Inland

Wie die SPD die Plattformökonomie umkrempeln möchte

Mit Nudeln, Rucksack und Fahrrad ausgestattet – und ihretwegen bleibt immer öfter der Herd aus. Lieferdienste wie „Lieferando“, „Gorillas“ und viele andere Unternehmen machen das Leben leichter. Doch gilt das auch für ihre Angestellten?
von Paul List · 6. Juli 2021
Lieferunternehmen wie die „Gorillas“ stehen wegen prekärer Arbeitsbedingungen in der Kritk.
Lieferunternehmen wie die „Gorillas“ stehen wegen prekärer Arbeitsbedingungen in der Kritk.

In kleinen Ortschaften sind Unternehmen wie „Gorillas” oder „Lieferando” eher unbekannt, in Großstädten prägen sie schon das Stadtbild: Lieferant*innen, die mit dem Fahrrad das Mittagessen oder den Supermarkteinkauf ausliefern. Von der Wasserflasche bis zum Mittagsmenü, in Windeseile direkt zu den Kunden vor die Haustür. Für Arbeitssuchende ist die „Plattformökonomie“ eine einfache Möglichkeit, einen Job zu finden. Doch jüngst streikten Mitarbeiter*innen, klagten über Termindruck und schlechte Arbeitsbedingungen, teilweise wurde sogar gestreikt. Das wirft Fragen danach auf, wie fair die Unternehmen mit ihrem Personal umgehen.

Cansel Kiziltepe befürchtet, dass in den Unternehmen Gesundheit und Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter*innen nicht an erster Stelle stehen: „Man erhält das Gefühl, dass die Beschäftigten kontinuierlich zuletzt gedacht werden", sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete aus Berlin mit Blick auf aus ihrer Sicht schnell gewachsene Unternehmen insbesondere im Bereich E-Commerce und Lieferdienste.

Prekäre Arbeitsbedingungen  

Die Mitarbeiter*innen sind oft als Soloselbständige angestellt, somit fällt sämtlicher Arbeitsschutz inklusive Rentenversicherung weg. Doch das ist nur ein Punkt von vielen: Auch Arbeitsmaterialien sind oft selbst anzuschaffen und selbst wenn sie vorhanden sind, werden Zustand von Fahrrädern oder die Rucksäcke von den Fahrer*innen bemängelt. Einige Angestellte des Unternehmens „Gorillas” beklagen beispielsweise auch, dass Gehälter zu spät oder unvollständig ausgezahlt wurden. Es kommt zu Demonstrationen, in Sozialen Medien tauchen Videos und Berichte über Misstände auf. Das prangert auch Kiziltepe gegenüber dem „Tagesspiegel“ an, in dem sie jüngst von „digitaler Sklaverei“ sprach.

Katja Mast, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, sieht gewisse Chancen in der Plattformökonomie. Aber, ihre Bedingung ist: „Plattformarbeit muss gute Arbeit sein.” Sozial und fair soll sie sein. Dabei verweist sie auf Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD): In einem Eckpunktepapier hatte er festgehalten, dass Arbeitnehmer*innen auch dort einen arbeits- und sozialrechtlichen Schutz haben müssen. Dafür sollen Arbeitgeber*innen in die Pflicht genommen werden, sich bei Soloselbständigen beispielsweise an der Rentenversicherung zu beteiligen.

Bremsklotz CDU

Kiziltepe kämpft auch deswegen schon lange für die Rechte von Arbeitnehmer*innen. Sie hat bereits Seite an Seite mit den Angestellten von Ryanair, Amazon oder Flaschenpost für Tarifbindung und Mitbestimmung gekämpft, nun liegt ihr Fokus auf die Lieferbranche. Die Bezahlung ist aus ihrer Sicht dürftig ist und die Arbeitsbedingungen schlecht. Kiziltepe spricht neben den bereits genannten Problemen an, dass die Verträge der Angestellten oft kurz und die Probezeiten lang sind. Daraus folgt, dass Arbeitnehmer*innen kaum Forderungen an Arbeitgeber*innen stellen, da sie eine fristlose Kündigung befürchten.

Darüber hinaus besitzen viele der Angestellten nur eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland. Verlieren sie ihren Job, könnten sie die verlieren. Dazu kommen Sprachbarrieren, die es ihnen erschweren, gültiges Arbeitsrecht zu verstehen und einzufordern. „Deswegen ist die Gründung eines Betriebsrats so wichtig“, sagt Kiziltepe deswegen. Dieser könne Menschen bei solchen Barrieren und unwürdigen Arbeitsverträgen helfen. Ein Betriebsrat kann als Rechtsberatung zur Seite stehen und faire, soziale Arbeitsverhältnisse fordern.

Kiziltepe zufolge hat Hubertus Heil da schon vieles erreichen können. „Doch leider ist es so, dass sich die Union für die Rechte der Beschäftigten nicht wirklich interessiert”, beklagt die Berlinerin. Der Koalitionspartner habe den Kampf für soziale und faire Arbeit erschwert. Die Sozialdemokratin plädiert deswegen für eine progressive Mehrheit mit der SPD, um weiter kommen zu können.

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