Warum die SPD in Bremen mit „Bovi“ auf Erfolgskurs ist
Dirk Bleicker; dirkbleicker.de
Als die ersten Akkorde von „Nine to Five“ ertönen, reißt Andreas Bovenschulte den Arm nach oben und ruft: „Dolly Parton!“ Am Vorabend des Frauentags steht Bovenschulte, seit 2019 Bürgermeister der Freien und Hansestadt Bremen und gleichzeitig Kultursenator, auf einer Bühne in der „Schwankhalle“. Früher wurde hier, am Rande der Bremer Innenstadt, Bier gebraut, heute nutzt die freie Kulturszene das Gelände. Die Landesfrauenbeauftragte hat zu einem „frauenpolitischen Musik-Battle“ eingeladen. „Beat Bovi“ lautet der Titel. Bovenschulte, den viele in Bremen nur „Bovi“ nennen, und vier Frauen müssen Lieder von Sängerinnen erkennen und den frauenpolitischen Bezug erklären. Bei „Nine to five“ von Dolly Parton geht es um Gleichberechtigung am Arbeitsplatz.
Auch wenn an diesem Abend ausschließlich Frauen mit ihm auf der Bühne stehen und größtenteils auch im Publikum sitzen, ist diese Veranstaltung ein Heimspiel für Bovenschulte. Seit seiner Jugend spielt der 57-Jährige Gitarre. Beim Musik-Streamingdienst „Spotify“ hat er eine Playlist mit Lieblingsliedern veröffentlicht, die er regelmäßig ergänzt. „Bovis Beats“ heißt sie.
Herausforderung: mehr Kita-Plätze für Bremen
Härter wird das Pflaster für den Zwei-Meter-Mann in der anschließenden Diskussion mit der Bremer Frauenbeauftragten Bettina Wilhelm. 5000 Kita-Plätze fehlen im Stadtstaat kritisiert sie. Die Folge: Vor allem Frauen reduzieren ihre Arbeit, um die Kinder zu betreuen. Andreas Bovenschulte hört zu und nickt mit ernstem Gesicht. „Wir haben nicht die Menschen, um mehr Stellen anbieten zu können“, sagt er. In den vergangenen Jahren habe das Land mehr als 5000 Kita-Plätze geschaffen, doch leben in Bremen heute 15.000 junge Menschen mehr als noch 2015, darunter viele Geflüchtete aus Syrien und der Ukraine. „Wir stellen in den Kitas im Moment so viel ein, wie eben möglich“, versichert Bovenschulte. Es scheitere nicht am Geld, sondern an fehlenden Erzieherinnen und Erziehern. Der Fachkräftemangel macht sich auch hier bemerkbar.
Am Ende der Diskussion soll die Frauenbeauftragte Bovenschultes Senat mit einer Schulnote bewerten. „Eine Zwei bis Drei“, vergibt sie nach kurzem Überlegen. Positiv bewertet sie, dass Bremen als erstes Bundesland einen Aktionsplan gegen häusliche Gewalt beschlossen hat. Auch für die Corona-Politik findet sie lobende Worte: Schulen und Kitas blieben hier länger als in anderen Bundesländern offen. „Vieles ist gut gestartet. Das darf jetzt nicht enden“, findet die Frauenbeauftragte.
Andreas Bovenschulte mit 99,2 Prozent nominiert
Das soll es auch nicht, wenn es nach Andreas Bovenschulte geht. Bereits im September wurde er von der Bremer SPD als Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl am 14. Mai nominiert, mit 99,2 Prozent. Dabei war es fast ein Zufall, dass er vor vier Jahren Regierungschef des kleinsten Bundeslandes wurde: Weil die SPD bei der Wahl nur auf Platz zwei landete, zog der bisherige Bürgermeister Carsten Sieling zurück. Bovenschulte wurde Bürgermeister in einer rot-grün-roten Regierung.
„Das war ein bitteres Ergebnis“, sagt Bovenschulte im Rückblick auf 2019. „Wir werden alles dafür tun, damit so etwas nicht wieder passiert.“ In der jüngsten Umfrage liegt die SPD wieder vor der CDU. Die derzeitige Koalition hat eine stabile Mehrheit. Dennoch sagt Bovenschulte: „Das ist nichts, wo man sich zurücklehnen kann.“ Je näher der Wahltag rücke, desto stärker werde es eine Zuspitzung auf die Frage geben, wer Bremer Bürgermeister werde. Seit dem Zweiten Weltkrieg stellt die SPD in Bremen durchgängig den Regierungschef. Namen wie Wilhelm Kaisen, Hans Koschnick und Henning Scherf kennt in Bremen nahezu jeder.
„Er ist schon eine Art Menschenfänger“
Das „Nachbarschaftshaus Helene Kaisen“ ist nach der Frau des ersten Nachkriegsbürgermeisters benannt. Am Frauentag hat der Verein „Aktive Menschen Bremen“ hierher zu einem Ehrenamtsempfang eingeladen. Er betreibt zwölf Stadtteilzentren im gesamten Stadtgebiet. Bevor es Grünkohl mit Pinkel gibt, verteilt Andreas Bovenschulte Nelken. „Ihr seid unverzichtbar für eine menschliche und lebenswerte Gesellschaft“, lobt der Bürgermeister die Ehrenamtlichen. Neben einem „guten Sozialstaat, der Lebensrisiken absichert“, werde es auch immer Dinge geben, „die kein Staat der Welt organisiere kann“. Deshalb sei ehrenamtliches Engagement so wichtig.
Den Anwesenden tut der Zuspruch sichtlich gut. „Er guckt nicht von oben runter, sondern ist einer, der immer für uns da ist“, sagt der Vorsitzende der „Aktiven Menschen Bremen“ Erich Kruschel über Andreas Bovenschulte. „Er ist schon eine Art Menschenfänger.“ Würde der Bremer Bürgermeister direkt gewählt, würde Bovenschulte wohl jede zweite Stimme bekommen.
Investitionen in die Zukunft Bremens
Eine Rolle dürfte dabei spielen, dass Bremen gut durch die Corona-Zeit gekommen ist. Der Stadtstaat hat nicht nur die beste Impfquote aller Bundesländer. Es ist auch gelungen, die Zahl der Beschäftigten in Bremen und Bremerhaven auszubauen: 2500 Menschen mehr als vor Ausbruch der Corona-Pandemie gehen heute einer Arbeit nach. Daran möchte Andreas Bovenschulte anknüpfen. „Ohne eine starke Wirtschaft und gute Arbeitsplätze gibt es keinen gesellschaftlichen Zusammenhalt“, ist er überzeugt.
Per Nachtragshaushalt hat der Bremer Senat deshalb Anfang des Jahres drei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Damit sollen u. a. Unternehmen dabei unterstützt werden, klimaneutral zu werden. Um Fachkräfte zu gewinnen und weiterzuqualifizieren, stehen 100 Millionen Euro zur Verfügung. Viel Geld für das notorisch klamme Bremen, aus Sicht von Andreas Bovenschulte aber gut investiert. „Wir haben noch nie so viel Geld in die berufliche Qualifizierung gesteckt“, sagt er. „Wir brauchen nicht nur Fachkräfte, wir brauchen gute Fachkräfte.“
Sorge macht ihm deshalb, dass in Bremen nur noch jedes fünfte Unternehmen ausbildet. Die Themen Wirtschaft und Arbeit bilden deshalb auch den Schwerpunkt im Wahlprogramm der Bremer SPD. Die digitale und klimaneutrale Transformation von Bremen und Bremerhaven nennen die Sozialdemokraten als zentrale Aufgabe. Um sie zu erfüllen, sollen Aus- und Weiterbildung von Beschäftigten deutlich ausgebaut werden. Zudem soll die Erwerbstätigkeit von Frauen gesteigert werden.
„Unternehmerischer Spirit“ der alten Hansestadt
„Wer auf die notwendigen Zukunftsinvestitionen verzichtet, der gefährdet nicht nur den industriellen Kern, sondern auch die Zukunft Bremens und Bremerhavens", ist Andreas Bovenschulte überzeugt. Er setzt stattdessen auf den „unternehmerischen Spirit“ der alten Hansestadt. Deren Tradition und moderne Industriepolitik schlössen sich nicht aus, im Gegenteil. „Mein Ziel ist, dass Bremen eine Technologiemetropole des Nordens wird.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.