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SPD-Fraktion im Bundestag: Was die neue AG Queerpolitik plant

Zum ersten Mal hat sich eine AG Queerpolitik in der SPD-Bundestagsfraktion gegründet. Ihr Sprecher ist Falko Droßmann aus Hamburg. Im Interview spricht er über Ziele und Herausforderungen.
von Jonas Jordan · 16. Februar 2022
Falko Droßmann ist SPD-Bundestagsabgeordneter aus Hamburg und Sprecher der Arbeitsgruppe Queerpolitik in der SPD-Bundestagsfraktion.
Falko Droßmann ist SPD-Bundestagsabgeordneter aus Hamburg und Sprecher der Arbeitsgruppe Queerpolitik in der SPD-Bundestagsfraktion.

Zum ersten Mal hat sich eine Arbeitsgruppee Queerpolitik innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion gegründet. Wie kam es dazu?

Der Koalitionsvertrag ist voll mit Themen, die auch queere Menschen betreffen: die Ergänzung des Gleichbehandlungsartikels im Grundgesetz, nationaler Aktionsplan für den Schutz geschlechtlicher Vielfalt, Unterstützung der Länder bei der Aufklärung an Schulen und Jugendarbeit, Förderung von Angeboten für ältere LSBTs, Diversity-Management im öffentlichen Dienst. Das sind Dinge, die nicht mehr nur in einem Ausschuss verortet sind, sondern alle Ausschüsse betreffen. In der Innenpolitik geht es zum Beispiel darum, dass geschlechtsspezifische oder homosexuellenfeindliche Beweggründe von Straftaten in den Katalog der Strafzumessung aufgenommen werden sollen. Bund und Länder sollen Hasskriminalität aufgrund des Geschlechts und gegen queere Menschen separat erfassen. Darüber hinaus müssen wir endlich das Transsexuellengesetz abschaffen. Dies sind nur einige Beispiele des Koalitionsvertrages, wo es auf eine gute parlamentarische Begleitung ankommt.

Insofern also eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe. Welche Funktion soll diese haben?

Es ist eine Querschnittsarbeitsgruppe. Unsere Aufgabe ist es, zu monitoren, wo welches Gesetzesvorhaben unterwegs ist, welche Auswirkungen es hat und die Kolleginnen und Kollegen darauf hinzuweisen, dass dieses Thema kommt. Auch wollen wir eigene Initiativen setzen und Ansprechstelle der Community sein.

Welche Zielsetzung verfolgen Sie dabei?

Es geht darum, die besonderen Bedürfnisse und besonderen Notwendigkeiten queerer Menschen  in allen Ausschüssen berücksichtigen zu können. Natürlich gibt es noch Diskriminierung, rechtliche Nachteile und ungeklärte Rechtsverhältnisse. Die Zielsetzung ist, innerhalb der Fraktion und der Öffentlichkeit eine noch bessere Sensibilität dafür zu schaffen. Wir wollen sehr eng mit der Partei zusammenarbeiten. Deswegen hatten wir schon am Montagabend die erste Veranstaltung mit der SPDQueer. Wir planen auch eine Konferenz mit den queerpolitischen Sprecherinnen und Sprechern der SPD-Landtagsfraktionen, bei der wir schauen können, was die gemeinsamen Themen und Notwendigkeiten sind. Wo gibt es best-practise-Beispiele? Aber wo ist auch schon mal was schief gelaufen? Wie ist der richtige Weg zu einem nationalen Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt?

Warum ist das Thema Queerpolitik für Sie persönlich so wichtig, dass Sie als Sprecher kandidiert haben?

Mein Wahlkreis Hamburg-Mitte beinhaltet die Stadtteile St. Pauli und St. Georg. Dort ist geschlechtliche und sexuelle Vielfalt ein großes Thema. Es hängt auch mit meiner Vita zusammen. Mein Mann und ich waren das erste schwule Ehepaar in Deutschland, das geheiratet hat am 1. Oktober 2017. Als junger Soldat musste ich mich verstecken, weil ich ansonsten wegen charakterlicher Nichteignung entlassen worden wäre. Ich weiß, wie Diskriminierung stattfindet, und ich weiß, wie wichtig es ist, dass wir so etwas nie wieder stattfinden lassen dürfen. Wir müssen auch bei europäischen Partnerinnen und Partnern darum werben, dass queere Lebensformen gleichberechtigt sein müssen.

Wie sind Sie mit der Diskriminierung innerhalb der Bundeswehr damals umgegangen?

Ich war 20 Jahre lang Soldat. Von 1997 bis 2001 wäre ich entlassen worden, wenn das rausgekommen wäre. Deswegen musste ich alles dafür tun, damit es nicht rauskommt. Ich habe irgendwelche Geschichten erzählt und mich selbst verleugnet.

Sie wurden im September neu in den Bundestag gewählt und haben nun direkt dieses Sprecheramt übernommen. Sind Sie besonders gut im parlamentarischen Alltag angekommen?

Auch meine beiden Stellvertreter Jan Plobner und Anke Hennig sind neu im Bundestag. Wir sind in dieser Fraktion mehr neue als alteingesessene Abgeordnete. Ich habe ganz bewusst nur einen Vollausschuss gewählt, weil Queerpolitik ein Riesenthema ist. Dafür wollte ich auch die notwendigen zeitlichen Möglichkeiten haben.

Jan Plobner kommt aus Franken, Anke Hennig aus Niedersachen, Sie aus Hamburg. Ist es insbesondere in diesem Themenbereich wichtig, die unterschiedlichen Regionen Deutschlands abzubilden?

Ich komme selbst ursprünglich aus einem kleinen Dorf im Bergischen Land, war Polizist in Köln, habe mein Abitur in Hessen nachgeholt, bin zur Bundeswehr in die Südpfalz, war dann in Fürstenfeldbruck in Bayern stationiert…

Also repräsentieren Sie alleine schon ganz Deutschland.

Nicht ganz, aber ich habe viele Regionen Deutschlands gut kennengelernt. Jan hat zum Beispiel als junger Mensch auch gesellschaftliche Diskriminierung erfahren hat, aber die staatliche, strukturelle Ebene glücklicherweise gar nicht mehr mitbekommen. Daher ergänzen wir uns sehr gut.

Stolz bin ich auch, dass wir mit Anke Hennig eine „straight-ally“, also eine heterosexuelle Person, die die queere Community auf allen Ebenen unterstützt, im Sprecherteam haben und bei der Gründung der AG beinahe 50 SPD-Bundestagsabgeordnete anwesend waren. Das zeigt, wie wichtig unserer Fraktion die Lebenswirklichkeit queerer Menschen ist.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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