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Rente mit 63: So eine Biografie schafft nicht jeder

Nach 45 Beitragsjahren können Beschäftigte ab Juli bereits mit 63 Jahren in Rente gehen – abschlagsfrei. Für 200 000 Menschen greift die Neuregelung schon in diesem Jahr. Wir zeigen zwei Beispiele.
von Vera Rosigkeit · 19. Mai 2014
Nach mehr als 47 Arbeitsjahren ist es genug, sagt Claudia Forster.
Nach mehr als 47 Arbeitsjahren ist es genug, sagt Claudia Forster.

Am 1. Juli 2014 soll das Gesetz in Kraft treten. Dann können langjährig Versicherte mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. Voraussetzung: Sie müssen mindestens 45 Jahre gearbeitet haben und vor dem 1. Januar 1953 geboren sein. Für alle, die nach dem 1. Januar 1953 geboren sind, steigt die Altersgrenze mit jedem Jahrgang um zwei Monate.

„Die Menschen haben sich das verdient. Es ist eine Wertschätzung für die Leistung, die sie durch Arbeit erbracht haben“, verteidigt Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles ihre Pläne gegen anhaltende Kritik.

Weil auch Zeiten von Arbeitslosigkeit anerkannt werden, drohe die Gefahr einer möglichen Frühverrentungswelle, so der Einwand. Danach könnten sich Beschäftigte schon mit 61 arbeitslos melden, um dann zwei Jahre später beinahe abschlagsfrei in Rente zu gehen. Nahles hält die Gefahr für gering , möchte aber auch nicht, „dass die Rente mit 63 ausgenutzt wird“. Mit der Union will sie Lösungen für dieses Problem finden. Dabei sieht sie aber nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Arbeitgeber in der Verantwortung: „Es muss unattraktiv werden für beide Seiten.“

200 000 Menschen könnten in diesem Jahr von der Regelung profitieren, davon rund ein Viertel Frauen. Die Rente mit 63 ist Teil eines Rentenpaketes mit verbesserten Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Mehr Rente erhalten danach Mütter, die ihre Kinder vor 1992 bekommen haben und Erwerbsgeminderte durch eine Verlängerung der Zurechnungszeit. Zudem soll mehr Geld in Reha-Leisutngen fließen. Davon können alle Versicherten profitieren.

Ernst Lukowski (62): Mehr Zeit für die Kollegen

„So eine Biografie schafft nicht jeder“, sagt Ernst Lukowski stolz. Im Mai 2015 wird der gelernte Maler und Lackierer 63 Jahre alt. Im gleichen Jahr will er am 1. Juli nach 48 Arbeitsjahren in Rente gehen.

14 Jahre war er alt, als er 1966 nach acht Hauptschuljahren in die Lehre ging. Seither arbeitet der gebürtige Heidenheimer in seinem Beruf auf verschiedenen Baustellen. Bei Wind und Wetter. Sein Normalarbeitstag: Von 7 bis 16 Uhr. „Das geht in die Knochen“, sagt Lukowski. Auch der Rücken schmerzt. Und dann hatte er 1989 diesen Arbeitsunfall. „Da bin ich vom Gerüst gestürzt.“ Seitdem fällt es Lukowski schwer, Leitern rauf und runter zu steigen.

Zeiten der Arbeitslosigkeit hatte er kaum. „Schlechtwetterkündigung“ heißt die Regelung im Maler- und Lackiererhandwerk. Nach § 46 Rahmentarif kann der Arbeitgeber seine Mitarbeiter in der Zeit vom 15. November bis 15. März „in Schlechtwetter schicken“, vorausgesetzt er stellt sie binnen einer Frist von vier Monaten wieder ein, erklärt der engagierte Gewerkschaftsfunktionär. In diesem Zeitraum erhalten die Beschäftigten Arbeitslosengeld. „Bei mir war das selten der Fall“, sagt Lukowski und ergänzt: „Dafür habe ich auch jetzt schon mehr als 45 Beitragsjahre zusammen.“

Die Kritk an der abschlagsfreien Rente mit 63 ärgert ihn. Schließlich habe er sich das erarbeitet. Anders sei es bei der Mütterrente, sagt Lukowski. Die sollte seiner Meinung nach steuerfinanziert werden.

Angst vor dem Renteneintritt hat er keine. Als Mitglied des Berliner Bezirksvorstandes der IG Bau und stellvertretender Vorsitzender der Fachgruppe Maler und Lackierer freut er sich darauf, mehr Zeit zu haben. „Dann kann ich noch mehr für die Kollegen machen“, sagt Lukowski, der auch im Arbeitskreis Arbeits- und Gesundheitsschutz seiner Gewerkschaft aktiv ist. Außerdem ist er Mitglied der Vollversammlung der Berliner Handwerkskammer, die zu zwei Dritteln aus Arbeitgebern und zu einem Drittel aus Arbeitnehmern besteht. Beim Berliner Arbeitsgericht ist er zudem als ehrenamtlicher Richter tätig. „Das sind noch mal fünf Jobs nebenbei“, sagt Lukowski. Langeweile kommt da nicht auf. „Seit kurzem bin ich auch noch Opa.“

Claudia Forster (63): Zwei Nächte überlegt

Im April hat sie den Aufhebungsvertrag mit ihrem Arbeitgeber unterschrieben. Claudia Forster wird zum 1. August 2014 mit 63 Jahren in Rente gehen. „Auch wenn das Gesetz nicht so kommen sollte, wie geplant, mein Entschluss steht fest“, ist sich Forster sicher. „Zur Not gehe ich auch mit 6,3 Prozent Abzügen in die Rente“, erklärt sie.

Claudia Forster freut sich auf die Zeit, wo sie „endlich mal alles etwas ruhiger angehen kann, nicht immer alles auf das Wochenende verschieben muss“, sagt sie. Denn nach mehr als 47 Arbeitsjahren ist es genug. „Ich habe ja fast mein ganzes Leben hier verbracht“, erklärt sie. Kürzlich habe sie in ihre Personalakte geschaut. Am 1. 12. 1966 startete sie mit 15 Jahren ihre Ausbildung. „Damals hieß das noch Industriekaufmann. Mein Vater musste meinem Arbeitsvertrag zustimmen, weil ich noch nicht volljährig war.“ Seit dieser Zeit arbeitet sie bei der Salzgitter Flachstahl GmbH. Immer in Vollzeit. Ohne Unterbrechung.

Mit fünf Frauen haben sie damals angefangen, erzählt sie. Dann kam für die meisten Ehe und Familiengründung. „Nur meine Freundin und ich haben das bis zum Schluss durchgezogen.“ Die Freundin arbeite inzwischen in Altersteilzeit. Das hätte sie auch gerne gemacht. Doch wäre ich mit 60 in Teilzeit gegangen, hätte ich 1000 Euro weniger verdient. „Aber ich bin alleinstehend. Das kann ich mir nicht leisten.“

Ihr Arbeitgeber habe sie in ihrer Entscheidung unterstützt, denn das Unternehmen befindet sich in einem Umstrukturierungsprozess, erzählt sie weiter. „Ich habe gezögert, mir zwei Tage Bedenkzeit gegeben und die Nächte nicht geschlafen. Man denkt ja unwillkürlich darüber nach, dass jetzt der letzte Lebensabschnitt beginnt.“ Doch nun bleibe ihr genug Zeit für die Übergabe und sie kann die Kollegen einarbeiten.

„Das fühlt sich gut an“, sagt sie. Finanziell wird es reichen. Zusammen mit der Werksrente komme sie hin. „Ich verreise gerne“, sagt sie. „Und ich möchte mein Englisch verbessern.“ Und dann ist da noch das Haus, der Garten und der Chor. „Ich singe gerne, sagt sie, „das ist gut für die Seele.“
 

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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