Konjunktur mit Klimaschutz

SPD-Fraktionsvize Bartol: Warum eine neue Abwrackprämie falsch wäre

Benedikt Dittrich06. Mai 2020
SPD-Fraktionsvize Sören Bartol ist gegen eine generelle Kaufprämie für neue Autos.
SPD-Fraktionsvize Sören Bartol ist gegen eine generelle Kaufprämie für neue Autos.
Neue Krise, alte Instrumente? In der Debatte um eine Kaufprämie als Konjunkturprogramm meldet die SPD Zweifel an. Fraktionsvize Sören Bartol hält eine neue Abwrackprämie für sinnlos und pocht auf Einhaltung der Klimaschutzziele.

Die Automobilindustrie meldete sich in den vergangenen Tagen lautstark zu Wort: Die Konzernchefs der großen deutschen Autobauer forderten eine Kaufprämie für Neuwagen, am liebsten für die ganze Palette, vom Kleinwagen bis zum SUV, vom Diesel bis zum E-Auto. Ein möglicher Weg aus der Wirtschaftskrise, ausgelöst durch die Corona-Krise? Für Sören Bartol, SPD-Fraktionsvize im Bundestag, ist das trotz „Autogipfel“ im Kanzleramt am Dienstag noch lange nicht ausgemacht.

„Das ist keine selbsterfüllende Prophezeiung der Automobilindustrie“, bremst er die Erwartungen der Autobauer*innen an die Politik. Schließlich würden rund 20 Prozent des CO2-Ausstoßes, das ein Auto während seiner Lebensdauer ausstoßen würde, alleine in der Produktion verursacht werden. „Allein darum bin ich überrascht, was manche da plötzlich ganz eilig verschrotten wollen.“ Ökologisch, ökonomisch und mit Blick auf die begrenzten Mittel, die der Staat für wirklich sinnvolle Konjunkturimpulse habe, sei das in seinen Augen nicht die beste Lösung. Gegen einen Kaufanreiz habe er nicht grundsätzlich etwas einzuwenden, so Bartol weiter, aber „intelligent muss er sein und zukunftsorientiert“.

SPD-Bundestagsabgeordneter Sören Bartol.

Die Abwrackprämie, die zuletzt von der Autoindustrie als erfolgreiches Konjunkturprogramm in der Finanzkrise 2008/09 dargestellt wurde, sieht der Sozialdemokrat differenzierter: „Die letzte Abwrackprämie hat am Ende zur Hälfte ausländischen Herstellern geholfen und daneben noch hohe Mitnahmeeffekte gehabt. Das ist sinnlos.“ Stattdessen sei die Elektrifizierung der Flottenverkehre ein guter Hebel: „Das ist für einen Nachfrageschub eine relevante Zahl an Autos und die Betreiber können die Ladesäulenprobleme selbst lösen.“

Zukunftstechnologie sinnvoll fördern

So will Bartol gleich zwei Probleme lösen: Während das Verkehrsministerium unter CSU-Minister Andreas Scheuer bei der flächendeckenden Ladeinfrastruktur nicht vorankomme, könnte von anderer Seite die Verbreitung des Elektroantriebs vorangetrieben werden: „Wir müssen das Henne-Ei-Problem anders lösen, indem wir Handwerkern, Kommunen und sozialen Diensten bei der Modernisierung ihrer Fahrzeugpools helfen“, erklärt Bartol die Überlegung. „Wir wollen keine Abwrackprämie, sondern eine Markteinführungsprämie für Zukunftstechnologien.“

Egal, wie die Wirtschaft wieder angekurbelt werden soll: Für die SPD gelte der 2019 vereinbarte Klimaschutzplan, betont Sören Bartol weiter. „Unser Anspruch aus dem Klimaschutzgesetz und der Umsetzung des Klimaschutzplans ist unverändert. Die SPD steht für die Verbindung von Klimaschutz, Arbeit und Innovation“, stellt er klar, „Wir bleiben bei unseren Ambitionen, die Klimaziele stehen und wir wollen auf den Leitmärkten der Zukunft weiter vorne mitspielen.“ Dabei spiele auch die Automobilindustrie eine zentrale Rolle.

Deswegen stellt er sich außerdem klar gegen Forderungen aus der Union, die Klimaziele nun aufzuweichen. Wer jetzt Ambitionen zurückdrehen wolle, würde Milliarden an Investitionen verbrennen und außerdem zahlreiche Jobs der Zukunft riskieren. „Die Union definiert konservativ allerdings gerade wieder als rückwärtsgewandt.“

Er äußerte im Gespräch mit dem „vorwärts“ zwar Verständnis dafür, dass es die Wirtschaft jetzt doppelt schwer habe, aber das sei mit Sicherheit kein Grund dafür, von Standards und Zielen abzuweichen. „Wichtig ist, dass die Corona-Krise jetzt nicht als Ausrede benutzt wird für weiteres Zögern.“ Viele Bereiche in der Industrie haben sich aus seiner Sicht lange vor Veränderungen gesträubt, andererseits seien große Unternehmen aber auch schwere Tanker und keine Schnellboote: „Die Unternehmen haben eine riesige Verantwortung für hunderttausende Beschäftigte.“

Auf EU-Ebene Einigkeit bei den Zielen

Abseits der Debatten auf der nationalen Ebene über Konjunkturhilfen hat Sören Bartol allerdings auch die europäische Ebene im Blick – und sieht trotz des gegenwärtigen Streits über Maßnahmen und Instrumente Einigkeit in den gemeinsamen Zielen: „Ökonomisch haben alle Staaten das gemeinsame Interesse, dass wir nicht nur die unmittelbaren Folgen der Krise überwinden, sondern mittelfristig Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit sichern.“ Europa müsse ökonomisch gestärkt aus der Krise hervorgehen: „Wir sind ein Viertel des globalen Marktes, wir setzen Standards und schaffen Neues. Das gelingt aber nur, wenn möglichst viele Staaten profitieren, von den Konjunkturmaßnahmen im Rahmen des Wiederraufbaufonds ebenso wie von den schon vor Corona beschlossenen Investitionen im Rahmen des Green New Deal.“ Und was auf EU-Ebene vereinbart werde, so Bartol weiter, greife auch mit den aktuellen Überlegungen in der SPD zu einem Konjunkturprogramm in Deutschland sehr gut ineinander.

Die Debatten gehöre für ihn ohnehin zu Europa: „Streit gehört von Beginn an zu Europa. Ich sehe das nicht dramatisch. Europa hat nie den Anspruch gehabt, nationale Interessen zu negieren oder zu nivellieren. Im Grunde ist das wie in einer Patchworkfamilie, wir sind unterschiedlicher Herkunft und müssen uns immer mal wieder aneinander gewöhnen. Genau das erleben wir gerade.“ Was ihm an der Debatte nicht gefalle, seien nationale Stereotypen und Pauschalzuschreibungen. „Aber ich glaube, da müssen wir Deutsche uns auch manchmal an die eigene Nase fassen“, so Bartol.

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Kommentare

Absurdistan? Privat-PKW ade!

Es wäre anachronistisch u. geradezu absurd, wenn wir antiquierte, monokulturelle Industriezweige wie die Autoindustrie nahezu unverändert wieder hochfahren, da diese vielfach, nicht nur durch Abgasbetrug u. Nichteinhaltung von Gesundheits- und verfehlten Klima-Anforderungen aufgefallen war, sondern die mit all dem was dazu gehört (Landschaftsversiegelung f. Verkehrswege, Abgas-, Klimabelastung etc., etc.) auch massiv für die Zerstörung natürlicher Lebensräume mitverantwortlich ist !!! Eine politisch gepushte Autoindustrie trägt somit, wenn sie durch Maßnahmen wie Abwrack-Prämien ohne "operative" Nachhaltigkeits-Massnahmen wiederbelebt wird (sie trägt aktuell ursächliche Mitverantwortung für den Corona-Shutdown) Verantw. f. jetzt schon nahend. massiven Klima-Shutdown! Eine zukunftsfähige Autoindustrie hat sich in bescheidenen Maße einzufügen in ein nachhaltiges Mobilitätskonzept bestehend aus verbleibender mobiler Dienstleistung, reparaturfreundlichen langlebigen Produkten mit alternat. Antrieben. Die Zahl der Fahrzeuge muss der Nachhaltigkeit wegen massiv reduziert werden und kann nur als Sharing-/Rufmodell Ergänzug zu ÖPNV, Fahrrad-, E-Bike, Fußverkehr sein!
Privat-PKW ade !

Privat-PKW ade

Carlo Ermark trifft hier grundsätzlich die richtigen Aussagen. Das ist die Wahrheit und die Realität, die so kommen muss - weltweit - wenn wir nicht uns und den Planeten abschaffen wollen. Aber dem Kapital wird das nicht schmecken, überhaupt nicht. Aber auch vielen abhängig Beschäftigten wird das überhaupt nicht gefallen und geradezu utopisch vorkommen. Sie werden Angst um ihre Arbeitsplätze, ihr Einkommen und ggf. bescheidenes Vermögen haben. Das ist nur allzu verständlich! Aber diese Angst muss nicht sein. Diese Angst wird sich auflösen, wenn eine intelligente Sozial-ökologische Transformation mindestens innerhalb einer echten, wirkungsmächtigen Wirtschaftsdemokratie (lesen: z.B. Hans-Jürgen Urban, IG-Metall) installiert wird.

Von da aus kann man weiter denken in Richtung eines Demokratischen, ökologischen Sozialismus - jedenfalls eines Systems außerhalb des Neoliberalismus. Da sind ganz harte Bretter zu bohren. Aber wir können nicht einfach weiter zusehen, bis der Kapitalismus / Neoliberalismus die Menschen und die Umwelt total verheert haben wird.

Dreist

So ist die Politik der Autoindustrie, aber deren Absatz stotterte schon vor Corona. Wo ist denn der 2L Motoor geblieben ? Warum sitzt von diesen HERREN wegen Abgasbetrug, falschen Verbrauchsangaben etc. keiner ? Aber auch die Kohleindustrie will Subventionen wegen geringeren Stromabsatzes, und gar die BASF ...... .
Wenn ich sehe wessen Interesssen der derzeitige Finanzminister immer bedient hat ........ . Ich will endlich sozialdemokratische Politik im Interesse der Menschen und einer lebenswerten Umwelt. Und zwar aller Menschen, denn Dank Corona ist die Situation der Menschen in den griechischen Flüchtlingslagern wohl vergessen genauso wie das tägliche Ertrinken im Mittelmeer.

Autopämien

Jetzt Prämien zum Kauf von Autos anzubieten, wäre für mich der völlig falsche Weg. Krise ist auch Chance. Jetzt gibt es eine Gelegenheit, durch öffentliches Geld endlich unser Wirtschaftssystem zukunftsfähig zu machen und den Kampf gegen den Klimawandel nicht nur mit Worten sondern reel anzugehen. Private PKW in größerer Zahl gehören nicht dazu. Ja, das wird Arbeitsplätze kosten und ich denke Arbeitnehmer, die ihre Arbeit verlieren, müssen so großzügig wie irgend möglich unterstützt werden. Aber bitte keine Steuergelder für alte Industrien und Technik, die uns in die Klimakrise gebracht haben.

Kein Geldsegen für die Automobilindustrie

Es ist tatsächlich peinlich, wie ausgerechnet die Automobilindustrie bei der Politik betteln geht. Soll hier tatsächlich der Steuerzahler für eine Branche in die Bresche springen, die Mitarbeiter sehr hoch bezahlt und zusätzlich regelmäßig hohe Prämie auszahlt? Ebenso satte Dividenden an Anteilseigner? Es geht mir nicht um eine Neiddebatte. Allerdings war die Branche schon vor Corona in der Krise. Die Pandemie war hier nicht der Auslöser - vielleicht gar eine willkommene Möglichkeit, die ohnehin vorhandene Überproduktion über Kurzarbeit auf Staatskosten abzumildern.