International

SPD zur Bundeswehr: Wir handeln, die Union lenkt von ihren Fehlern ab

Siemtje Möller, Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, sieht Fortschritte bei der Reform der Bundeswehr. Während unter der Union lange nichts passiert sei, gehe es nun mit der Neuausstattung der Streitkräfte zügig voran.
von Lars Haferkamp · 13. Januar 2023
„Auf die Bundeswehr können wir voll zählen, unsere Soldat*innen leisten Großartiges!“, betont Siemtje Möller, die Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesverteidigungsministerin.
„Auf die Bundeswehr können wir voll zählen, unsere Soldat*innen leisten Großartiges!“, betont Siemtje Möller, die Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesverteidigungsministerin.

Siemtje Möller, im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ist eine „kritische Bestandsaufnahme“ bei Personal, Material und Finanzen der Bundeswehr vereinbart. Die liegt nun vor. Mit welchem Ergebnis?

16 Jahre unionsgeführtes Verteidigungsministerium haben große Spuren hinterlassen. Uns war klar, dass Veränderungen notwendig sein werden, vom Ausmaß waren wir dennoch überrascht. Mit der kritischen Bestandsaufnahme haben wir Handlungsbedarf für mehr als 200 Maßnahmen identifiziert, die wir nun schrittweise umsetzen werden. Beispielsweise werden wir mehr Verantwortung in die Truppe geben, verkrustete Strukturen aufbrechen und Mut zur Veränderung fördern. So werden wir eine vollausgestattete, einsatzfähige und moderne Bundeswehr schaffen.

Probleme hat die Bundeswehr immer wieder beim Gerät: Viele Panzer, Hubschrauber oder Flugzeuge sind defekt, manche können gar nicht eingesetzt werden. Wann und wie wird sich das ändern?

Wir haben nach vielen Jahren der Unterfinanzierung einen erheblichen Investitionsstau bei der Bundeswehr, das gilt ganz besonders beim Gerät, sowohl für die Instandhaltung, als auch für die Neubeschaffung. Diesen Stau lösen wir jetzt so schnell wie möglich auf, mit dem klaren Schwerpunkt auf Bündnis- und Landesverteidigung. Um die dafür notwendige Vollausstattung der Bundeswehr zu erreichen, haben wir zügig wichtige erste Entscheidungen getroffen: persönliche Ausrüstung für alle Soldat*innen, das F-35-Kampfflugzeug oder den schweren Transporthubschrauber. Wir setzen dabei nicht auf Goldrandlösungen, sondern wollen zügig beschaffen, was die Truppe braucht.

Es gibt immer wieder Zweifel an der Einsatzfähigkeit der deutschen Streitkräfte. Wie einsatzfähig ist die Bundeswehr aktuell?

Die Bundeswehr stellt ihre Einsatzfähigkeit aktuell in einer Vielzahl an Verpflichtungen im Rahmen der UNO oder zum Schutz der NATO-Ostflanke eindrucksvoll unter Beweis. Auf die Bundeswehr können wir voll zählen, unsere Soldat*innen leisten Großartiges! Wir wollen eine Kaltstartfähigkeit der Bundeswehr erreichen, indem wir die vorhandenen Fähigkeitslücken schnell schließen. Das erfordert nach Jahrzehnten des Sparens umfangreiche Investitionen.

Welche Rolle spielt der Ukraine-Krieg für die Bundeswehr? Verschärft er die Probleme – etwa durch Waffenlieferungen an das von Russland überfallene Land – oder treibt er sie eher einer Lösung zu?

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands ist ein Bruch mit der europäischen Friedensordnung. Konsequent hat unser Bundeskanzler Olaf Scholz die „Zeitenwende“ ausgerufen. Dazu gehört insbesondere die Unterstützung der Ukraine mit humanitären und militärischen Mitteln sowie die Stärkung der Bundeswehr zur Landes- und Bündnisverteidigung. Schon Willy Brandt wusste, dass echte Friedenspolitik nur funktionieren kann, wenn sich Diplomatie und militärische Stärke ergänzen.

Der Kanzler hat ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr durchgesetzt. Wie sehr hilft das? Oder muss da noch mehr kommen?

Wir sind dem Kanzler und dem Bundestag für das Sondervermögen sehr dankbar. Es ist ein wichtiger Schritt hin zu einer vollausgestatteten Bundeswehr, die angesichts der neuen Bedrohungen Europas durch revisionistische Autokratien unverzichtbar ist. Der Mehrbedarf an Material, Personal und Ausbildung wird perspektivisch durch einen gestärkten Verteidigungshaushalt nachhaltig sichergestellt werden müssen. Nur so können wir in Europa frei und gleich leben.

Die Bundeswehr hat seit längerem Probleme bei der Gewinnung von Personal. Hat der Ukraine-Krieg hierauf Auswirkungen?

Die Bundeswehr erfährt einen deutlichen Zuwachs an Interesse. Wir erleben in der Gesellschaft eine ganz neue Debatte über den Wert von Freiheit und über die Wichtigkeit, unsere Freiheit zu verteidigen. Es ist kein Geheimnis, dass der demographische Wandel und der Wettbewerb mit der freien Wirtschaft die Bundeswehr vor Herausforderungen stellen. Gleichwohl ist die Bundeswehr für sich eine attraktive Arbeitgeberin mit fairer Bezahlung und guten Weiterbildungsmöglichkeiten, ganz zu schweigen vom Dienst an einem höheren Gut: unserer Freiheit.

Die Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 erfolgte in einer Zeit, als Deutschland in Russland einen „Sicherheitspartner“ sah. Diese Zeiten sind mit dem russischen Überfall auf die Ukraine vorbei. Schweden etwa hat die Wehrpflicht wieder eingeführt. Kommt die Frage der Wehrpflicht auch bei uns wieder auf den Tisch?

Mir begegnet die Frage nach der Wehrpflicht regelmäßig. Bereits jetzt engagieren sich viele junge Menschen für unsere Gesellschaft, etwa durch den Bundesfreiwilligendienst oder den freiwilligen Wehrdienst. Die von unserem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier angestoßene Debatte zu einer allgemeinen Dienstpflicht halte ich für spannend.

CDU und CSU machen für die Probleme der Bundeswehr die SPD und besonders die Verteidigungsministerin verantwortlich. Welche Verantwortung trägt eigentlich die Union für die Lage der Bundeswehr?

Die Union weiß ganz genau, dass viele Probleme, die wir jetzt zu lösen haben, eine Erblast der 16 Jahre Verteidigungsminister*innen von CDU und CSU sind. Wir haben bereits zum jetzigen Zeitpunkt wesentliche Veränderungen eingeleitet: etwa durch das Beschaffungsbeschleunigungsgesetz oder die Entscheidung für neues Material und Ausrüstung. Diese Entscheidungen sind unter Unionsverantwortung nicht gefallen. Deshalb halte ich die Vorwürfe von CDU und CSU für absolut unberechtigt. Wir handeln, während die Union versucht von eigenen Fehlern und Tatenlosigkeiten abzulenken.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare