Wie SPD-Landesverbände das Für und Wider zu Koalitionsgesprächen diskutieren
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Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz tourt derzeit durch Deutschland, um für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen zu werben. Für diesen Fall will Schulz nun die Koalition nach zwei Jahren auf den Prüfstand stellen. „Wir werden den Koalitionsvertrag nach zwei Jahren einer Bestandsaufnahme unterziehen. Wir müssen nach dieser Zeit einen Strich ziehen und uns fragen: Wie weit sind wir eigentlich gekommen? Und was müssen wir verändern?”, sagte Schulz dem RedaktionsNetzwerk am Mittwoch.
Schulz: Bestandsaufnahme nach zwei Jahren
Diese Bestandsaufnahme soll laut Schulz Bedingung für Koalitionsgespräche werden: „Diese Mid-Term-Evaluierung ist für die SPD entscheidend, um den Koalitionsverhandlungen zuzustimmen.” Ob das die Gegner einer Neuauflage der großen Koalition umstimmen wird, ist offen. Bereits am Sonntag wird ein SPD-Sonderparteitag darüber entscheiden, ob es zu Koalitionsverhandlungen mit der Union kommen wird. Die Haltung zu einer Neuauflage der großen Koalition ist sehr unterschiedlich, es gibt – besonders deutlich zeigt sich das in den sozialen Medien – viel Widerstand innerhalb der Partei.
So hat sich der Landesvorstand Berlin mit 23 zu acht Stimmen gegen ein erneutes Bündnis ausgesprochen. Diese Abstimmungsempfehlung gilt den 23 Parteitagsdelegierten der Hauptstadt. Und auch ein Parteitag in Sachsen-Anhalt votierte mit einer Stimme Mehrheit dagegen. Hier ist es Bundesaußenminister Sigmar Gabriel nicht gelungen, die Mehrheit der Delegierten von der Aufnahme von Koalitionsgesprächen zu überzeugen. In Thüringen hat sich ein Parteitag schon vor Abschluss der Sondierungen gegen weiterführende Koalitionsgespräche ausgesprochen.
Für und Wider Koalitionsgespräche
Niedersachsens und Hamburgs Landesvorstand stimmten hingegen dafür. „Der Landesvorstand der SPD Hamburg empfiehlt einvernehmlich die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, CDU und CSU“, hieß es dazu auf Twitter. Rückendeckung erhält Parteichef Schulz auch vom Landesvorstand in Brandenburg. Nordrhein-Westfalen, als größter Landesverband der SPD, wiederum will vor dem Parteitag am Sonntag keine Abstimmung durchführen, in Baden-Württemberg unterstützt die Landesvorsitzende Leni Breymeier die Aufnahme von Koalitionsgesprächen, ihre Stellvertreterin Hilde Mattheis, Vorsitzende des Forums Demokratische Linke (DL 21), ist kategorisch gegen eine große Koalition und damit auch gegen weitere Gespräche.
Die Landeschefin der bayerischen SPD, Natascha Kohnen, spricht sich für Koalitionsgespräche aus. Die stellvertretende Parteivorsitzende erklärte im ZDF Morgenmagazin, dass man Sondierungsgespräche nicht mit Koalitionsverhandlungen verwechseln dürfe, zeigte aber auch Verständnis, dass viele Mitglieder enttäuscht seien, dass der Einstieg in die Bürgerversicherung verpasst wurde. Sie setzt auf vertiefende Gespräche mit der Union. Nachbesserungen fordern Hessens Landeschef und Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel ebenso wie Parteivize Ralf Stegner, Chef der SPD in Schleswig-Holstein.
Der sächsische Landesverband verzichtet im Vorfeld darauf, über das Sondierungsergebnis abzustimmen. Keine Beschlussfassung gibt es auch aus den Landesverbänden Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Die Landesspitze von Mecklenburg-Vorpommern kommt am Freitag zusammen. In der Runde mit Ortsvereinsvorsitzenden soll kurz vor dem Bundesparteitag noch einmal über alles gesprochen werden.
Sonderparteitag in Bonn entscheidet
Die SPD in Rheinland-Pfalz wird am Freitag zusammenkommen, ebenso die Parteitagsdelegierten in Bremen. Die rheinland-pfälzische Vorsitzende Malu Dreyer, Befürworterin einer Minderheitsregierung, wirbt für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen. Die Ministerpräsidentin und stellvertretende Parteivorsitzende gab sich nach den Sondierungen optimistisch, dass die SPD für die Menschen viel Gutes erreichen könne. Im Saarland hat Bundesjustizminister und SPD-Landeschef Heiko Maas für die Zustimmung des Parteitags zum Sondierungspapier geworben. Auch die SPD-Fraktion im Landtag begrüßt die Sondierungsergebnisse.
Führende sozialdemokratische Kommunalpolitiker haben sich inzwischen für Koalitionsverhandlungen ausgesprochen. Die mit den Sondierungsergebnissen verbundenen Chancen zugunsten der Kommunen dürften nicht vertan, sondern sollten in nachfolgenden Koalitionsverhandlungen weiter konkretisiert werden, fordern sie. Von den Ergebnissen der Sondierung nicht überzeugt sind hingegen die Jusos. Deren Vorsitzender Kevin Kühnert tourt derzeit ebenfalls durchs Land, um für ein Nein zu weiteren Gesprächen mit der Union und damit zur Neuauflage einer großen Koalition zu werben.
Eine Entscheidung treffen werden am Sonntag die rund 600 Delegierten auf dem Sonderparteitag in Bonn. Von ihren Stimmen hängt ab, ob die SPD in Koalitionsgespräche mit der Union gehen wird. Sollte es zu weiteren Gesprächen mit der Union kommen, wird am Ende ein Mitgliederentscheid innerhalb der SPD über das Verhandlungsergebnis, sprich Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU abstimmen.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.