SPD-Aktionswoche: Warum sich Tür-zu-Tür-Wahlkampf lohnt
Kristina Berthel ist eine Überzeugungsklingelerin. Als Campaignerin für den Wahlkampf des SPD-Bundestagsabgeordneten Carsten Schneider hat sie in den vergangenen Wochen schon an so einigen Haustüren in Erfurt geklingelt. „Die meisten Menschen sind freundlich und interessiert“, ist Berthels Zwischenfazit nach den ersten Tür-zu-Tür-Aktionen ihres Wahlkampfteams. „Das hat mich fast ein bisschen überrascht.“
Im Internet bekomme man schließlich schnell den Eindruck, die meisten Menschen könnten der Politik nichts abgewinnen. „Wenn man sie aber an der Haustür direkt fragt, was ihnen auf dem Herzen liegt und was sie von der SPD halten, hört man häufig, dass sie den Eindruck haben, die SPD würde ihre Interessen gut vertreten.“
Erst überwiegt die Skepsis, dann der Spaß
Etwas Überwindung habe es schon gekostet, an den ersten Türen zu klingeln. Schließlich wisse man nicht, wer einen auf der anderen Seite erwartet. „Am Anfang fühlt man sich noch ein bisschen unsicher“, sagt Berthel, „aber danach wächst die Sicherheit und auch der Spaß“.
„Umfragen zeigen, dass sowohl die, die klingeln als auch die, die die Tür öffnen, zunächst skeptisch sind. Wenn der Kontakt stattgefunden hat, finden es aber meistens beide Seiten gut“, weiß Thorsten Faas. Er ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Mainz und beschäftigt sich mit Tür-zu-Tür-Kampagnen, die in den USA schon lange populär sind.
Mit Tür-zu-Tür-Wahlkampf Menschen mobilisieren
Im Mainzer Kommunalwahlkampf 2014 hat Faas mit seinen Studenten einen Feldversuch gemacht. Sie verteilten Flyer mit dem Aufruf wählen zu gehen – in einem Gebiet anonym in die Briefkästen, in einem anderen über den persönlichen Kontakt an der Haustür. Am Ende lag die Wahlbeteiligung dort, wo die Flyer persönlich übergeben worden waren, um zwei Prozentpunkte höher als im anderen Gebiet. „Auch in Deutschland wirken Tür-zu-Tür-Kampagnen“, lautet Faas’ Fazit. „Man kann damit Menschen mobilisieren.“
Davon ist auch Wahlkämpferin Kristina Berthel in Erfurt überzeugt. „Indem wir von Tür zu Tür ziehen, erreichen wir Menschen, die wir mit einem Infostand oder anderen Formaten nie erreichen würden“, sagt sie. Ein weiterer Vorteil: Der Tür-zu-Tür-Wahlkampf braucht keine große Vorbereitung. „Wir suchen uns ein Gebiet aus, packen unsere Tasche und los geht’s.“
Hilfe vom Mobilisierungsplaner und der App
Welche Gebiete sich besonders lohnen, verrät der „Mobilisierungsplaner“, den das Willy-Brandt-Haus vor einigen Wochen freigeschaltet hat. Dort lässt sich nahezu hausnummergenau feststellen, wo die SPD ein hohes „Mobilisierungspotenzial“ hat. „Wir gehen bewusst in die Gebieten, in denen Menschen wohnen, die vielleicht schon einmal die SPD gewählt haben, diesmal aber bisher noch unentschieden sind“, erzählt Kristina Berthel. Da sich immer Menschen erst kurz vor der Wahl entscheiden, wem sie ihre Stimme geben, lohnt sich dieser Einsatz besonders.
Als weiteres Hilfsmittel stellt das Willy-Brandt-Haus im Bundestagswahlkampf die sogenannte Tür-zu-Tür-App zur Verfügung – eine Internetseite, über die auf dem Smartphone Daten direkt an der Haustür eingetragen und im Anschluss ausgewertet werden können. „Wir nutzen die App bei alle unseren Haustürbesuchen“, erzählt Kristina Berthel. Diese habe gleich mehrere Vorteile: „Zum einen gibt sie den Wahlkämpfern einen Leitfaden fürs Gespräch an der Haustür an die Hand.“ Zum anderen sammele sie Informationen der Befragten. „So erfahren wir, welche Themen die Menschen im Viertel interessieren, was uns ermöglicht, mit Veranstaltungen oder Themenflyern nachzusteuern.“
Ein Online-Paket im Wert von 500 Euro winkt
In der Tür-zu-Tür-Aktionswoche, die der SPD-Parteivorstand gerade gestartet hat, erfüllt die App noch eine andere Aufgabe: Über sie erhält die „Kampa“, die Wahlkampfzentrale im Willy-Brandt-Haus, einen Überblick, welches Wahlkreisteam in der Woche die meisten Türen abgeklappert hat. Ins Verhältnis zur Mitgliederzahl im Wahlkreis gesetzt, werden so am Ende die drei besten Teams ermittelt, die als Belohnung ein Online-Paket im Wert von 500 Euro erhalten.
Der beste Lohn wären aber natürlich möglichst viele Stimmen am Wahltag. Dafür werden Kristina Berthel und ihr 20-köpfiges Team in den kommenden Wochen kämpfen. Während der Tür-zu-Tür-Aktionswoche werden sie an drei Tagen unterwegs sein. „Und ab Juli starten wir dann so richtig durch.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.