SPD-Vize Anke Rehlinger: So kann die Industrie klimaneutral werden
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„Ich halte das für eine der spannendsten Zukunftsfragen“, sagt Anke Rehlinger über die Frage, wie erfolgreich Klimaschutz und Industrie gestaltet werden kann. „Als Politikerin gibt’s ja ehrlich gesagt nichts Schöneres, als eine schwierige Aufgabe gestellt zu bekommen, die man nicht nur rein theoretisch besprechen, sondern die man ganz konkret gestalten soll.“
Die stellvertretende Parteivorsitzende der SPD ist davon überzeugt: Nie war die Politik so herausfordernd wie jetzt, aber auch noch nie so spannend. „Jetzt kommen die Königsdisziplinen“, sagt die stellvertretende SPD-Parteivorsitzende mit Blick auf den Bundestagswahlkampf. Die Verhältnisse für die Menschen verbessern, die Welt verändern – „darum geht es auch heute immer noch“, sagt die saarländische SPD-Landeschefin mit Blick auf sozialdemokratische Grundüberzeugungen.
Konkret ging es im „vorwärts in die Zukunft“-Gespräch mit der Wirtschaftsministerin des Saarlandes um Klima- und Industriepolitik – Herzensthemen von Rehlinger, in deren Ressort auch die Energie- und Verkehrspolitik des Bundeslandes fallen. Doch sie hat dabei keineswegs nur die Brille der Landespolitikerin auf.
Die Ausgangslage: Der Klimawandel ist real
Der Umbau der Industrie hin zu einer CO2-freien Produktionsweise gehe aus ihrer Sicht alle an – nicht nur diejenigen, die dort arbeiten. Klimawandel, das passiere nicht irgendwo ganz weit im Norden auf der Erdkugel, sondern: „das ist eigentlich nebendran.“
Gute Arbeitsplätze in der Region zu erhalten darum geht es Rehlinger natürlich dabei, daraus macht die Sozialdemokratin kein Geheimnis. „Der Einsatz für den Erhalt unserer Industrie lohnt sich“, appelliert Rehlinger, „aber eben im nachhaltigen Sinne.“
Das Problem: Klimaziele erreichen, Jobs erhalten
Die Industrie muss CO2-Emissionen reduzieren. „Es geht darum: Schaffen wir die Klimaziele oder schaffen wir sie nicht?“, umreißt Rehlinger die Herausforderung. Dabei sichert sie Unterstützung aus der Politik zu. „Das Saarland ist Stahlland, das ist einer der nachhaltigsten Rohstoffe, den wir haben“, sagt sie mit Blick auf die Wiederverwendbarkeit des Materials – gebraucht werde der Stahl im Automobilsektor bis hin zu den Türmen für die Windkraftanlagen.
Dafür wird letztendlich viel Energie, viel Strom gebraucht, der bisher aus fossilen Energieträgern stammte. „So viel Erneuerbare Energien, wie wir dort brauchen, werden wir erst mal nicht durch Photovoltaik und Windkraft erreichen“, warnt Rehlinger.
Der Lösungsweg: Mehr Tempo bei Erneuerbaren Energien
Deswegen benötigt es vielleicht Übergangslösungen, gründsätzlich plädiert Anke Rehlinger aber für den schnellen, massiven Ausbau der Anlagen. „Das ist eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Bundesregierung.“ Ganz konkret fordert die Parteivize eine „Einstiegskommission“ für Erneuerbare Energien, ähnlich wie die Kohlekommission in der Vergangenheit, die den Ausstieg aus der Kohleverstromung ausgehandelt hatte.
„Wir brauchen jetzt ein gesellschaftliches Bündnis“, fordert sie, denn: „Wenn das Windrad vor der Haustür geplant wird, formiert sich doch der Widerstand. Da müssen wir Bürger*innen stärker mitnehmen.“ Vom Netzausbau ganz zu schweigen, bei dem Rehlinger den bisherigen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kritisiert.
Die Zukunft: Das große Ganze im Blick
Bei alledem warnt Rehlinger vor unrealistischen Plänen. „Man kann nicht über Jahre Ziele immer höher stecken, aber bei den Maßnahmen immer schwächer werden“, warnt sie vor zu hohen Abstandsregeln und „Verhinderungspolitik“.
„Ja, es werden dann auch ein paar Bäume gefällt werden“, sagt sie ganz ehrlich und warnt vor fehlgeleiteter Umweltpolitik: Ein paar Bäume schützen, dafür aber den Wald insgesamt zu gefährden, der durch den Klimawandel bedroht wird, hält sie für den falschen Weg.
Insgesamt müsse alles zusammenpassen, dann hält sie auch einen früheren Kohleausstieg für denkbar. „Wenn wir uns zum Ziel gesetzt haben, dass wir auf der einen Seite Klimaschutz betreiben, aber gleichzeitig unseren Industriestandort nicht gefährden wollen, dann muss man alles zusammen denken.“
Diese Herausforderung habe Olaf Scholz verstanden, ist sich die Sozialdemokratin sicher. Und dass Scholz so etwas könne und dann auch mache, so Rehlinger, habe der SPD-Kanzlerkandidat in anderen Zusammenhängen bereits bewiesen – beispielsweise in der Wohnungspolitik als Erster Bürgermeister in Hamburg.