Erste Runde ohne klare Mehrheit

SPD-Mitgliederbefragung: Scholz und Geywitz vor Nowabo und Esken

Benedikt Dittrich26. Oktober 2019
Die Sieger der ersten Abstimmungsrunde mit Generalsekretär Lars Klingbeil (von links) und der kommissarischen Parteivorsitzenden Malu Dreyer: Olaf Scholz und Klara Geywitz gehen gegen Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken in die finale Abstimmungsrunde.
Die Mitgliederbefragung der SPD für den neuen Parteivorsitz hat in der ersten Runde keinen eindeutigen Sieger hervorgebracht. Das Duo Klara Geywitz und Olaf Scholz holte zwar die meisten Stimmen, sie müssen aber in einer zweiten Runde gegen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans antreten.

Das Ergebnis der ersten Runde steht fest, doch einen klaren Sieger gibt es noch nicht. Klara Geywitz und Olaf Scholz holten bei der Mitgliederbefragung für den SPD-Parteivorsitz mit 22,7 Prozent zwar mehr Stimmen als alle anderen, müssen aber in einer zweiten Runde gegen die Zweitplatzierten antreten: Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Die beiden Duos trennten am Ende nur rund 3500 Stimmen.

Keine absolute Mehrheit in der ersten Runde

Am Ende lagen weniger als zwei Prozentpunkte zwischen dem ersten und dem zweiten Platz: Klara Geywitz und Olaf Scholz holten 22,7 Prozent, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans kamen auf 21 Prozent. In absoluten Zahlen: 44.967 Parteimitglieder hatten für Esken und „Nowabo“ gestimmt, 48.473 für Geywitz und Scholz. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung bei rund 53,3 Prozent, was laut Schatzmeister und Wahlvorstand Dietmar Nietan 226.775 eingegangenen Stimmen entspricht. Zugelassen wurden 214.956, davon waren noch rund 1300 Stimmen ungültig. Knapp 2400 Parteimitglieder gaben zwar einen gültigen Wahlzettel ab, enthielten sich aber.

Hinter den vorderen Plätzen reihten sich die übrigen Duos ein: Auf Platz drei landeten Christina Kampmann und Michael Roth mit 16,3 Prozent, Nina Scheer und Karl Lauterbach kamen afu 14,63 Prozent, knapp gefolgt von Petra Köpping und Boris Pistorius, die auf 14,61 Prozent kamen. Gesine Schwan und Ralf Stegner erhielten 9,6 Prozent.

200 Helfer für über 200.000 Stimmen

Dietmar Nietan, der als Wahlvorstand das Ergebnis verkündete, konnte sich zunächst über zahlreiche Wahlhelfer und eine gute Wahlbeteiligung freuen. „So etwas kann nur die SPD“, sagte er in Richtung der rund 200 Helfer, die am Samstag im Willy-Brandt-Haus die Briefe geöffnet, die Wahlzettel sortiert und gezählt hatten. Aus der Mandatsprüfungs- und Zählkommission (MPZK) konnte Nietan außerdem berichten, dass die Wahl ordnungsgemäß abgelaufen war, die Auszählung wurde auch notariell beglaubigt und überwacht, wie er am Samstagabend erklärte.

Alle Parteimitglieder der SPD waren bis Freitagabend zur Abstimmung aufgerufen, die Genossen konnten entweder per Online-Abstimmung oder Briefwahl ihr Kreuz machen. Eine Woche nach Beginn der Abstimmungsphase hatten bereits über 120.000 Mitglieder ihr Kreuz gemacht, ausgezählt wurde aber erst jetzt. Die Helfer hatten am Samstagmorgen damit begonnen, im abgeriegelten Willy-Brandt-Haus die Briefe zu öffnen. Die digitale Urne für die Online-Abstimmung wurde am Samstagnachmittag geöffnet.

Für einen eindeutigen Sieg hätten über 50 Prozent auf eines der Bewerber-Duos entfallen müssen. Da dies nicht der Fall ist, müssen die Mitglieder nun erneut ihre Stimme abgeben – können dieses Mal aber nur noch zwischen zwei Kandidierenden-Duos wählen: Klara Geywitz mit Olaf Scholz treten an gegen Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. Dafür können sich die Mitglieder erneut online registrieren oder auf den nächsten Brief aus der Parteizentrale warten. Die Abstimmung für die zweite Runde beginnt am Dienstag, den 19. November und endet bereits zehn Tage später am Freitag, den 29. November. Wer in der ersten Runde per Briefwahl abgestimmt hat und nun seine Stimme digital abgeben möchte, kann sich noch bis zum 30. Oktober bei unsere.spd.de registrieren.

Das Duo, das in der zweiten Abstimmungsrunde die Mehrheit erhält, wird dann auf dem Bundesparteitag, der am 5. Dezember in Berlin beginnt, für den Parteivorsitz zur Wahl vorgeschlagen.

Ende eines Marathons

Nach der Bewerberphase hatten sich die Kandidierenden in 23 Konferenzen unter dem Motto „#unsereSPD – die Tour“ der Basis vorgestellt und um Unterstützung geworben. Eine Tour, die nun im Willy-Brandt-Haus ihren Abschluss fand. „Das ist ein besonderer Tag für uns und unsere Partei“, sagte die kommissarische Parteivorsitzende Malu Dreyer am Samstagabend, umringt von den Helfern und den Kandidierenden im Atrium der Parteizentrale. Es sei natürlich auch ein Wagnis gewesen, sagte Dreyer, betonte aber im gleichen Satz: „Es hat sich gelohnt.“ Sie freute sich über die gute Wahlbeteiligung, das sie als Signal deutete: „Wir stehen zusammen.“ Mit dem Ergebnis aus dem Befragungsergebnis wolle man nun weiter auf die Reise gehen.

„Wir haben die SPD in den vergangenen Wochen verändert", resümierte auch Generalsekretär Lars Klingbeil im Anschluss an das Ergebnis. „Wir können stolz sein“, sagte er an die SPD-Genossen gewandt. „Das wird jetzt wieder eine spannende Phase.“

Alle bisherigen Infos zur Mitgliederbefragung – inklusive den Berichten über die Regionalkonferenzen und der Vorstellung der Kandidierenden – auf vorwaerts.de

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Kommentare

Doppelte Enttäuschung

Leider haben nur 53,3 Prozent der Mitglieder gewählt. Für 46,7 Prozent - also annähernd die Hälfte der Mitglieder - ist es demnach nicht (mehr) interessant, wer die Partei künftig führt. Anders als Malu Dreyer halte ich das nicht für ein gute Wahlbeteiligung, sondern bin enttäuscht über das geringe Engagement vieler Mitglieder. Man kann allerdings auch als Hinweis deuten, dass die Kandidatenpaare viele Mitglieder nicht angesprochen haben.

Ebenfalls enttäuschend ist für mich, dass nach der ersten Runde das Duo Geywitz / Scholz vorn liegt. Denn insbesondere Olaf Scholz steht für die GroKo, aber nicht für eine Neuausrichtung der SPD. Schade, dass Christina Kampmann und Michael Roth nun aus dem Rennen sind, denn sie verkörperten für mich am ehesten eine moderne, zukunftsfähige SPD.

Wahlprozedur

Ist es nicht bedenklich soviel politische Energie in einen Prozess zu verschwenden und die Zukunftsfragen liegen brach.

Hohe Wahlbeteiligung?

53,3% = hohe Wahlbeteiligung. Wie kommt man auf so eine merkwürdige Aussage?

Schöne Aussichten !?

Für einen amtierenden Vizekanzler muss es eine Desaster sein wenn er bei der Wahl zum Parteivorsitzenden, trotz weiblicher Verstärkung nicht einmal ein Achtel der Mitgliederschaft für sich gewinnt und von denen die gewählt haben nicht einmal ein Viertel !
Selbst wenn es so wäre, dass die Scholz-SPD in der Groko liefert, so würden die spärlichen Maßnahmen, die teilweise, siehe Klimaschutz, nur auf Druck von außen zustande kamen und dennoch völlig unzureichend sind, vom Wahlvolk überwiegend der CDU/CSU zugeschrieben. Oder wie lässt es sich sonst erklären, dass die CDU/CSU nach Umfragen wie die Grünen die doppelte Stärke oder mehr erreichen. Auch ein Blick nach Thüringen lohnt, wo trotz scheinbaren Scholz-Erfolg bei der Kandidat/inn/enwahl, die SPD auf 8 % abstürzte.Schöne Aussichten !
Scholz sollte den Weg jetzt freimachen für eine wirkliche inhaltliche uerung, da er als Vizekanzler und Finanzminister die SPD in diese Niederungen führte ! Böhmermann wird sich melden, zusammen mit den Wahlkämpfer/innen aus Thüringen und anderswo !

Wir sind jetzt gefragt!

Auch die Thüringer Wahl beerdigt den Begriff der demokratischen bzw. neuen Mitte. Die Genoss[inn]en haben jetzt also die Wahl einer schröderistischen Dauerschleife oder eines langfristigen, nachhaltigen und anhaltenden Umbaus der SPD in Richtung Zukunftsfähigkeit. Hierbei müssen die Errungenschaften der letzten fünfzehn Jahre, aber auch die innerparteiliche Wertevernichtung selbstkritisch hinterfragt werden. Es stehen hier zwei Teams zur Verfügung, die in ihren Videos und Sound Clouds schon bezeichnende Aussagen zu eigenen Programmatik und Glaubwürdigkeit gemacht haben. Beide Teams müssen umso mehr überzeugen, als das in der ersten Runde über siebzig Prozent der Wähler[inn]en sie NICHT gewählt haben. Entsprechende Empfehlungen der ausgeschiedenen bzw. aufgegebenen Kandidat[inn]en wären hier hilfreich. Das nur gut die Hälfte der Wahlberechtigten teilgenommen haben ist ebenso ärgerlich wie die erneute Registrierung für die Stichwahl. Diese Veramerikanisierung einer solch entscheidenden Wahl wird die SPD im Medienecho nicht besser darstellen. Allein den zahlreichen ehrenamtlichen Wahlhelfer[inn]en gebührt der Dank und es bleibt der satirische Vorsitzende der Herzen: Jan Böhmermann.

„C“SU-Spatzen pfeifen es von den Dächern

Die „C“SU-Spatzen pfeifen eine Einigung bei der Grundrente von den Dächern:
2 Mrd. € für eine Grundrente light gegen 10 Mrd € für eine Entlastung der Unternehmenssteuern!
Für die aktuell in der SPD anstehenden Entscheidungen zum Parteivorsitz und der GroKo-Fortführung gleichbedeutend mit:
Scholz kann seine Ambitionen aufgeben und ein letztes Mal läßt sich die SPD von der Union am Nasenring durch die GroKo-Manege führen, da diese dann Geschichte sein wird!

Hinter den Kulissen

Es wundert mich, dass niemand die Reportage von Markus Feldenkirchen in der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL aufgegriffen hat. Darin wirft er an der Seite des Duos Lauterbach / Scheer einen aufschlussreichen Blick hinter die Kulissen der Tour der Kandidatenpaare. Interessant ist u.a., dass Generalsekretär Klingbeil die Kandidaten vor dem Start der Tour dazu angehalten haben soll, nicht über den Verbleib der SPD in der GroKO zu diskutieren. Wie Nina Scheer in einer Fraktionssitzung niedergemacht worden sein soll, weil sie als einige das Klimapaket der Bundesregierung kritisierte. Wie Jusos bei manchen Veranstaltungen versuchten, durch verabredete Fragen ihre Favoriten Borjans/Esken gut aussehen zu lassen. Die Lektüre lohnt wirklich. Ich sah und sehe Karl Lauterbach kritisch, aber nach der Reportage verstehe ich ihn besser.

Leser sind wichtiger als "Leitmedien"

Ohne die interessanten Leserkommentare wäre der weichgespülte Vorwärts auch nicht mehr lesbar.
Aber ich widerspreche: Das SPD-Fundament muss nicht wetterwendisch "modern" sein, sondern dass tiefe Vertrauen einer möglichst großen Zahl von Menschen (und das sind die Arbeitnehmerfamilien) besitzen.
Dieses Vertrauen fällt nicht vom Himmel, sondern wird genauso wie sozialdemokratische Solidarität ausschließlich in der Arbeitswelt "erarbeitet".
Es kann aber leicht von sozialdemokratischen Karrieristen und Lobbyisten in den Parlamenten zerstört werden.
Die SPD darf nicht länger die Klassenpartei einer staatlich mit hohen Diäten und Ministergehältern gekauften berufspolitischen Klasse sein, wobei hundertausende Mitglieder nur Transmissionsriehmen sind.
Da immer mehr Informationen über die Manipulierbarkeit der online-Abstimmung ans Licht kommen, verwundert es nicht, dass der PV die Zahlen der online-Abstimmung und der Briefabstimmung nicht aufschlüsselt.
Vertrauen wird durch Intransparenz weiter zerstört.
Ich empfehle dem PV dringendst, die zweite online-Abstimmung wegen Sicherheitsmängeln abzusagen und den PT über die Kandidaten abstimmen zu lassen, oder nur Briefwahl zu machen

Zahlen Online-Abstimmung

Da Sie den "weichgespülten vorwärts" leider nicht lesen, ist Ihnen auch entgangen, dass wir über die Zahl der Online-Abstimmenden berichtet haben:

https://www.vorwaerts.de/artikel/8000-kilometer-500-fragen-23-stationen-...

Kein Anlass also für Verschwörungstheorien.