So wollen Martin Schulz und Andrea Nahles die Rente sichern
Es ist ein Drahtseilakt. Weil immer weniger Beitragszahler die Bezüge von immer mehr Rentnern finanzieren müssen, gibt es zwei Möglichkeiten: steigende Beiträge zur Rentenversicherung für die Jungen oder sinkende Renten für die Alten. Bis 2030 würden die Beiträge nach dem derzeitigen Gesetz auf 21,8 Prozent (heute 18,7) steigen, das Rentenniveau auf 44,7 Prozent (heute 48,2) sinken.
„Die Menschen sollen sich auf die Rente verlassen können“
„Wir müssen die Beiträge der Jungen und die Ansprüche der Älteren in Balance bringen“, fordert deshalb Martin Schulz. Der Kanzlerkandidat und Vorsitzende der SPD stellt am Mittwoch gemeinsam mit Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles das Rentenkonzept seiner Partei vor. „Neues Vertrauen“ in die gesetzliche Rente zu schaffen ist das Ziel.
„Die SPD will, dass sich die Menschen auf die Rente verlassen können“, sagt Schulz. Eine verlässliche Rente sei „das Kernversprechen einer solidarischen Gesellschaft“. Das Rentenkonzept, das Schulz gemeinsam mit Andrea Nahles entwickelt hat, umfasst vier Punkte:
- Das weitere Absinken des Rentenniveaus soll gestoppt und bis 2030 bei 48 Prozent stabilisiert werden.
- Eine gesetzliche Solidarrente soll Menschen, die mindestens 35 Jahre gearbeitet haben, eine Rente von zehn Prozent „über dem durchschnittlichen Grundsicherungsanspruch am Wohnort“ garantieren.
- Die Beiträge zur Rentenversicherung sollen nicht über 22 Prozent steigen.
- Das Renteneintrittsalter soll nicht über 67 Jahre steigen.
Steuerzuschüsse sollen die Rente stabilisieren
„Wenn wir nichts tun, sinkt die Rente weiter ab“, unterstreicht Andrea Nahles die Dringlichkeit des Handelns. „Wir können uns nicht leisten, dass immer mehr Menschen das Vertrauen in die Rente verlieren.“ Das Konzept der SPD sei „realistisch, seriös durchgerechnet“ und garantiere „Sicherheit für Jung und Alt“.
Um die Mehrkosten von 19,2 Milliarden Euro im Jahr 2030 zu finanzieren, wollen Nahles und Schulz die gesetzliche Rente mit Steuerzuschüssen, einem sogenannten Demografiezuschuss, stabilisieren. Besonders wenn ab 2028 die erste Kohorte der sogenannten Babyboomer in den Ruhestand geht, sei es nötig, „erhebliche Mittel in die Hand“ zu nehmen, so Nahles.
Schulz: CDU fehlt der Mut
Eine weitere Einnahmequelle soll die Einbeziehung von rund drei Millionen Selbstständigen sein, die bisher nicht über ein Versorgungswerk fürs Alter abgesichert sind. Den Entlastungseffekt bei den Beiträgen zur Rentenversicherung beziffert Andrea Nahles auf 0,4 Prozent. Bis 2027 soll die Rentenversicherung so ohne zusätzliche Steuermittel auskommen.
„Die CDU hätten diesen Weg bereits vor Monaten gemeinsam mit uns einschlagen können, aber der Mut hat gefehlt“, stellt Martin Schulz am Mittwoch klar. Im November hatte Andrea Nahles ihre Vorschläge für eine „doppelte Haltelinie“ bei der Rente in den Koalitionsausschuss eingebracht. CDU und CSU hatten jedoch ihre Zustimmung verweigert. „Bei der Union ist nur klar: Es wird im Alter weniger Rente geben“, kritisiert Schulz.
„Neuer Generationenvertrag“ soll Wert der Arbeit schützen
Das Rentenkonzept der SPD geht dagegen deutlich weiter. Neben den Maßnahmen zur Stabilisierung von Beitragssatz und Rentenniveau fordern Schulz und Nahles einen „neuen Generationenvertrag“, der „den Wert der Arbeit und die Würde im Alter sichern“ soll. „Nur wer in Arbeit ist, erhält später eine gute Rente“, sagt Schulz. Mehr Investitionen in Weiterbildung und Qualifizierung, ein höherer Anteil von erwerbstätigen Frauen, ein „Pakt für anständige Löhne“ und ein Zuwanderungsgesetz zur Sicherung des Fachkräftebedarfs sind deshalb auch Teil des Rentenkonzepts.
Nach der Bundestagswahl wollen Schulz und Nahles deshalb „einen Dialog für einen neuen Generationenvertrag starten und ein Reformprogramm auf den Weg bringen, das weit über die Rentepolitik hinaus alle Potenziale für eine Stärkung der gesetzlichen Rente mobilisiert“. „Das ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit“, ist Schulz überzeugt.
Rentenkonzept soll Teil des SPD-Wahlprogramms werden
Ihr Rentenkonzept wollen Schulz und Nahles auf dem außerordentlichen Bundesparteitag der SPD am 25. Juni in Dortmund zur Abstimmung stellen. Es soll Teil des Programms für die Bundestagswahl werden. Eine Rente mit 69, wie sie von Teilen der CDU bereits gefordert wird, wäre bei einer SPD-geführten Bundesregierung damit ausgeschlossen. „Mit mir wird es keine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters geben“, stellt Martin Schulz am Mittwoch auf Nachfrage klar. Oder, wie es Andrea Nahles formuliert: „Wer nicht länger arbeiten will, muss SPD wählen.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.