Rundfunkgebühr: CDU wechselt für 86 Cent ins Lager der AfD
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Am Ende ist es wie so oft so einfach. Es geht um 86 Cent, statt 17,50 sollen künftig 18,36 Euro Rundfunkgebühren gezahlt werden von jedem Haushalt. Darauf haben sich die Bundesländer bereits im Juni 2020 geeinigt – und folgen damit dem Vorschlag der unabhängigen Kommission, die den Finanzbedarf der Rundfunkanstalten berechnet, der Kef. Das entspricht zehn Euro mehr pro Haushalt pro Jahr.
Diese zehn Euro sind der CDU in Sachsen-Anhalt zu viel und im Landtag droht nun der Boykott. Das Schlimme daran ist: Eigentlich geht es gar nicht um das Geld. Es geht auch nicht um diejenigen, für die auch zehn Euro im Jahr schon viel Geld sind. Sondern es geht aus Sicht der CDU um grundsätzliche Kritik an den öffentlich-rechtlichen Medien, um den Vorwurf, Medien wie MDR, NDR oder SWR sollten einfach mehr sparen. Was die Union allerdings – mal wieder – übersieht, ist der politische Flurschaden, den sie damit – mal wieder – anrichtet.
CDU unterwegs im trüben Fahrwasser der AfD
Denn in dieser Kritik schwingt seit jeher das Märchen der Systemmedien mit. Es gibt in diesem Spektrum Menschen, die die Rundfunkgebühr als Zwangsgebühr bezeichnen, die Journalist*innen der öffentlich-rechtlichen Medien als regierungstreue Hofberichterstatter*innen verunglimpfen und die den Nazi-Begriff „Lügenpresse“ nur all zu gern verwenden. In dieses Fahrwasser begeben sich die Konservativen aus Sachsen-Anhalt, wenn sie nun im Landtag die Abstimmung kippen wollen. Allein mit der Ankündigung sitzen sie – mal wieder – gefährlich nah an der AfD.
Wer glaubt, dass in diesem Fahrwasser vernünftige, ja, sinnvolle Kritik an den öffentlich-rechtlichen Medien geübt werden könne, der irrt. Stattdessen gibt eine konservative Landtagsfraktion Wasser auf die Mühlen derjenigen, denen überhaupt nichts an unabhängiger, kritischer und umfassender Berichterstattung gelegen ist. Die kritische Berichte lieber niederbrüllen, statt mit Journalist*innen zu sprechen. Die auf Demonstrationen über eine angebliche Meinungsdiktatur schimpfen, während sie von Kameras und Mikrofonen aufgenommen werden, auf denen ZDF, ARD oder Deutschlandfunk steht. Und die später in der Tagesschau zu sehen oder im Radio zu hören sind.
Auch AfD-Abgeordnete gehören in diese Gemengelage, denen die CDU so eine gewisse Legitimation zubilligt. Wenn schon die Konservativen gegen die Erhöhung der Rundfunkgebühr sind, dann könnte auch an der inhaltlichen Kritik ja schließlich was dran sein. Das ist der gefährliche Trugschluss, der viel weiter reicht als der Streit um die 86 Cent pro Monat.
Ein Loch in der Mauer gegen rechts
86 Cent, für die die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt den Koalitionsfrieden mit SPD und Grünen aufs Spiel setzt. Bildlich gesprochen: Die Union in dem ostdeutschen Bundesland schlägt gerade einen Stein aus der Brandmauer gegen die AfD und trägt ihn auf die andere Seite, die falsche Seite. Denn eigentlich sollten alle demokratischen Parteien gemeinsam alles dafür tun, die Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland zu sichern. Grundrechte, die in Gefahr geraten, wenn die großen Medien, die immer noch ein Millionenpublikum erreichen, nicht mehr finanziell abgesichert sind.
Dass das über den freien Markt immer schwerer wird, zeigen die Kürzungsmaßnahmen der großen Verlagshäuser. Es ist eine sich verstärkende Abwärtsspirale aus sinkender Auflage und Sparmaßnahmen, die irgendwann zu Abstrichen bei der Qualität der Berichterstattung und im schlimmsten Fall in die Abhängigkeit von Anzeigen oder zweifelhafteren Finanzierungsmodellen führt. Qualitätsjournalismus allein ist kein Produkt mehr, das noch viel Gewinn abwirft, für die Demokratie aber essentiell ist. Denn nur wenn es gesicherte Fakten und seriöse, unabhängige Nachrichtenquellen gibt, denen eine Mehrheit der Menschen das Vertrauen schenkt, nur dann sind konstruktive Debatten und Meinungsbildung möglich. Darauf kann die Demokratie nicht verzichten.
Die Entwicklung auf dem freien Markt können die Parteien nur schwer beeinflussen. Aber sie können in Deutschland dafür sorgen, dass sich ähnliche Entwicklungen nicht bei ARD, ZDF und co. verstärken. Darauf sollte sich die CDU in Sachsen-Anhalt besinnen, statt im trüben Wasser der Kritiker*innen mitzuschwimmen. Denn am Ende liegt es auch im Interesse der CDU, dass in den anstehenden Wahlkämpfen finanziell abgesicherte und damit unabhängige Medien mit seriöser Berichterstattung die Lügen und Desinformationskampagnen entlarven, die unsere Demokratie gefährden.
Und dafür sind 86 Cent ein sehr kleiner Preis.