Parteileben

Rolf Mützenich: Ein Abrüstungspolitiker als Interims-Fraktionschef

Nach dem Rücktritt von Andrea Nahles führt Rolf Mützenich die SPD-Bundestagsfraktion kommissarisch bis September. Der 59-jährige Außenpolitiker sucht nicht die Öffentlichkeit, hat im Hintergrund aber bereits Wegweisendes durchgesetzt.
von Kai Doering · 3. Juni 2019
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„Rolf wer?“, fragten viele als am Sonntagnachmittag der Name der Person bekannt wurde, die nach dem Rücktritt von Andrea Nahles die SPD-Bundestagsfraktion kommissarisch führen soll. Tatsächlich ist Rolf Mützenich niemand, der die Öffentlichkeit von sich aus sucht. Einen Twitter-Account etwa, wie er bei vielen Politikern inzwischen Mode ist, hat er nicht. Ein Unbekannter ist der Kölner Bundestagsabgeordnete im politischen Berlin aber keinesfalls.

Seit 2002 mit Direktmandat im Bundestag

Seit 2002 vertritt der 59-Jährige den Wahlkreis „Köln III“, der die Stadtteile Ehrenfeld, Nippes und Chorweiler umfasst, für die SPD im Bundestag. Bei jeder Wahl holte er das Direktmandat – zuletzt 2017 mit 32,3 Prozent Stimmenanteil. Am Sonntag gab er seiner Heimatzeitung, dem „Kölner Stadtanzeiger“, ein Interview, in dem Mützenich erklärte, dass er „kommissarisch und geschäftsführend“ die Führung der Fraktion übernehmen werde bis eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger für Andrea Nahles gefunden sei.

Als dienstältestes Mitglied im Fraktionsvorstand – Mützenich ist seit Dezember 2013 stellvertretender Vorsitzender für den Bereich Außen-, Verteidigungs- und Menschenrechtspolitik – ist das kein ungewöhnlicher Vorgang. Hinzu kommt, dass Rolf Mützenich, obwohl er Mitglied der „Parlamentarischen Linken“ ist, von allen Gruppen innerhalb der Fraktion geachtet ist.

Von der Hauptschule zum Doktortitel

Unter den Abgeordneten gilt Mützenich als uneigennütziger Arbeiter. „Über Einkünfte aus Nebentätigkeiten oder als Lobbyist verfüge ich nicht. Mein Mandat steht für mich im Mittelpunkt meiner Arbeit“, schreibt Rolf Mützenich auf seiner Internetseite. Seine Biografie ist klassisch sozialdemokratisch. Aufgewachsen in einem Kölner Arbeiterhaushalt arbeitete sich Mützenich nach oben. Nach dem Hauptschulabschluss wechselte er aufs Gymnasium, nach dem Abitur studierte der Politikwissenschaft, Geschichte und Wirtschaftswissenschaft, promovierte schließlich über „Atomwaffenfreie Zonen und internationale Politik“.

Das Thema prägt auch seine politische Arbeit. Als außenpolitischer Sprecher bestimmte er zwischen 2009 und 2013 die Linie der SPD-Bundestagsfraktion in diesem Bereich mit und setzt das als stellvertretender Vorsitzender fort. Zuletzt kämpfte er für eine Verlängerung des Exportstopps von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien und setzte schließlich in der großen Koalition durch, dass keine deutschen Waffen in Länder exportiert werden, die an einem Krieg im Jemen beteiligt sind.

Willy Brandt als Vorbild

Zurzeit treibt Rolf Mützenich die Kündigung des Iran-Abkommens durch die USA und das drohende Ende des INF-Abrüstungsvertrags um. Es drohe „ein völliger Zusammenbruch der internationalen Rüstungskontrollarchitektur mit unabsehbaren Folgen für die globale Sicherheit“, schrieb er im März in einem Beitrag auf vorwärts.de. Darin erinnerte Mützenich auch an die Ostpolitik von Willy Brandt und Egon Bahr, die ein Vorbild sein könne. „Auch heute braucht die deutsche und europäische Außenpolitik einen solchen langfristig angelegten ebenso klaren wie pragmatischen Kurs für Rüstungskontrolle, Abrüstung und Entspannung.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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