SPD-Debattenkonvent: Wie Olaf Scholz seine China-Strategie erklärt
Dirk Bleicker; dirkbleicker.de
Als Olaf Scholz am Samstagnachmittag die Bühne im „Vollgutlager“, einer Event-Location in Berlin-Neukölln, betritt, liegt ein langer Flug hinter ihm. Der Bundeskanzler ist gerade von seiner China-Reise zurückgekehrt. Nun steht er vor einigen hundert SPD-Mitgliedern und Interessierten aus dem ganzen Bundesgebiet. Das „Townhall“-Gespräch mit dem Kanzler ist einer der Höhepunkte des Debattenkonvents, der an diesem Wochenende in Berlin stattfindet: Eineinhalb Stunden kann das Publikum Fragen an Scholz stellen.
„Wir werden nicht akzeptieren, wenn Gewalt angewendet wird.“
Bevor es losgeht, weist Scholz auf den aus seiner Sicht größten Erfolg der Reise hin: Im gemeinsamen Gespräch seien er und Chinas Staatspräsident Xi Jinping einig gewesen, dass der Einsatz russischer Atomwaffen in der Ukraine inakzeptabel sei. „Der Einsatz von nuklearen Waffen oder die Drohung damit muss abgelehnt werden“, wurde Xi Jinping nach dem Treffen zitiert. „Allein dafür hat sich diese Reise gelohnt“, sagt Scholz auf der Bühne in Neukölln.
Auch die Fragen der Zuhörer*innen drehen sich danach um das Verhältnis Deutschlands zu China. Wie er „Freiheit und Werte“ gegenüber China verteidigen wolle, will Tim aus Konstanz wissen. „Wir verfolgen eine Ein-China-Politik“, antwortet Scholz, „werden aber nicht akzeptieren, wenn Gewalt angewendet wird. Das habe ich im Gespräch mit Xi Jinping auch ganz klar gemacht.“
Wie er es rechtfertige, dass Deutschland Geschäfte mit China mache, will ein anderer Zuhörer wissen. „Es wäre kein guter Rat, sich zurückzuziehen“, ist der Kanzler überzeugt. Wichtig sei aber, Themen wie Menschenrechtsverletzungen deutlich anzusprechen und sich nicht von China abhängig zu machen. „Diversifizieren“ sei das Gebot der Stunde. „Wir werden den wirtschaftlichen Austausch mit China fortsetzen“, kündigt Scholz an. „Aber wir werden ihn so aufstellen, dass wir jederzeit damit umgehen können, wenn es zu Problemen kommt.“ Die Gaslieferungen aus Russland seien hier ein warnendes Beispiel.
„Unser Ziel bleibt, ab 2045 klimaneutral zu wirtschaften.“
Apropos: Dass es gelungen sei, die ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland innerhalb kürzester Zeit zu ersetzen, lobt Olaf Scholz als „große Gemeinschaftsleistung in Deutschland“. Viele Entscheidungen seien der Bundesregierung nicht leichtgefallen, gibt der Kanzler zu, doch sie seien notwendig gewesen. „So werden wir es wohl schaffen, ohne Energieknappheit über den Winter zu kommen.“
Benjamin aus Bonn führt das zu der Frage, wie die Bundesregierung die Energiepreise langfristig wieder senken wolle. Das Flüssiggas, das ab Dezember am neu gebauten Terminal in Wilhelmshaven angelandet werden soll, werde die Gaspreise senken, zeigt sich Olaf Scholz überzeugt. Allerdings sagt er auch: „Das Billigste, was man machen kann, ist Strom aus Erneuerbaren Energien zu erzeugen.“ Deshalb sei es auch wichtig, dass die Bundesregierung trotz des Kriegs in der Ukraine nicht nachlassen werde, deren Ausbau weiter voranzutreiben. „Unser Ziel bleibt, ab 2045 klimaneutral zu wirtschaften“, sagt Scholz.
Die Methoden der „Letzten Generation“, die sich auf Straßen klebt und zuletzt Kunstwerke mit Suppen bespritzt hatte, unterstützt der Kanzler jedoch nicht. „Wer im Stau steht, versteht nicht die Ernsthaftigkeit des Anliegens, sondern ärgert sich nur“, ist Scholz sicher. Außerdem verfolge die Gruppe einen anderen Ansatz als er. „Ihr politisches Konzept lautet: Lasst uns einfach die Industrie einstellen.“ Davon unterscheide sich seine Auffassung fundamental. „Wir müssen jetzt Milliarden investieren in Erneuerbare Energien und die Transformation“, sagt Scholz stattdessen. So könne Deutschland seine Industrie erhalten und Vorbild werden für andere Regionen in der Welt.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.