Rudolf Hilferding: „Vorwärts“-Chefredakteur und Reichsfinanzminister
picture alliance / ullstein bild
Was für eine Parteikarriere: Nach der Promotion zum Dr. med. und seiner kurzfristigen Arbeit als Kinderarzt lehrte der am 10. August 1877 in Wien geborene Rudolf Hilferding 1906/07 an der Parteischule der SPD in Berlin. Von da an arbeitete er bis zu seinem Einsatz im Ersten Weltkrieg für den „Vorwärts“. Seine Tätigkeit für die Parteizeitung lässt sich besonders an Hand seines leidenschaftlichen Engagements in der Auseinandersetzung mit dem Parteivorstand belegen. Während der sich mit fortlaufender Kriegsdauer verschärfender Zensur näherte sich Hilferding als führendes Redaktionsmitglied mehr und mehr der links-zentristischen Minderheit in der Reichstagsfraktion an.
Auseinandersetzungen mit dem SPD-Vorstand
Hilferding beteuert stellvertretend für alle Redakteure des „Vorwärts“: „Wir dürfen nicht schreiben, wie wir wollen, aber anders schreiben können wir nicht.“ Der Parteivorstand wurde durch die redaktionelle Haltung mehrfach in arge Bedrängnis gebracht. So musste er beim Reichsinnenministerium um die Freigabe verbotener Ausgaben bitten und für die Zukunft Besserung geloben.
Hilferding setzte sich in den Sitzungen des Parteivorstandes leidenschaftlich für den „Vorwärts“ ein. So forderte er die uneingeschränkte Unterstützung der Parteiführung für die regierungskritischen Artikel im August 1914. Die Zukunft der sozialdemokratischen Bewegung stehe auf dem Spiel, so die Meinung der Redaktion. Die Parteiführung sah keine Chance, Hilferding und seine Kollegen zu disziplinieren, da sie Gegenreaktionen aus der Parteibasis fürchteten.
Hilferdings Erfahrungens als Feldarzt in der österreichisch-ungarischen Armee unterstrichen seine generelle anti-militaristische Grundhaltung und veranlassten ihn, ab 1917 für die USPD zu kämpfen. Von 1918 bis 1923 war Hilferding Chefredakteur des „Vorwärts“-Konkurrenzblattes „Die Freiheit“, der Zeitung der Unabhängigen SPD.
Einmal USPD und zurück
Nach der von ihm unterstützten Wiederangliederung an die MSPD begann für Rudolf Hilferdings die politische Karriere. Im Kabinett Stresemann übernahm er für kurze Zeit das Amt des Reichsfinanzministers. Von 1924 bis 1933 saß er als Abgeordneter im Reichstag. Unter Reichskanzler Hermann Müller (SPD) wurde er abermals zum Reichsfinanzminister berufen, musste aber in Folge des Schwarzen Freitags – des Börsencrashs in New York – zurücktreten.
Nach seiner Ausbürgerung durch die Nazis 1933, floh Hilferding über Zürich nach Frankreich. Als Mitglied des Exilparteivorstandes war er weiterhin am Kampf gegen den Nationalsozialismus beteiligt. Nach der Besetzung Frankreichs wurde Hilferding in Marseille festgenommen und starb am 11. Februar 1941 im Gestapogefägnis Le Santè in Paris unter ungeklärten Umständen.