SPE-Kongress

Sergei Stanishev als SPE-Vorsitzender bestätigt

Kai DoeringKarin Nink08. Dezember 2018
Bleibt Vorsitzender der SPE: Sergei Stanichev
Bleibt Vorsitzender der SPE: Sergei Stanichev
Sergei Stanishev bleibt Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Europas. Der SPE-Kongress in Lissabon bestätigte den 52-jährigen Bulgaren für weitere zwei Jahre im Amt. Stanishev rief dazu auf, Europa gegen seine Feinde zu verteidigen.

Der SPE-Kongress in Lissabon hat Sergei Stanishev als Vorsitzenden bestätigt. Der 52-jährige Bulgare, der der SPE seit 2011 vorsitzt, erhielt 84 Prozent der Stimmen. Als SPE-Generalsekretär wurde der deutsche Bundestagsabgeordnete Achim Post wiedergewählt.

Die historische Verantwortung der Sozialdemokraten

„Wir müssen zeigen, dass sozialdemokratische Parteien das Leben der Menschen verbessern“, hatte Stanishev die Delegierten des SPE-Kongresses zuvor aufgerufen. Bei den Europawahlen im kommenden Jahr gehe es um die Zukunft des Staatenbündnisses. „Unser Europa wird angegriffen – auf der einen Seite von den Rechtspopulisten, auf der anderen von den Arroganten, die die Austeritätspolitik gutheißen“, warnte Stanishev.

Vor 80 Jahren habe Europa in Schutt und Asche gelegen, erinnert er. „Dank eines Traums ist es aus der Asche wieder auferstanden.“ Die Sozialdemokratie habe deshalb „eine historische Verantwortung“. Um Vertrauen zurückzugewinnen, müssten die progressiven Parteien auch Fehler der Vergangenheit eingestehen. „Wir haben zu oft keine Solidarität geschaffen“, zeigte sich Stanishev selbstkritisch.

Historische Wahl im kommenden Jahr

Für die Zukunft komme es darauf an, Löhne und Gehälter anzuheben, internationale Unternehmen stärker zu besteuern, sichere europäische Grenzen zu gewährleisten und den Jugendplan der SPE umzusetzen. „Wir dürfen keine verlorene Generation hinnehmen“, forderte Stanichev.

Von einer „historischen Wahl“ sprach daher auch SPE-Generalsekretär Achim Post in Lissabon. Im Mai gehe es um eine Entscheidung zwischen einem Europa, „das schwach und geteilt oder stark und geeint ist“. Die europäischen Sozialdemokraten würden für mehr Investitionen und mehr Arbeitsplätze kämpfen, versprach Post. „Und wir werden dafür kämpfen, dass Frans Timmermans nächster Präsident der Europäische Kommission wird.“ Die Wahl von Timmermans zum SPE-Spitzenkandidaten ist für Samstag vorgesehen.

Bullmann: SPE muss Mitgliederpartei werden

„Wir werden diese Europawahl nicht in den Fünf-Sterne-Hotels, sondern an den Universitäten und den Arbeitsplätzen gewinnen“, mahnte Udo Bullmann. Der Vorsitzende der S&D-Fraktion im Europaparlament rief dazu auf, die EU neu zu gestalten. Dazu gehöre auch der Migrationspakt der Vereinten Nationen. „Lass ihn uns gegen die Lügen der Rechten verteidigen“, rief er die Delegieren auf.

Auch die SPE müsse sich jedoch verändern. „Um die künftigen Herausforderungen zu meistern, müssen wir die Türen und Fenster öffnen und unsere Strukturen radikal verändern“, forderte Bullmann. „Die SPE muss eine echte Mitgliederpartei werden.“

SPE-Kongress verabschiedet Resolution zur Stärkung der Demokratie

Außerdem beschlossen die Delegierten Resolutionen zu unterschiedliche Themenbereichen. So sprachen sie sich u.a. für „Gesellschaften, in denen alle dieselben Chancen und Rechte haben – für eine stärkere Demokratie in Europa“ aus. In eine Zeit, in der die Demokratie durch radikale Kräfte von innen, aber auch durch Eingriffe bei Wahlen von außen angegriffen werde, „wollen wir unser Bekenntnis erneuern, unser Demokratie-Modell zu schützen“, heißt es in dem Text. „Wir sind fest entschlossen, dieses Modell auf nationaler und europäischer Ebene zu verteidigen und zu verbessern.“

Die SPE nimmt sich dabei selbst nicht aus: Nach den Wahlen zum Europäischen Parlament will die Partei prüfen, „wie wir unsere Rolle als fortschrittlichste und modernste Partei Europas künftig stärken und weiterentwickeln können“, heißt es in dem Papier.

weiterführender Artikel

Kommentare

Die historische Verantwortung der Sozialdemokraten

Wenn das nicht nur eine wohlfeile Worthülse bleiben soll, dann hat die Europäische Sozialdemokratie ab dem 10.12.2018 die große Gelegenheit
das Freihandelsabkommen JEFTA (EU mit Japan) abzulehnen. JEFTA folgt wie die Freihandelsabkommen TTIP und CETA knallhart eindeutig einer Agenda zugunsten der Konzerne. Viele Sonderrechte und keine Pflichten für Unternehmen. Absenkung sozialer und ökologischer Standards sind die
Leitsätze. Auch JEFTA wurde sehr lange und weit überwiegend vorbei an der Öffentlichkeit verhandelt. Der Konzernlobbyismus hatte intensivste Gelegenheit zur Mitwirkung. Umweltschutz-, Verbraucherschutz-organisationen und Gewerkschaften - wenn überhaupt - bestenfalls nur marginal! Die Problematik der Sondergerichtsbarkeit/Paralleljustiz für Konzerne, mit denen diese die Staaten auf 'entgangene Gewinne' verklagen können, wurden nicht Gegenstand dieses Freihandels-abkommens, damit es sich nicht (!) um ein Gemischtes Freihandelsabkommen handelt, dem die EU-Mitgliedsstaaten
zustimmen müssten.Gleichwohl wird diese Sonderschiedsgerichtsbarkeit
nicht (!) aufgegeben, sondern in einem weiteren Abkommen ausgehandelt werden. Damit werden weiter z.B. Erhöhungen des Mindestlohnes

Die historische Verantwortung der Sozialdemokraten II

, verbesserte Umwelt- und Verbraucherschutzbestimmungen in den Mitgliedsstaaten der EU, welche bei den Unternehmen zu erhöhten Kosten und damit zur Reduzierung der Gewinne führen, Gegenstand von Konzernklagen gegen die Staaten sein. Dies ist demokratiewidrig, weil Gemeinwohlinteressen so dem Profitinteresse der Konzerne geopfert werden. Weiteres bedeutendes Einfallstor für Konzernlobbyismus ist die sog. Regulatorische Kooperation. Dieses Konstrukt sieht u.a. einen gemeinsamen Regulierungsrat vor, in dem Standards und Normen gegenseitig anerkannt oder einander angepasst werden, um nichttarifäre
Handelshemmnisse zu beseitigen, was regelmäßig im Ergebnis die Absenkung von Umweltschutz-, Verbraucherschutz- und Arbeitsrechts-standards zur Folge hat. Gegenseitige Anerkennung von Standards führt zu einem Unterbietungswettlauf. Dieser Rat kommentiert und beeinflusst - dirigiert durch an Gewinnmaximierung orientiertem Konzernlobbyismus - die künftige Gesetzgebung, bevor (!) das Europäische Parlament oder die
japanische Nationalversammlung überhaupt diese gestalten können. Zusätzlich wird ein Gemeinsamer Ausschuss gebildet. Dieser hat u.a. das Recht, den Vertragsparteien Ergänzungen

Die historische Verantwortung der Sozialdemokraten III

nach (!) dem Inkrafttreten des Abkommens vorzuschlagen, sowie in bestimmten Regelungsmaterien durch Änderungen, Ergänzungen und Neuinterpretationen von Vertragsbestandteilen anstelle (!) der Vertragsparteien entscheiden zu dürfen. Dies alles entbehrt einer ausreichenden demokratischen Rückbindung wegen mangelhafter Parlamentsbeteiligung und ist daher abzulehnen. Bei JEFTA gilt das Negativlistenprinzip. Es kann alles privatisiert werden und gesetzliche Regeln gelockert werden, in Bereichen, die nicht ausdrücklich ausgenommen sind. Stillstands- und Sperrklinkenklausel: Einmal privatisierte Betriebe können nicht in die Öffentliche Hand zurückgeführt werden. Gefährdung der öffentlichen Wasserversorgung: In JEFTA ist nicht festgehalten, dass Wasser keine Ware ist. Es besteht die begründete Gefahr, dass die öffentliche Wasserversorgung privatisiert werden kann.
Klimawandel wird ignoriert: Konkrete Maßnahmen oder Ziele, die über eine
sehr vage Verpflichtung zur Zusammenarbeit zur Vermeidung des Klimawandels hinausgehen, fehlen in JEFTA. Im Vertragstext heißt es, dass JEFTA die Vertragsparteien nicht davon abhalten sollte, multilaterale
Umweltschutzabkommen umzusetzen.

Die historische Verantwortung der Sozialdemokraten IV

Jedoch nur, wenn dadurch der Handel nicht eingeschränkt oder der Vertragspartner nicht 'diskriminiert' würde. Im Klartext bedeutet dies: Klimaschutz nur insoweit, als die Interessen des marktextremistischen Kapitalismus nicht eingeschränkt werden! Auch in JEFTA fehlt es wie in CETA (Freihandelsabkommen EU / Kanada) an konkreten durchsetzungsfähigen, strafbewehrten Verpflichtungen in Bezug auf Umwelt, nachhaltige Entwicklung, Arbeitnehmerrechte. Arbeitnehmerrechte
sind durch JEFTA gefährdet. Japan hat zwei der acht Kernarbeitsnormen
der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) bisher nicht real umgesetzt. Und zwar das Verbot von Zwangsarbeit und das Verbot der Nichtdiskriminierung in Beschäftigung und Beruf. Und das, obwohl Japan eine hochindustrialisierte Nation ist! Wenn man dies alles weiß und nüchtern bedenkt, ist es in keinster Weise nachvollziehbar, dass Sozialdemokraten überhaupt ernsthaft erwägen könnten einem solchen Freihandelsabkommen die Zustimmung zu erteilen. Die europäische Sozialdemokratie - und vor allem die deutsche - muss bei JEFTA und auch sonst zeigen, dass sie wahrhaft sozialdemokratisch ist!

Helmut Gelhardt, Sprecher der KAB Trier in Freihandelssachen