Seehofers versus Lambrecht

„Racial Profiling“ bei der Polizei? Eine Studie wäre so wichtig

Benedikt Dittrich06. Juli 2020
Einsatzkräfte der Polizei bei einer Kontrolle in Stuttgart im Juni 2020.
Einsatzkräfte der Polizei bei einer Kontrolle in Stuttgart im Juni 2020.
Es kann nicht sein, was nicht sein darf – auf diesen Satz lässt sich die Argumentation aus dem Innenministerium herunterbrechen, wenn es um das Thema „racial Profiling“ bei der Polizei geht. Dabei könnte eine Studie dazu endlich Klarheit schaffen.

CSU-Innenminister Horst Seehofer sieht keinen Sinn in einer Studie zu „racial profiling“ bei Polizeikontrollen. Begründung: Da es verboten ist, ist eine Untersuchung dazu nicht notwendig. Würde man der Argumentation des Innenministers folgen, müsste er eigentlich die ganze Polizeibehörde abschaffen – schließlich existiert der ganze Sicherheitsapparat ja nur, um Verbrechen, Delikte und Straftaten zu verhindern oder aufzuklären, die per Gesetz verboten sind – demzufolge auch gar nicht passieren dürften.

Weiter sagt das ihm unterstehende Ministerium, dass Kontrollen ja ohnehin „diskriminierungsfrei“ ablaufen müssten – was bei „racial profiling“, also der Kontrolle basierend auf Äußerlichkeiten wie beispielsweise der Hautfarbe, nicht der Fall wäre. Die gemeldeten Fälle seien absolute Ausnahmen. Das  Ministerium mag recht haben, aber ohne fundierte Grundlage bleibt es eine Behauptung, die weder den Opfern von Diskriminierung noch den Einsatzkräften der Polizei hilft. Denn Behauptungen alleine schaffen kein Vertrauen.

Empfehlung aus Europa

Dabei kommt die Idee zu einer solchen Studie nicht von irgendwo: Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz hatte eine solche Untersuchung explizit der Bundesrepublik empfohlen – ein Gremium des Europarats.

Mitte Juni hieß es noch, dass Justiz- und Innenministerium an der Umsetzung arbeiten würden. SPD-Justizministerin Christine Lambrecht ließ am Montag auch keinen Zweifel daran, dass sie anderer Meinung ist als Seehofer. „Es wäre wichtig, dass wir diese Studie durchführen könnten“, sagte sie im Morgenmagazin.

Fakten versus Behauptungen

Was ist also besser für das Vertrauen in unsere Beamt*innen? Eine fundierte Untersuchung um zu klären, ob Vorwürfe, die Polizei würde weiterhin „Racial Profiling“ anwenden, berechtigt sind oder nicht? Oder die Route Seehofer: Einfach davon ausgehen, dass es keinerlei Probleme gibt, obwohl die Vorwürfe alle Jubeljahre wiederkehren?

Und die Debatte darüber kommt in Deutschland tatsächlich regelmäßig wieder  – nicht erst mit dem Tod von George Floyd in den USA gibt es Diskussionen beispielsweise über verdachtsunabhängige Kontrollen hierzulande. Eine entsprechende Studie dazu würde Klarheit schaffen, ob sich die Gesetzeshüter an Recht und Gesetz halten.

Es geht um Vertrauen in die Polizei

Mit Seehofers plötzlicher Weigerung wird diese Chance vertan. Dabei könnte eine solche Studie dabei helfen, diese hochemotionale und wichtige Debatte zu versachlichen – egal wie das Ergebnis ausfällt. Denn entweder gibt es ein Problem, das  angegangen werden muss oder es gibt eben keins. In beiden Fällen kann das Vertrauen in die Polizei gestärkt werden, wenn denn richtig damit umgegangen wird. Darauf weist auch die Justizministerin hin: „Es geht überhaupt nicht darum, irgendjemanden unter einen Generalverdacht zu stellen.“ Es gehe darum, einen Sachstand zu ermitteln, „um zu wissen, wo wir stehen und wie wir gegensteuern können“.

Dabei hat übrigens niemand behauptet, dass eine solche Untersuchung einfach wäre oder zwangsläufig ein eindeutiges Ergebnis liefern muss. So oder so braucht diese Debatte aber mehr Wissen und weniger Meinung – eine Richtung, die Seehofer auch bei anderen Themen leider nur sehr selten einschlägt.

 

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Kommentare

Koalitionsfrieden

Die SPD hölt am Koalitionsfrieden fest und tritt dem Seehofer nicht auf die Zehen. Die SPD Sicherheitspolitiker zeigen da keine großen Unterschiede zu Seehofer. Als jemand, der immer noch wie in den 70ern eine Langhaarfrisur trägt weiß ich auch um "longhair profiling". Dunkelhäutige Freund und Bekannte von mir können ein Lied, was sag ich: ganze Choräle, von "racial profiling" singen. Aber Seehofer ist ja weder für die Berliner noch die Brandenburger Landespolizei zuständig, und dort müssen diese Probleme angegangen werden.

Contra-

denn es gibt neben den Lang- auch die Kurz- und die Ohnehaarigen, denen gleiches wiederfuhr/wiederfährt. Dann auch noch die mit Hut (m,w,d) , denen , soweit m, eine so genannte Hausmeistermentalität nachgesagt wird.
Also was nun? Kopf ab, wo ohnehin alle kopflos agieren?

Innenminister in Angst !

Warum unsere Innenminister von Seehofer bis Pistorius derart empfindlich und abwehrend auf Forderungen reagieren, endlich unabhängige Untersuchungsstellen zu installieren,die der Frage von "latenten Rassismus", Staats- und Demokratieferne in unseren Sicherheitsbehörden nachgehen sollen, ist schon erstaunlich und beunruhigend ! Da wird gerne mal rausgehauen die Polizei sei doch nur der "Spiegel der Gesellschaft" ! Hallo ?!! Selbst wenn es so wäre: Müssen neuerdings in pcto. Demokratiefestigkeit und Staatstreue incl. Hintergrundwissen dort nicht mehr höhere Anforderungen gestellt werden als an die sogenannte Durchschnittsgesellschaft ? Wer ist denn da so alles willkommen in unserer Polizei, wenn ich an das Spektrum der Gesamtgesellschaft denke ?! Da komme mir jedenfalls Zweifel an der Amtsauffassung einiger unserer Innenminister in Bund u. Land. In Sachsen Anhalt wird nach aktuellen Meldungen sog. die weitere Aufklärungsarbeit im Falle der Verbrennung von Oury Jalloh v. dort zuständigen Justizministerium behindert! Inzwischen fordert selbst die Gewerkschaft d. Polizei eine generelle unabhängige Untersuchungsstelle die der Frage des strukturellen Rassismus auf den Grund gehen soll !!!

Wie man es dreht und wendet,

Wie man es dreht und wendet, eine solche Studie wäre auch unabhängig vom Ergebnis, über das sich die Experten und die Öffentlichkeit bestimmt nicht einig würden, ein Imageschaden für die Polizei und könnte dazu führen, daß die Polizei ihren Dienst für die Gesellschaft nicht mehr so verrichten kann, wie es nötig ist, weil der subtile Vorwurf weiter im Raum stünde, nicht fair und neutral zu sein.

Sie haben vollkommen

recht, zumal bei solchen geisteswissenschaftlichen Fragestellungen ohnehin keine Erkenntnisse mit naturwissenschaftlicher Präzision zu erzielen sind. es kommt raus, was im Forschungsauftrag beauftragt wird. Für alles steht der Rechtsweg offen, und wird auch beschritten. Wenn nun noch die Polizisten kamerabegleitend agieren, also ihr Einschreiten aufzeichnen, sind alle auf der sicheren Seite. Dann brauchen wir auch noch mehr Aufzeichnungen im öffentlichen Raum- so dass nicht immer auf Aufzeichnungen zufällig anwesender Handynutzer zurückgegriffen werden muss. Auf die jetzt wieder reflexartig kommenden Datenschutzbedenken pfeife ich was- einen Tod müssen wir irgendwann alle sterben, also schlucken wir die Kröte, die am wenigstens bitter schmeckt

Es gehört zur Arbeit der

Es gehört zur Arbeit der Polizei, manchmal auch "robust" vorgehen zu müssen. Und außerdem sollte nicht unerwähnt bleiben, daß Polizisten sich heutzutage Beschimpfungen und Beleidigungen gefallen lassen müssen und auch tätliche Angriffe in manchen Gegenden keine Seltenheit sind.

Sind die alle gaga?

Wen interessiert denn der etwaige Rassismus innerhalb der Polizei, wenn ein bestimmtes Klientel in unserem Lande die Gewaltkriminalität in ungeahnte Höhen treibt? Man muss doch nicht ständig wiederholen, dass laut neuster PKS 35% aller Kapitalverbrechen und Sexualdelikte in Deutschland von Ausländern begangen werden, und da sind die deutschen Intensivtäter mit Migrationshintergrund noch gar nicht mit eingerechnet. Müssen sich Polizisten dafür entschuldigen, wenn sie bei einer Drogenkontrolle keinen weißen Drogenhändler erwischt haben? Ist das etwa schon Racial Profiling? Menschen mit Minderwertigkeitskomplexen verbreiten ihr Narrativ von der permanenten Diskriminierung im Alltag. #metoo läßt grüßen! - Was mich persönlich maßlos ärgert, ist, daß hier ein paar überversorgte Politiker sich Gedanken machen, eine Studie zu erstellen, deren politisch eingefärbte Vorgabe bereits das Ergebnis vorwegnimmt. Wer will unter diesem Generalverdacht, rassistisch zu sein, künftig überhaupt noch bei der Polizei arbeiten? Hat sich das mal jemand gefragt?

Bitte beachten Sie unsere Netiquette! Beleidigungen und Verunglimpfungen werden konsequent gelöscht. Die Reaktion

ie Eingangsfrage ist leicht beantwortet

die Rassismusfrage dient zunächst einmal all denen, die sich möglichen staatlichen Kontrollen zu entziehen suchen, aus welchen Gründen auch immer- also auch, aber keinesfalls nur um ungestraft Straftaten verüben zu können. Da wirkt der Vorhalt- man werde rassistisch verfolgt- wie ein Joker beim Kartenspiel.

Die SPD sollte das Thema endlich politisch betrachten

hinter der Rassimusfrage steckt die Klassenfrage. Auch bei der Polizei. Denn erstens trennt die Zugehörigkeit zu einer Rasse Menschen voneinander, die ansonsten gemeinsame Klasseninteressen teilen würden, und zweitens ringen „Alliierte“ der Armen und der Arbeiterklasse um ihren eigenen Freiraum vor Polizeigewalt, unabhängig von ihren Zielen. Und drittens dienen viele Polizeibefugnisse vor allem der Kleinhaltung der "niederen Klassen" und Rassismus wird schon durch die überproportionalen Anteile von Ausländern scheinbar evident.

Von daher müssen Seehofer und Konsorten eher mit der schreienden sozialen Schieflage konfrontiert und in die Defensive gebracht werden. Das werden auch viele unterbezahlte und überarbeitete Polizisten verstehen.

Dies geht natürlich nur, wenn Klassenkampf nicht inzwischen in der SPD ähnlich "bäh" ist, wie die Verwendung des Mohren in historischen Darstellungen und Wappen.

Qualitätskontrolle !

Was in der Debatte oft übersehen wird, ist der Umstand, dass sich Rassismus nicht allein gegen fremdländisch aussehende Menschen beziehen muss, da sind nicht selten auch Menschen dabei, die aus anderen optischen Eindrücken oder bspw. wegen der "falschen" Adresse voreilig in Kategorien eingeteilt werden !
Wir wissen alle, dass der Anteil der kriminellen Schattenwirtschaft einen enorm hohen Anteil an unserem immer noch so gefeierten Bruttoinlandsprodukt hat und bei den allermeisten diesbezüglichen Akteuren können wir es nicht am Äusseren ablesen ! Die laufen nicht rum wie Al Capone ! Hier gibt es verdammt viel zu tun. Regelmässige intensive Untersuchungen über die Arbeits- und Denkweise unserer Polzei- und Justizbehörden bis hin zum Verfassungsschutz ist dringend von Nöten.
Enorm überrascht war ich jedenfalls darüber, dass so etwas (verdachtsunabhängig!) nicht längst Standard in unserem Staat ist!
Gerade an die Behörden und ihre MtarbeiterInnen die unserer Demokratie schützen und verteidigen sollen müssen doch diesbezüglich die höchsten Anforderungen gestellt werden und nicht mit dem Seehofer´schen sinngemässen Glauben "na wenn´s doch verboten ist wird´s schon keiner machen!"

Eine Sichtweise

die ich teile, denn in einer Klassengesellschaft haben die Staatsorgane die Interessen der herrschenden Klasse zu bedienen. Daß es Rassismus auch bei der Polizei, aber auch in anderen Behörden, gibt sollte unstrittig sein. Warum die "Sicherheitspolitiker " (das sind diejehnigen die rufen: Haltet de Dieb, er hat mein Messer im Rücken) dies nicht untersuchen wollen ist mir aus demokratischer Sicht unverständlich; als Obrigkeitsstaatler könnte ich das allerdings nachvollziehen.
Eine solche Untersuchung würde doch die Polizist***, die ihern Dienst korrekt versehen, von nicht zutreffenden Anschuldigungen befreien.

Gen. Pistorius irrt: Unabh. Beschwerdestelle dringend geboten !

Dass Saskia Eskens Forderung nach einer unabhängigen Beschwerdestelle bei den Polizeibehörden mehr als angebracht war, zeigen nicht nur die aktuellen Ergebnisse des Verfassungsschutzberichtes, sondern auch die aktiellen Ereignisse aus Hessen wo klar wurde, dass mutmaßlich ausgerechnet aus Polizeikreisen und v.Polizeicomputern Informationen weitergegeben wurden, mit dem Zweck das Leben demokratisch gewählter VolksvetreterInnen zu bedrohen !
S. Esken :„Zigtausende Demonstranten in aller Welt stehen auf, weil der gewaltsame Tod von George Floyd durch einen Polizeieinsatz in den USA kein Einzelfall ist“, sagte Esken den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Deutsche Demonstranten schauen aber auch auf die Verhältnisse vor der eigenen Haustür: Auch in Deutschland gibt es latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte, die durch Maßnahmen der Inneren Führung erkannt und bekämpft werden müssen.“ Für Rassisten und Rechtsextremisten dürfe es in der Polizei keinen Platz geben, betonte die SPD-Vorsitzende. Die große Mehrheit der Polizeibediensteten stehe solchen Tendenzen aber sehr kritisch gegenüber und leide unter dem „potenziellen Vertrauensverlust“, der dadurch entstehe. Falsch ?