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Wie die SPD Steuerbetrug weltweit effektiv bekämpfen will

Jedes Jahr werden auf der ganzen Welt hunderte Milliarden Euro Steuern nicht gezahlt. Auf der Strecke bleiben der Rechtsstaat und die soziale Gerechtigkeit. Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans und die frühere Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul mit Lösungsvorschlägen dazu.
von Vera Rosigkeit · 16. Dezember 2020
„Gerechtigkeit für Daphne“, Mai 2019 : Auch noch anderthalb Jahre nach der Ermordung der Journalistin Daphne Caruana Galizia, die zum Steuerbetrug der Regierung recherchierte, zeigen die Menschen auf Malta Anteilnahme. Das Verbrechen ist bis heute unaufgeklärt.
„Gerechtigkeit für Daphne“, Mai 2019 : Auch noch anderthalb Jahre nach der Ermordung der Journalistin Daphne Caruana Galizia, die zum Steuerbetrug der Regierung recherchierte, zeigen die Menschen auf Malta Anteilnahme. Das Verbrechen ist bis heute unaufgeklärt.

Wie wichtig ist Steuergerechtigkeit für unsere Demokratie?

Norbert Walter-Borjans: Wir erwarten alle, dass der Staat für Bildung, für Infrastruktur und Sicherheit sorgt. Das alles kostet Geld. Man kann Steuergeld aber nur gerecht ausgeben, wenn man auch für gerechte Einnahmen sorgt. Ein Beispiel: Beitragsfreie, weil steuerfinanzierte Kitas sind dann gerecht, wenn Besserverdienende stärker in die Pflicht genommen werden als Geringverdienende. Wenn sich aber reiche Steuerpflichtige und globale Konzerne vor einer gerechten Beteiligung drücken können, entstehen Ungerechtigkeit und Verdruss. Die wirkliche Mitte fühlt sich betrogen.

Heidemarie Wieczorek-Zeul: Die „Steuergestaltung“ von Unternehmen führt aktuell dazu, dass Länder um insgesamt rund 500 Milliarden US-Dollar an Steuern betrogen werden. Länder des globalen Südens sind am stärksten betroffen, gleichzeitig werden sie auf globaler Ebene aber am wenigsten an Regelungen und Lösungen beteiligt. Seit Anfang des Jahres engagiere ich mich in einem Expert*innenpanel der Vereinten Nationen, das versucht, Lösungen zu finden, wie gegen Steuerflucht vorgegangen werden kann. Im Frühjahr 2021 werden wir konkrete Handlungsempfehlungen präsentieren. Unser klares Ziel: Wir müssen mehr Transparenz schaffen, um Korruption und Steuerbetrug das Handwerk zu legen.

Warum ist Transparenz so wichtig?

Walter-Borjans: Transparenz brauchen wir, weil Betrug und Ausnutzung von Schlupflöchern am besten funktionieren, wenn es niemand merkt. In der Debatte um ein Steuerabkommen mit der Schweiz ging es den Verteidigern des geplanten Ablasshandels vor allem darum, das Dunkel wieder einkehren zu lassen, das durch Whistleblower und Steuer-CDs aufgehellt worden war. Wäre das durchgegangen, hätten die OECD-Sstaaten den internationalen Informationsaustausch kaum durchsetzen können. Jetzt muss noch das öffentliche Country-by-Country-Rreporting über die Verteilung von Konzernumsätzen, -gewinnen und -steuern kommen.

Wieczorek-Zeul: Informationen global auszutauschen und darüber hinaus gemeinsame Regelungen einzuhalten, wird immer wichtiger. Wir brauchen ein Register, das offenlegt, wer hinter oftmals sehr verschachtelten Konstruktionen steckt, wer natürlicher Nutznießer des Vermögens ist. Nur so kann ich Geldwäsche und Korruptionsfälle ahnden. Alle Länder haben sich 2015 auf die Agenda 2030 und ihre Nachhaltigkeitsziele in der UN-Generalversammlung festgelegt. Wenn wir dazu beitragen können, dass Unternehmen in den betroffenen Ländern endlich ihre Steuern zahlen, könnten diese Länder ihre Nachhaltigkeitsziele oft aus eigener Kraft erreichen.

Brauchen wir mehr steuerpolitische Bildung?

Walter-Borjans: Wenn es in Sachen Steuergerechtigkeit konkret wird, nimmt die Courage in der Politik schnell ab. Alle fürchten den Vorwurf, dass die gern zitierte Mitte am Ende die Rechnung zahlt. Um gegen diese Mär immun zu machen, brauchen wir mehr Grundbildung darüber, wie Steuern wirken und wie der Staat das finanziert, was wir von ihm erwarten. Dann wird auch deutlich, wer der Staat ist: nämlich wir.

Welche Rolle spielt der Whistleblower*innen-Schutz?

Walter-Borjans: Viele skandalöse Formen der Steuerhinterziehung haben wir nur aufdecken können, weil das hermetisch abgeschlossene System der Beihilfe zum Steuerbetrug durchbrochen wurde. Und zwar aus der Szene heraus – wie bei den Steuer-CDs oder Cum-Ex. Das Netzwerk investigativer Journalisten konnte die öffentliche Empörung wie bei den Panama-Papers nur auslösen, weil es über Informanten verfügt. Wenn Insider Praktiken offenlegen, die der Allgemeinheit einen sehr großen Schaden zufügen, müssen wir sie vor Sanktionen oder gar Racheakten schützen.

Wieczorek-Zeul: Das wird auch ein konkreter Punkt sein, den wir aus dem Panel heraus vorschlagen werden. In der Konvention, die es zur Korruptionsbekämpfung bereits gibt, sollten bessere Möglichkeiten des Schutzes und der Unterstützung für Whistleblower und NGOs enthalten sein. Denn in vielen Fällen riskieren Menschen ihre Existenz und die ihrer Familien.

Wie groß ist die Unterstützung, diese Form der Kriminalität in den Griff zu bekommen?

Wieczorek-Zeul: Wir haben mit allen Regionen der Welt, insbesondere mit Afrika, einen ausführlichen Dialog über diese Fragen gehabt. Da gibt es mehr Unterstützung, als wir uns das vorstellen. Es gibt viele Bündnispartner in den Regierungen, aber auch in der Zivilgesellschaft.

Walter-Borjans: Die Zivilgesellschaft ist eine wichtige Größe. Der Druck, gegen unfaire oder gar illegale Praktiken vorzugehen, muss vor allem von unten kommen. Kürzlich war im „Handelsblatt“ zu lesen, dass Deutsche ein Vermögen in Höhe von 180,8 Milliarden Euro im Steuerparadies Jersey parken. Bisher werden solche Themen oft mit spitzen Fingern angefasst. Um daran zu gehen, brauchen wie eine starke Allianz. Wir erwarten, dass sich die USA unter dem neuen Präsidenten einreiht in die Staaten, die gemeinsam für eine gerechte Steuerverteilung kämpfen wollen. Sicher ist das noch nicht. Wir müssen aber jene stärken, die ein faires Steuersystem wollen, sonst geht der ruinöse Wettbewerb um die niedrigsten Steuern zwischen den Staaten ungehemmt weiter. Was dann auf der Strecke bleibt, sind soziale Sicherung, gesellschaftlicher Zusammenhalt und Nachhaltigkeit. Das ist ein Punkt der mich umtreibt.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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