Soziale Politik

Wie die SPD für einen höheren Mindestlohn sorgen will

Jede*r vierte Beschäftigte in Deutschland arbeitet zurzeit für weniger als 12 Euro in der Stunde. SPD-Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und -Bundesfinanzminister Olaf Scholz haben deshalb einen Plan vorgelegt, mit dem der Mindestlohn schneller steigen soll.
von Kai Doering · 8. März 2021
Für Dachdecker*innen liegt der Mindestlohn bereits über 12 Euro. Die SPD will, dass er grundsätzlich im kommenden Jahr mindestens auf dieses Niveau steigt.
Für Dachdecker*innen liegt der Mindestlohn bereits über 12 Euro. Die SPD will, dass er grundsätzlich im kommenden Jahr mindestens auf dieses Niveau steigt.

Wie hoch ist der Mindestlohn zurzeit?

Seit 1. Januar beträgt der gesetzliche Mindestlohn 9,50 Euro pro Stunde. Im zweiten Halbjahr wird er auf 9,60 Euro erhöht. Zum 1. Januar 2022 steigt er nach derzeitigem Stand auf 9,82, zum 1. Juli 2022 auf 10,45 Euro. So hat es die Mindestlohnkommission im vergangenen Jahr empfohlen und die Bundesregierung ist dieser Empfehlung gefolgt.

Wie viele Arbeitnehmer*innen erhalten zurzeit den Mindestlohn?

Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums arbeitet jede*r vierte Beschäftigte in Deutschland derzeit für weniger als 12 Euro in der Stunde. Im Jahr 2018 wurden rund acht Millionen Jobs unterhalb der Niedriglohnschwelle (11,05 Euro brutto je Stunde) entlohnt. So hat es das Statistische Bundesamt ermittelt. Aktuell gibt es demnach 1.421.000 Jobs mit Mindestlohn. 807.000 davon üben Frauen aus.

Was möchten die Hubertus Heil und Olaf Scholz verändern?

Die SPD-Minister wollen, dass der Mindestlohn schneller steigt als bisher vorgesehen. Er soll im Jahr 2022 „auf mindestens 12 Euro ansteigen“, wie es in dem Eckpunktepapier heißt, das dem „vorwärts“ vorliegt. Dafür soll das Mindestlohngesetz so geändert werden, dass die Mindestlohnkommission bei ihrer Anpassungsentscheidung den Medianlohn stärker berücksichtigen muss. Damit ist die Einkommenshöhe gemeint, von der aus die Anzahl der Haushalte mit niedrigeren Einkommen gleich groß ist wie die der Haushalte mit höheren Einkommen. „Der Mindestlohn muss mehr an die Mitte ran“, sagt Arbeitsminister Heil dazu.

Müsste der Mindestlohn nicht eigentlich sogar höher als 12 Euro sein?

Es stimmt: Bisher hinkt der Mindestlohn der Preisentwicklung hinterher. Das Konzept von Heil und Scholz sieht deshalb vor, den Mindestlohn „in Richtung eines echten, auf Teilhabe gerichteten „Living Wage“ fortzuentwickeln und damit der Erwerbsarmut entgegenzuwirken“. Im Klartext heißt das, dass der Mindestlohn in wirtschaftlich guten Zeiten stärker steigen soll. Die Mindestlohnkommission soll deshalb künftig auch auch den Gesichtspunkt der Armutsgefährdung „maßgeblich berücksichtigen“.

Kann ich als Mindestlohn-Bezieher*in meint Gehalt noch aufbessern?

Ja. Im Papier wird der Mindestlohn als „Grundlohn“ für die Vergütung von Arbeitnehmer*innen beschrieben. Nach unten ist also eine klare Grenze gesetzt, nach oben im Prinzip nicht. Zurzeit werden in den meisten Fällen Feiertags- und Sonntagszuschläge mit dem Mindestlohn verrechnet. Das wollen Heil und Scholz ändern. Das Mindestlohngesetz soll so reformiert werden, dass Zulagen und Zuschläge grundsätzlich nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden dürfen.

Langzeitarbeitslose und junge Erwerbstätige erhalten im Moment häufig keinen Mindestlohn. Soll das so bleiben?

Nein. Die bestehenden Ausnahmen für Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung sowie für minderjährige Arbeitnehmer*innen ohne abgeschlossene Berufsausbildung sollen aufgehoben werden.

Ein höherer Mindestlohn – war das schon alles?

Nein. Der Mindestlohn bleibt die unterste Haltelinie. Und auch wenn das Mindestlohngesetz sozialversicherungspflichtige Arbeit gesichert und höhere Löhne für rund vier Millionen Menschen gebracht hat, bekräftigen Hubertus Heil und Olaf Scholz das Ziel der SPD, „den anhaltenden Trend einer rückläufigen Tarifbindung umzukehren“. Sie wollen deshalb mit einem „Bundestariftreuegesetz“ dafür sorgen, dass öffentliche Aufträge des Bundes, der Länder sowie der Kommunen für Bau- und Dienstleistungen nur noch an Auftragnehmer*innen vergeben werden dürfen, die ihre Arbeitnehmer*innen nach Tarif bezahlen. Wo kein Tarifvertag besteht, soll für öffentliche Aufträge ein bundesweit geltender Vergabemindestlohn in Höhe von 60 Prozent des Medianlohns eingeführt werden.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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