Parteileben

SPD digital: Parteitag und Debatte zwischen Haustür und Handy

Die Corona-Krise verändert Debatten, Veranstaltungen und Wahlkämpfe in der SPD. Generalsekretär Lars Klingbeil sieht Basis und Spitze der Partei dabei auf einem guten Weg, warnt aber: „Wir dürfen nie zufrieden sein.“
von Jonas Jordan · 19. Oktober 2020
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: „Wir dürfen nie zufrieden sein.“
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: „Wir dürfen nie zufrieden sein.“

Die Coronazahlen steigen deutschlandweit aktuell wieder deutlich an. Ist digitale Parteiarbeit dadurch wichtiger denn je?

Ja, das kann man so sagen. Die Corona-Pandemie verändert unser Leben, schränkt auch manches ein, aber wir müssen einen Weg finden damit umzugehen. Man konnte förmlich zugucken, wie unsere Genossinnen und Genossen immer mehr digitale Formate genutzt und kreative Alternativen ausprobiert haben und damit das Parteileben neue Wege fand. Das beginnt bei den Ortsvereinen, die auch während Kontaktbeschränkungen weiter tagen können, und zieht sich durch bis auf die Bundesebene. Mittlerweile sind wir als SPD auch geübt darin, übertragen unsere Veranstaltungen ins Netz und die Sitzungen des Parteivorstandes finden ganz normal online oder in hybrider Form statt.

Kürzlich ist die Programmwerkstatt an den Start gegangen, in der Mitglieder online inhaltliche Vorschläge für das SPD-Wahlprogramm machen können. Welchen Mehrwert bedeutet das für Sie als Teil der Parteispitze?

Die SPD ist eine Partei, die für ihre Werte und Inhalte brennt. Wer hier eintritt, will auch mitmachen. Als Parteispitze nutzen wir das natürlich und wollen, dass die Mitglieder sich aktiv einbringen können. Die Zeit, die vor uns liegt, verlangt neue Antworten. Mit der Programmwerkstatt haben wir ein Portal gestartet, bei dem sich alle interessierten Mitglieder ganz einfach mit ihren Ideen zu Wort melden können – unabhängig davon, wo sie gerade sind und wann sie dafür Zeit haben. So entsteht für die Wahl ein Programm, das aus der Partei heraus entstanden ist und dann auch von der ganzen Partei getragen wird.

Ist die SPD damit die digitalste Partei Deutschlands?

Wir sind auf jeden Fall auf einem guten Weg unsere Arbeit in der Partei um viele digitale Werkzeuge zu ergänzen. Talk-Formate, Fragestunden, Sitzungen, sogar Parteitage gestalten wir inzwischen digital. Mir ist wichtig, dass wir weiterhin zusammenkommen und auch mit Bürgerinnern und Bürgern im Gespräch bleiben. Und auch unabhängig von Corona ist es mein Anspruch als Generalsekretär, dass die Partei noch moderner und digitaler wird, damit wir die technischen Möglichkeiten zum Vorteil unserer Mitglieder nutzen können. Dabei dürfen wie nie zufrieden sein, sondern müssen uns immer wieder fragen: Was können wir noch tun? Ich lerne auch gerade viel von kreativen Ortsvereinen und Arbeitsgemeinschaften.

Wird das Wahlprogramm 2021 dadurch das basisdemokratischste aller Zeiten?

Wir waren uns im Parteivorstand sehr schnell einig, dass wir die Basis möglichst breit beteiligen wollen. Das hat übrigens nichts mit Corona zu tun. Wir haben dafür schon früh alle Voraussetzungen geschaffen und bieten damit jetzt so viele Möglichkeiten zur Beteiligung wie noch nie. Wir haben zum Beispiel unsere Mitglieder befragt, welche Themen ihnen besonders wichtig sind und jetzt diskutieren wir diese gemeinsam in der Programmwerkstatt. Und ich bin froh, dass die verschiedenen Angebote so gut angenommen werden. Man merkt, die Partei hat richtig Lust sich ins Zeug zu legen.

Senkt das zugleich die Hemmschwelle für neue Mitglieder, in der Partei inhaltlich aktiv zu werden, beziehungsweise für Interessent*innen, der SPD beizutreten?

Davon bin ich überzeugt. Es ist auf jeden Fall das Signal: In der SPD kann ich als Mitglied wirklich etwas bewegen. Meine Stimme hat Gewicht und wenn ich eine gute Idee habe, dann wird sie auch gehört. Vollkommen egal, ob ich jung oder alt bin oder erst seit einer Woche Mitglied oder was auch immer. Die Mitgliederbeteiligung ist bei uns ja auch nicht neu. Wir haben gemeinsam über Koalitionen abgestimmt, wir haben im vergangenen Jahr zusammen die Parteivorsitzenden gewählt – andere Parteien bieten so etwas nicht. Das macht es attraktiv, sich politisch einzubringen und in der SPD aktiv zu werden.

Einzelne Landesverbände wie die SPD in Rheinland-Pfalz haben digitale Parteitage erfolgreich erprobt. Was halten Sie von dem Konzept?

Parteitage sind etwas ganz Besonderes. Wer schon einmal einen erlebt hat, weiß, dass sich die Stimmung bei so einem Parteitag nicht einfach auf ein digitales Format übertragen lässt. Über die inhaltliche Auseinandersetzung hinaus sind Parteitage die Möglichkeit einander kennenzulernen und sich zu vernetzen, sich auch auf informellem Weg miteinander auszutauschen. Ich bin deshalb überzeugt, dass wir auch wieder reguläre Parteitage haben, wenn wir die Pandemie überwunden haben. Aber in besonderen Zeiten wie der aktuellen Corona-Situation sind digitale Parteitage eine gute Alternative. Die Genossinnen und Genossen in Rheinland-Pfalz haben zum Beispiel gezeigt, dass es sehr gut funktionieren kann.

Erleichtert ein solches Konzept die Vereinbarkeit von politischem Engagement mit Familie und Beruf, wenn Menschen beispielsweise bequem von zu Hause an einem Parteitag teilnehmen können?

Ja, das stimmt und gilt für Parteitage genauso wie für die meisten anderen Veranstaltungen. Wir müssen aber auch ganz grundsätzlich schauen, wie wir die Vereinbarkeit verbessern. Das kann über die digitale Teilnahme funktionieren, aber auch durch mehr Kinderbetreuung bei Parteiveranstaltungen, familienfreundlichere Sitzungszeiten und weniger Präsenztermine. Da gibt es ganz viele Stellschrauben und wir tun gut daran, wenn wir nicht nur an einer drehen.

Was bedeutet das für die Planungen zum Debattencamp im Dezember?

Wir haben uns entschieden, dass das Debattencamp in diesem Jahr online stattfindet. Wir erinnern uns noch gut an das erste Debattencamp im Jahr 2018. Es war laut und bunt und vielfältig und wir haben viele frische Ideen eingesammelt. Das haben wir auch dieses Mal wieder vor, nur dass wir dafür nicht in Berlin zusammenkommen, sondern sich alle ganz unproblematisch von überall aus einschalten, teilnehmen und mitdiskutieren können.

Auch wenn vieles nun digital möglich ist, welche analogen Formate möchten Sie trotzdem auch künftig nicht aufgeben?

Politik lebt vom Zwischenmenschlichen und vom persönlichen Gespräch. Ich freue mich darauf, wenn ich im Wahlkreis und auch sonst im Land endlich wieder größere Veranstaltungen machen und dabei mit vielen verschiedenen Leuten in Kontakt kommen kann. Was mir am meisten Spaß macht: Hausbesuche. Die habe ich allerdings diesen Sommer auch wieder im eigenen Wahlkreis gemacht. Natürlich mit Abstand und unter Einhaltung von Hygienestandards. Aber das direkte Gespräch ist für mich immer noch das Beste.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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