SPD: „Eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ist überfällig.“
IMAGO/U. J. Alexander
„Ich wünsche mir, dass sich Menschen mit Einwanderungsgeschichte in Deutschland willkommen und wirklich zugehörig fühlen“, sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser zum geplanten neuen Staatsangehörigkeitsrecht. Ist das bisher nicht der Fall?
Wenn ich von der Gruppe der Gastarbeiter*innen ausgehe, kann ich mir schon vorstellen, dass sie sich nicht immer anerkannt und willkommen in Deutschland fühlen, auch wenn sie häufig schon sehr lange hier leben. Viele haben keine deutsche Staatsangehörigkeit, weil es entweder sehr lange dauert und aufwändig ist, sie zu beantragen, oder sie ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben müssten, wenn sie die deutsche annehmen. Gleichzeitig sehen sie, dass Menschen aus EU-Staaten zumindest kommunal wählen dürfen, sie selbst aber nicht, obwohl sie seit 30 oder 40 Jahren in Deutschland leben. Das ist auch für die Demokratie ein Problem. Eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ist deshalb überfällig. Gerade für die Gast- und Vertragsarbeiter*innen ist das eine nachholende Anerkennung.
Die Bundesregierung will die Frist, nach der Eingewanderte die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen können, von acht auf fünf Jahre verkürzen. Spielen diese drei Jahre überhaupt eine Rolle?
Das Ziel ist, dass Menschen auch rechtlich dazu gehören. Wenn wir die Möglichkeit haben, die Demokratie schneller zu stärken, sollten wir das tun. Mit der deutschen Staatsbürgerschaft sind ja schließlich Rechte und Pflichten verbunden, wie das Recht zu wählen und gewählt zu werden. In den meisten Ländern der Welt gilt übrigens eine Fünf-Jahres-Frist. Deutschland vollzieht damit also nur nach, was woanders längst Realität ist.
Vor allem von konservativer Seite wird die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft kritisiert. Können Sie das nachvollziehen?
Nein. Wir schaffen mit dieser Möglichkeit Gerechtigkeit, weil bei den meisten Einbürgerungen schon jetzt eine doppelte Staatsbürgerschaft möglich ist. Vor allem aber erkennen wir die Realität an: Natürlich ist es möglich, deutsch zu sein und gleichzeitig türkisch oder amerikanisch oder japanisch, auch wenn sich manche Konservative das nicht vorstellen können. Wir wollen niemanden zwingen, sich für das eine oder das andere zu entscheiden.
Parallel zu den Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht plant die Bundesregierung Erleichterungen, um Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu holen. Sehen Sie da Schnittmengen?
Ja, die gibt es natürlich. Wir werden zu einem modernen Einwanderungsland, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz schafft die Grundlage dafür. Und die Menschen, die zu uns kommen, um hier zu arbeiten, bekommen von Anfang an eine Perspektive, auch nachhaltig Teil der Gesellschaft werden zu können. Aber: Die Staatsangehörigkeitsreform richtet sich an Menschen, die schon – teilweise sehr lange – hier leben, hier geboren wurden, zu unserer Gesellschaft gehören. Das sind keine Fremden, das sind unsere Freund*innen, Nachbar*innen und Arbeitskolleg*innen. Die Frage der Staatsangehörigkeit ist dabei auf jeden Fall eine Säule. Wenn wir Menschen signalisieren, dass sie nach Deutschland kommen und nach fünf Jahren sogar die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können, ist das ein Willkommenszeichen.
CDU und CSU warnen davor, die deutsche Staatsangehörigkeit werde „verramscht“. Wie bewerten Sie das?
Wenn wir uns das Verhalten der Union in dieser Legislatur ansehen, war so etwas leider erwartbar. Wie schon beim Bürgergeld agieren CDU und CSU so, dass die Gesellschaft gespalten wird. Ziel von uns allen in der Politik sollte eigentlich sein, dass das Land stärker zusammenhält. Das ist zumindest mein Antrieb als Bundestagsabgeordneter. Bei manchen in CDU und CSU bin ich da allerdings nicht so sicher. Natürlich sind unterschiedliche Meinungen in einer Demokratie in Ordnung und auch wichtig. Es darf aber nie so sein, dass mit Unwahrheiten Stimmung gemacht wird. Das Verhalten der Union finde ich sehr enttäuschend.
Auch aus der FDP gibt es ablehnende Stimmen, obwohl die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Koalitionsvertrag steht. Scheitert sie am Ende am Widerstand der Liberalen?
Diese Äußerungen haben mich verwundert. Auf der Berichterstatter*innen-Ebene sind wir uns nämlich vollständig einig, was die geplanten Änderungen angeht. Die Diskussionen, die wir führen, sind auch immer sehr sachlich. Ich mache mir deshalb keine Sorgen, dass die FDP das Vorhaben am Ende nicht mittragen könnte – zumal die FDP in ihrem Wahlprogramm sogar die Einbürgerung nach vier Jahren gefordert hat.
Die Gesetzesreform könnte also im kommenden Jahr noch vor der Sommerpause beschlossen werden?
Das ist das Ziel. Die Koalition hat im Bereich Migration einiges vor, einfach, weil auch der Druck da ist. Deshalb müssen die Gesetze jetzt zügig kommen, bei der Staatsbürgerschaft genauso wie bei der Einwanderung von Fachkräften.
Welche Punkte sind für die SPD-Bundestagsfraktion besonders wichtig?
Das meiste ist aus meiner Sicht in den Vorschlägen von Nancy Faeser schon enthalten. Nicht vergessen sollten wir den Umgang mit Staatenlosen sowie mit Menschen, die eine Behinderung haben. Sie bedürfen eines besonderen Schutzes, was auch bei der Einwanderung berücksichtigt werden muss. Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass bundesweit Einbürgerungslots*innen eingesetzt werden, die Menschen im Einbürgerungsprozess zur Seite stehen. Bisher gibt es die nur in einigen Bundesländern.
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Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.