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Reise nach Kiew: Warum Klingbeil und Mützenich die Ukraine besuchten

Kai Doering06. März 2023
Das Bild der Zerstörung: Kiews Bürgermeister Wladimir Klitschko zeigt Lars Klingbeil und Rolf Mützenich, wo der Krieg in der Stadt seine Spuren hinterlassen hat.
Das Bild der Zerstörung: Kiews Bürgermeister Wladimir Klitschko zeigt Lars Klingbeil und Rolf Mützenich, wo der Krieg in der Stadt seine Spuren hinterlassen hat.
Am Montag sind Lars Klingbeil und Rolf Mützenich nach Kiew gereist. In der ukrainischen Hauptstadt unterstrichen der SPD-Chef sowie der Fraktionsvorsitzende, worauf es für das kriegsgebeutelte Land künftig besonders ankommt.

Es ist noch nicht richtig hell als Lars Klingbeil und Rolf Mützenich in Kiew aus dem Zug steigen. Auf ihrem Weg über den Bahnsteig tanzen ein paar Schneeflocken durch die Luft. So ist es in einem Video zu sehen, das ein mitgereister Journalist wenig später auf Twitter hochlädt. Zehn Stunden haben die beiden SPD-Politiker im Zug gesessen. Von Polen aus sind sie in die Hauptstadt der Ukraine gereist. Es ist der erste Besuch des SPD- sowie des SPD-Fraktionsvorsitzenden seit Russland vor etwas über einem Jahr die Ukraine überfiel.

„Der einzige Weg für ein sicheres Europa ist ein Sieg der Ukraine.“

Dass Klingbeil und Mützenich in die Ukraine reisen würden, war vorab nur wenigen bekannt. Nur eine kleine Gruppe begleitet die beiden SPD-Politiker, auch eine Handvoll Journalist*innen ist dabei. Eingeladen wurden sie vom ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba und Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk. Einen Tag verbringen Klingbeil und Mützenich in der ukrainischen Hauptstadt, treffen Vertreter*innen von Regierung und Parlament sowie aus der Zivilgesellschaft. Kiews Bürgermeister Wladimir Klitschko zeigen ihnen die Zerstörungen in der Stadt.

Am Nachmittag treten Klingbeil und Mützenich gemeinsam mit Außenminister Kuleba vor die Presse. Dieser dankt den beiden für ihr Kommen und betont: „Europa und besonders Deutschland werden kein sicherer Ort sein, wenn die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnt.“ Der „einzige Weg für ein sicheres Europa“ sei ein Sieg der Ukraine. „Ich bin mir sicher, dass unsere deutschen Partner das verstehen.“

„Deutschland unterstützt die Ukraine von Tag eins an.“

„Die Ukraine kämpft auch für unsere europäischen Werte“, betont SPD-Chef Lars Klingbeil. „Deshalb muss der Beitrittsprozess jetzt politisch begleitet werden.“ Auf Betreiben von Bundeskanzler Olaf Scholz war der Ukraine im vergangenen Jahr der Kandidatenstatus für die EU-Mitgliedschaft verliehen worden. „Deutschland unterstützt die Ukraine von Tag eins an“, betont Klingbeil. Das werde im Land auch gesehen. Er und Mützenich seien auch deshalb in die Ukraine gereist, „um das politische Signal zu senden, dass unsere Unterstützung weitergeht“

Auf Nachfrage teilt Klingbeil mit, dass die angekündigten Leopard-Panzer „noch im März“ an die Ukraine übergeben würden. Zurzeit finde noch die Ausbildung der ukrainischen Besatzungen in Deutschland statt. Bei seinem Besuch sei ihm auch klar geworden, dass die Versorgung mit Munition kriegsentscheidend werden könnte. „Deutschland kann einen wichtigen Beitrag leisten, wenn wir schneller werden in der Produktion von Munition“, unterstreicht der SPD-Vorsitzende.

Fraktionschef Rolf Mützenich betont in seinem Statement, dass auch über humanitäre Hilfe und den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes gesprochen worden sei. „Diese Fragen dürfen nicht außer Acht bleiben“, so Mützenich. Am Dienstag wird Lars Klingbeil zu einer Konferenz mit den Spitzen der sozialdemokratischen Parteien aus Polen, Litauen, Schweden, Slowakei, Tschechien, Ukraine, Ungarn, Slowenien, Finnland und Kroatien in Warschau erwartet.

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Kommentare

„Reise nach Kiew: Warum?“,

fragt der Vorwärts und antwortet, um „zu unterstreichen, ... worauf es für das kriegsgebeutelte Land künftig besonders ankommt“. Anders die Tagesschau (6.3.23), die „die SPD auf Friedensmission ... in Kiew“ sieht und damit den sprichwörtlichen Gang nach Canossa meint, den die SPD unternahm, um für ihre „frühere Russland-Politik“ von der Ukraine die Absolution zu erbitten. Die SPD-Delegation bekam aber eine „Lehrstunde in Kiew“ (rnd): „Europa und besonders Deutschland werden kein sicherer Ort sein, wenn die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnt. ... Ich bin mir sicher, dass unsere deutschen Partner das verstehen“.

Tatsächlich haben Klingbeil, Roth und andere Fehler in der Russlandpolitik eingestanden, ohne so richtig zu sagen, worin sie genau bestanden haben. Unser Bundespräsident erklärte seinen langjährigen „Irrtum“ so: „Sie (= Bilder vom Kriegsbeginn) markierten das endgültige, bittere Scheitern jahrelanger politischer Bemühungen, auch meiner Bemühungen, genau diesen schrecklichen Moment zu verhindern. ... Russlands brutaler Angriffskrieg in der Ukraine hat die europäische Sicherheitsordnung in Schutt und Asche gelegt, ... in seiner imperialen Besessenheit“ (24.2.23).

„Reise nach Kiew: Warum?“_2

Wenn aber einer der Partner der „europäischen Sicherheitsordnung“ diese Ordnung „in Schutt und Asche“ legt, dann ist doch die Vermutung unabwendbar, dass es nicht auch seine gewesen ist. Das war bereits 2007 (Münchener Sicherheitskonferenz) allen, jedenfalls Angela Merkel, klar.
Die Ausgangslage zugespitzt: Sowohl die Nato als auch die Russische Föderation betrachteten die Ukraine (, Moldawien und Georgien) als ihre Einflusssphäre (, die Nato nennt das „geostrategisches Umfeld“), ohne Zugeständnissen machen zu wollen. Da Russland bereit war, sein geostrategisches Umfeld mit Waffengewalt durchzusetzen, kam der Ukraine-Krieg schlafwandlerisch sicher.

Um der Ukraine die Vergebung für politische Sünden zu erleichtern, brachte Klingbeil die Zusage mit, dass „der (EU-)Beitrittsprozess jetzt politisch begleitet werde ... (und) Deutschland einen wichtigen Beitrag leisten kann, wenn wir schneller werden in der Produktion von Munition“, weil „sich dieser Krieg letztlich daran entscheiden wird, wem die Munition zuerst ausgeht“. (Was heißt das eigentlich?)

„Reise nach Kiew: Warum?“_3

Diese wegen ihrer Implikationen atemberaubende Aussage mochte Mützenich dann doch nicht so stehen lassen, sondern
„pochte auf diplomatische Bemühungen, betonte aber: „Diplomatie ist eben nicht misszuverstehen als Verhandlung mit Putin.““ (rnd).(Ist es nur Zufall, dass dem Vorwärts die Friedensfrage nicht einer Erwähnung wert ist?)
Seine Ausgangsfrage, „worauf kommt es für das kriegsgebeutelte Land künftig besonders an“, kann der Vorwärts ohne Erwähnung eines Friedens beantworten!

Im übrigen sollten alle Europäer bedenken, dass auch die EU jedem ihrer Mitgliedern den militärischen Schutz aller verspricht!