Scholz und Faeser in Hessen: Weil 24 Jahre Warten genug ist
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Es ist ein volles Programm, das Bundeskanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser, die zugleich Spitzenkandidatin der hessischen SPD für die Landtagswahl am 8. Oktober ist, an diesem Freitag absolvieren: Wiesbaden, Frankfurt, noch mal in die Landeshauptstadt, dann nach Mühlheim am Main und zum Abschluss wieder nach Frankfurt. Dort treffen Faeser und Scholz im Gewerkschaftshaus nahe des Hauptbahnhofes Bürger*innen zum Gespräch. Und die Nachfrage ist riesig, wenige Tage vor der Veranstaltung stand noch eine dreistellige Anzahl von Menschen auf der Warteliste.
„Die zukünftige Ministerpräsidentin dieses Landes“
Der Moderator und hiesige SPD-Bundestagsabgeordnete Armand Zorn begrüßt Faeser als „die zukünftige Ministerpräsidentin dieses Landes“ im „schönsten Wahlkreis Deutschlands“. Faeser, ganz Wahlkämpferin und Lokalpatriotin, widerspricht sofort: „Nein, der Main-Taunus-Kreis ist natürlich der schönste Landkreis, aber wir sind hier wirklich in einer sehr schönen Region“, bekundet sie lachend. Eine Formulierung, auf die sich beide gut einigen können.
Doch nicht die gesamte gut einstündige Veranstaltung verläuft so fröhlich. Es geht auch um ernste Themen wie zum Beispiel die Ungerechtigkeit im Bildungssystem. „Wie in keinem anderen Bundesland hängt der Bildungserfolg in Hessen vom Geldbeutel der Eltern ab. Das muss aufhören, denn auch das ist eine Frage des Respekts“, fordert Faeser, die damit den zentralen Begriff aus Olaf Scholz' erfolgreichem Bundestagswahlkampf aufgreift. Dieser macht erneut deutlich: „Manche überschätzen, was sie selbst geleistet haben, und unterschätzen, dass sie die richtigen Rahmenbedingungen und das richtige Elternhaus hatten. Alle verdienen die gleiche Anerkennung und den gleichen Respekt.“
Scholz: „Ich finde es richtig, dass Respekt auch in eurem Wahlkampf ein zentrales Thema ist“
Der Bundeskanzler fügt an: „Deswegen bin ich dankbar und finde es richtig, dass Respekt auch in eurem Wahlkampf ein zentrales Thema ist. Das ist das, was die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes interessiert.“ Dazu zähle auch innerhalb eines Unternehmens der Respekt gegenüber Mitarbeiter*innen. „Man muss schon nett sein zu denjenigen, die all das leisten“, sagt Scholz angesichts des Fachkräftemangels, der das Land in den kommenden 10, 15 oder 20 Jahren noch weiter begleiten werde. Die Perspektive derjenigen, die arbeiten, bekomme dadurch wieder mehr Bedeutung, sagt er.
Passend dazu läuft der Wahlkampf der hessischen SPD in diesem Jahr unter dem Slogan „Die besten Kräfte für Hessen“. Ausreichend Pflegekräfte, Lehrer*innen, Erzieher*innen und Ärzt*innen – „das sind die wichtigsten Rahmenbedingungen, dass unsere Kinder eine gute Zukunft haben“, sagt Faeser. Allein in den kommenden Jahren fehlten in Hessen aber bis zu 25.000 Erzieher*innen. Dabei sei ein entsprechendes Betreuungsangebot auch die Grundlage dafür, um mehr Frauen Vollzeitbeschäftigungen zu ermöglichen.
Damit Hessen ein starkes Bundesland bleibt
Seit 1999 regiert die CDU in Hessen, inzwischen fast 25 Jahre lang. Nach dem Willen von Nancy Faeser und der SPD soll nach dem 8. Oktober damit Schluss sein: „Wir treten dafür an, um die Zukunft in Hessen zu gestalten. Denn es gibt nach jahrelangem Stillstand auf nahezu jedem Politikfeld ganz viel zu gestalten“, sagt sie. Hessen sei ein starkes Bundesland. Doch dass das so bleibe, sei nicht selbstverständlich. „Wir wollen, dass die Hessinnen und Hessen auch in Zukunft einen Arbeitsplatz haben, der vorhanden ist und der ihnen gute Arbeitsbedingungen bietet“, sagt Faeser.
Worte, die im Gewerkschaftshaus mit vielen Betriebsrät*innen und Gewerkschafter*innen im Publikum großen Anklang findet. Hessen solle ein starker Dienstleistungs- und Industriestandort bleiben, der so gestaltet werden müsse, „dass alle eine gute, faire Arbeit hier vor Ort finden“.
Faeser: „24 Jahre und acht Monate zugeguckt“
Faeser bedankt sich auf der Bühne bei Olaf Scholz, dass er ihr das Amt als Bundesinnenministerin angeboten habe. Das übe sie sehr gerne aus, aber noch lieber wolle sie Ministerpräsidentin werden. Denn: „24 Jahre und acht Monate lang habe ich zugeguckt, wie die Zukunft dieses Landes verspielt wird. Das will ich ändern und endlich gestalten. Deswegen trete ich an, um Ministerpräsidentin dieses Bundeslandes zu werden.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo