„Racial Profiling“ bei der Polizei? Eine Studie wäre so wichtig
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CSU-Innenminister Horst Seehofer sieht keinen Sinn in einer Studie zu „racial profiling“ bei Polizeikontrollen. Begründung: Da es verboten ist, ist eine Untersuchung dazu nicht notwendig. Würde man der Argumentation des Innenministers folgen, müsste er eigentlich die ganze Polizeibehörde abschaffen – schließlich existiert der ganze Sicherheitsapparat ja nur, um Verbrechen, Delikte und Straftaten zu verhindern oder aufzuklären, die per Gesetz verboten sind – demzufolge auch gar nicht passieren dürften.
Weiter sagt das ihm unterstehende Ministerium, dass Kontrollen ja ohnehin „diskriminierungsfrei“ ablaufen müssten – was bei „racial profiling“, also der Kontrolle basierend auf Äußerlichkeiten wie beispielsweise der Hautfarbe, nicht der Fall wäre. Die gemeldeten Fälle seien absolute Ausnahmen. Das Ministerium mag recht haben, aber ohne fundierte Grundlage bleibt es eine Behauptung, die weder den Opfern von Diskriminierung noch den Einsatzkräften der Polizei hilft. Denn Behauptungen alleine schaffen kein Vertrauen.
Empfehlung aus Europa
Dabei kommt die Idee zu einer solchen Studie nicht von irgendwo: Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz hatte eine solche Untersuchung explizit der Bundesrepublik empfohlen – ein Gremium des Europarats.
Mitte Juni hieß es noch, dass Justiz- und Innenministerium an der Umsetzung arbeiten würden. SPD-Justizministerin Christine Lambrecht ließ am Montag auch keinen Zweifel daran, dass sie anderer Meinung ist als Seehofer. „Es wäre wichtig, dass wir diese Studie durchführen könnten“, sagte sie im Morgenmagazin.
Fakten versus Behauptungen
Was ist also besser für das Vertrauen in unsere Beamt*innen? Eine fundierte Untersuchung um zu klären, ob Vorwürfe, die Polizei würde weiterhin „Racial Profiling“ anwenden, berechtigt sind oder nicht? Oder die Route Seehofer: Einfach davon ausgehen, dass es keinerlei Probleme gibt, obwohl die Vorwürfe alle Jubeljahre wiederkehren?
Und die Debatte darüber kommt in Deutschland tatsächlich regelmäßig wieder – nicht erst mit dem Tod von George Floyd in den USA gibt es Diskussionen beispielsweise über verdachtsunabhängige Kontrollen hierzulande. Eine entsprechende Studie dazu würde Klarheit schaffen, ob sich die Gesetzeshüter an Recht und Gesetz halten.
Es geht um Vertrauen in die Polizei
Mit Seehofers plötzlicher Weigerung wird diese Chance vertan. Dabei könnte eine solche Studie dabei helfen, diese hochemotionale und wichtige Debatte zu versachlichen – egal wie das Ergebnis ausfällt. Denn entweder gibt es ein Problem, das angegangen werden muss oder es gibt eben keins. In beiden Fällen kann das Vertrauen in die Polizei gestärkt werden, wenn denn richtig damit umgegangen wird. Darauf weist auch die Justizministerin hin: „Es geht überhaupt nicht darum, irgendjemanden unter einen Generalverdacht zu stellen.“ Es gehe darum, einen Sachstand zu ermitteln, „um zu wissen, wo wir stehen und wie wir gegensteuern können“.
Dabei hat übrigens niemand behauptet, dass eine solche Untersuchung einfach wäre oder zwangsläufig ein eindeutiges Ergebnis liefern muss. So oder so braucht diese Debatte aber mehr Wissen und weniger Meinung – eine Richtung, die Seehofer auch bei anderen Themen leider nur sehr selten einschlägt.