig von der Nato. Deshalb kann man unsere deutsche Situation auch nicht mit der amerikanischen vergleichen.
Wird die klassische Landesverteidigung künftig wieder eine größere Rolle spielen?
Ohne Frage. Seit der Annexion der Krim und der Unterstützung der Aufständischen in der Ostukraine durch Russland erinnern wir uns stärker an den Kern der Nato, das ist Artikel 5, die Landes- und Bündnisverteidigung.
Könnte es eine Reaktivierung der Wehrpflicht geben?
Nein, die Wehrpflicht macht überhaupt keinen Sinn mehr. Bei der Komplexität des Soldatenberufes kann man mit kurz ausgebildeten jungen Leuten nichts anfangen, die wären eher eine zusätzliche Belastung.