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Seeheimer Kreis fordert: Spitzensteuer rauf, Tariflöhne auch

Wohlstand sichern, Wandel gestalten, Sozialstaat ausbauen – mit klassischen Stichworten formuliert der Seeheimer Kreis Eckpunkte für ein Wahlprogramm der SPD. Bei Steuern und Abgaben werden sie sehr konkret.
von Benedikt Dittrich · 23. September 2020
Der Seeheimer Kreis in der SPD fordert einen höheren Spitzensteuersatz und höhere Gehälter für niedrige und mittlere Einkommen.
Der Seeheimer Kreis in der SPD fordert einen höheren Spitzensteuersatz und höhere Gehälter für niedrige und mittlere Einkommen.

Der Seeheimer Kreis setzt in seinem neuen Positionspapier auf Umverteilung. Egal, ob es um soziale Transferleistungen, Steuererleichterungen für geringe Einkommen oder zusätzliche Belastungen für Spitzenverdiener*innen geht: Die Genoss*innen sprechen sich klar dafür aus, verstärkt gegen Schieflagen bei Einkommen und Chancen in der Gesellschaft zu kämpfen.

Bereits erkämpfte Instrumente wie den flächdeckenden Mindestlohn und die jüngst erstrittene Grundrente bewerten sie zwar als gute Errungenschaften, „doch das reicht uns nicht und geht uns zu langsam!“, formulieren die Seeheimer*innen selbstbewusst und definieren damit, warum die Arbeit der SPD in der großen Koalition zwar gut, aber nicht ausreichend ist. „Wir werden als Gesellschaft nur stärker, wenn wir wir unsere Schwachen unterstützen.“ Außerdem bremse hohe soziale Ungleichheit das Wirtschaftswachstum aus, das sei bewiesen.

Höhere Spitzensteuer statt Soli

Um die Schwachen zu stären, sollen die Einkommenssteuersätze reformiert werden. Die erste Veränderung klingt dabei zunächst nach einer Steuerentlastung: Der aktuell gültige Spitzensteuersatz von 42 Prozent soll künftig erst ab einem Jahreseinkommen von 90.000 Euro greifen und nicht, wie aktuell, schon ab 56.000 Euro. Dafür werden aber diejenigen, die noch wesentlich mehr verdienen, zusätzlich zur Kasse gebeten werden: Ab einem Einkommen von 125.000 Euro sollen 45 Prozent versteuert werden müssen, ab einer Viertelmillion Euro Jahreseinkommen sollen 49 Prozent Einkommenssteuer fällig weden.

Im Gegenzug soll der Solidaritätszuschläg vollständig abgeschafft werden. Bislang will die große Koalition ihn für Höchstverdiener*innen beibahlten. Ebenso soll die Erbschaftssteuer einheitlich geregelt werden, ohne dass Kinder das Haus ihrer Eltern verkaufen müssen oder Familienunternehmen in Zahlungsschwierigkeiten geraten, wenn sie die Steuer entrichten. Erbschaften sollen oberhalb von einer Million Euro besteuert werden, die Seeheimer schlagen ab dieser Grenze einen Satz von zehn Prozent vor.

Schulterschluss mit den Gewerkschaften

Doch auch bei der Primärverteilung, also bei Einkommen und Gehältern, wollen die Sozialdemokrat*innen deutlich mehr erreichen als derzeit in der großen Koalition umgesetzt werden konnte. In dem 17 Seiten starken Forderungskatalog spricht sich der Seeheimer Kreis für den Schulterschluss mit den Gewerkschaften aus, um neue Antworten auf die veränderte Arbeitswelt geben zu können. Beim Strukturwandel in der Energiepolitik und in der Automobilindustrie sollen einerseits Unternehmen und Wirtschaftszweige unterstützt werden, andererseits aber nicht zulasten der Beschäftigten: „Es muss der Anspruch der SPD sein, wirtschaftliche Vernunft und sozialen Ausgleich zusammenzudenken“, fordern die Seeheimer.

So sollen beispielsweise Start-ups besser gefördert werden, gleichzeitig aber steuerliche Anreize für mehr Mitarbeiterbeteiligung geschaffen werden und in Bereichen wie der Lebensmittelindustrie flächendeckende Tarifverträge durchgesetzt und gleichzeitig der Arbeitsschutz besser überwacht werden, „damit sich Zustände wie in der Fleischindustrie nicht wiederholen“. Ein Aspekt der mit Blick auf die aktuellen Durchsuchungen des Zolls aktueller nicht sein könnte.

Tariflöhne für systemrelevanten Gesundheitssektor

Gleiches gilt auch für den Gesundheitssektor, für den die Seeheimer tarifgebundene Löhne fordern, für die sich vor allem gemeinnützige Träger schon seit Jahren einsetzen. Um die daraus resultierenden steigenden Kosten wieder aufzufangen, soll eine Bürgerversicherung eingeführt werden. „Uns allen muss klar sein, dass das auch mehr für jeden und jede kostet“, sagen die Seeheimer*innen, ergänzt um eine Seitenhieb auf die Fehlentwicklungen in der Branche: „Wir müssen weg von der Ökonomisierung am Bett, wenn wir unseren öffentlichen Gesundheitsdienst stärken wollen.“ Eine bessere Bezahlung sei nicht zuletzt entscheidend, um die Attraktivität der Pflegeberufe zu erhöhen.

Das Papier wollen die Seeheimer als Beitrag zur Debatte über das kommende Bundestagswahlprogramm verstanden wissen. Es soll auf einem Parteitag im März 2021 beschlossen werden.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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