Parteileben

Warum die SPD jetzt einen „OV Quarantäne“ hat

Weil sie die Sitzungen ihres Ortsvereins vermissen, haben zwei SPD-Mitglieder für die Corona-Zeit einen „OV Quarantäne“ gegründet. Am ersten digitalen Treffen am Montagabend nahmen fast 50 Genoss*innen teil. Die Fortsetzung folgt bereits am Mittwoch.
von Kai Doering · 31. März 2020
Den Ortsverein zu Gast im Wohzimmer: Am Montag „traf“ sich der OV Quarantäne zu seiner ersten Sitzung via Videoplattform „Zoom“.
Den Ortsverein zu Gast im Wohzimmer: Am Montag „traf“ sich der OV Quarantäne zu seiner ersten Sitzung via Videoplattform „Zoom“.

Montagabend, 18 Uhr. Der „Ortsverein Quarantäne“ der SPD trifft sich zu seiner ersten Sitzung. Während sich nun normalerweise einige Frauen und viele Männer jenseits der 50 in der Kneipe oder einem Nachbarschaftstreff gegenübersitzen würden, haben viele Männer und auch recht viele Frauen diesseits der 40 im heimischen Wohn- oder Arbeitszimmer Platz genommen. Manche sitzen auch in der Küche.

Irgendwann fängt man an, seinen OV zu vermissen

In Corona-Zeiten ist persönlicher Kontakt nicht möglich – digitaler natürlich schon. Und so sitzen zu Beginn des Treffens via Videokonferenzanbieter „Zoom“ gut 30 Genossinnen virtuell zusammen. „Irgendwann fängt man an, seinen geliebten Ortsverein zu vermissen“, sagt Christina Kampmann zur Begrüßung. Die Landtagsabgeordnete aus Bielefeld hat den OV Quarantäne gemeinsam mit Yannick Haan ins Leben gerufen. Er ist Co-Vorsitzender einer Abteilung, wie die Ortsvereine in Berlin heißen.

Haan erklärt die Regeln: Mikro stumm schalten, wenn man nicht gerade spricht. Wer etwas sagen möchte, muss die digitale Hand heben. Dann geht es los. Als Referenten hat sich der OV Quarantäne den Richter und Vorsitzender der „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ Ulf Buermeyer eingeladen. Bis Juni 2019 war auch er Mitglied der SPD. Nun gibt er einige Denkanstöße zur Frage „Was passiert während Corona mit unseren Freiheitsrechten?“

Engagierte, disziplinierte Debatte

Buermeyer spricht über die bestehende Kontaktsperre („Die Akzeptanz für die Einschränkungen ist noch hoch, sie werden aber auf Dauer nicht durchzuhalten sein.“) und die Möglichkeiten, die Corona-Pandemie nach dem Vorbild Südkoreas per Handy-Tracking einschränken zu können („Die Grundidee ist gar nicht verkehrt, aber die Umsetzung muss sehr genau sein.“)

Nach knapp 20 Minuten können dann Fragen gestellt, Bedenken geteilt werden. Inzwischen nehmen fast 50 Personen an der virtuellen OV-Sitzung teil. Sie kommen aus dem gesamten Bundesgebiet. Einer kritisiert den unterschiedlichen Umgang der Bundesländer mit Corona. Ein anderer befürchtet ein „Gelegenheitsfenster“ für eine restriktivere Innenpolitik. Auch wenn keine Redeliste geführt wird, verläuft die Diskussion ohne, dass einer dem anderen ins Wort fällt. „Manchmal macht es die Situation einfacher, wenn man einfach das Mikro stummschalten kann“, scherzt jemand.

Nächste Sitzung bereits am Mittwoch

Nach einer Stunde sind alle sehr zufrieden mit der Premiere. „Unsere Diskussion steht nicht hinter Debatten im Ortsverein zurück“, freut sich Christina Kampmann. Es bleibt die Frage, die Yannick Haan zum Ende hin stellt, wie nämlich die Basis in Zeiten einer Kontaktsperre an der innerparteilichen Willensbildung teilnehmen, vielleicht sogar Anträge beschließen und Wahlen durchführen kann. Über diese Fragen wird der OV Quarantäne sicher weiter diskutieren. Die nächste Sitzung gibt es bereits am Mittwoch um 18 Uhr. Dann ist der Krankenpfleger Alexander Jorde zu Gast.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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