Antrittsbesuch in Moskau

Presseschau zu Scholz' Besuch bei Putin: „Starker Auftritt in Moskau“

Lars Haferkamp16. Februar 2022
Souveräner Auftritt, klare Ansage: Bundeskanzler Olaf Scholz erlaubt sich bei seiner Pressekonferenz mit Wladimir Putin am 15. Februar in Moskau einen kleinen Scherz über die jahrzehntelange Amtszeit des russischen Präsidenten.
Souveräner Auftritt, klare Ansage: Bundeskanzler Olaf Scholz erlaubt sich bei seiner Pressekonferenz mit Wladimir Putin am 15. Februar in Moskau einen kleinen Scherz über die jahrzehntelange Amtszeit des russischen Präsidenten.
Deutschlands Medien sind sich weitgehend einig: Olaf Scholz hat sich gegenüber Wladimir Putin klar, souverän und mutig gezeigt. Mehr habe ein Kanzler in Moskau nicht erreichen können. Hier eine kleine Presseschau

tagesschau.de: Fingerspitzengefühl und Rückgrat bewiesen
Scholz bewies in Moskau diplomatisches Fingerspitzengefühl: Er rief Russland zur Deeskalation auf und betonte gleichzeitig, nachhaltige Sicherheit könne in Europa nicht gegen Russland, sondern nur mit Russland erreicht werden.
Gegenüber Putin zeigte Scholz aber auch Rückgrat: Putins Darstellung der NATO als Aggressor im Jugoslawien-Krieg wies der Bundeskanzler mit Verweis auf den damaligen Völkermord trocken zurück.
Selbstbewusst sprach der Bundeskanzler auch schwierige Themen an, wie die Verurteilung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny, das Verbot der Bürgerrechtsgruppe Memorial und das Vorgehen gegen die Deutsche Welle.
Und als Putin eine Lobeshymne auf seinen Freund Gerhard Schröder und dessen Erdgas-Engagement anstimmte, stellte Scholz klar: „Was Nord Stream 2 betrifft, will ich die privatwirtschaftlichen Aktivitäten eines früheren Politikers nicht weiter kommentieren.“
„Wo ist Scholz?“ wurde vor zwei Wochen in den sozialen Medien gefragt. Der neue Bundeskanzler sei zu passiv in der Ukraine-Krise, warfen ihm Kritiker vor, er verstecke sich im Kanzleramt. Zwei Wochen später hat Scholz bewiesen, dass er nichts unversucht lässt, um einen russischen Angriff auf die Ukraine zu verhindern.

bild.de: Scholz brachte Putin aus der Fassung
Das war Weltpolitik live, das war eine Redeschlacht. … Es war sehr deutlich, was Olaf Scholz gesagt hat. … Olaf Scholz hat wirklich Klartext gesprochen. Er hat fast den Präsidenten sogar etwas aus der Fassung gebracht. Wladimir Putin musste bei einer Frage, als er dann in seine Notizen schaute, ein bisschen innehalten und noch mal nachfragen, wie war denn jetzt gerade die Frage, weil er selbst seine Notizen nicht mehr lesen konnte. Da merkte man schon, möglichweise war Wladimir Putin auch überrascht, wie selbstbewusst, wie locker und wie souverän Olaf Scholz aufgetreten ist. …

Rheinische Post: Starker Auftritt in Moskau
Scholz hatte einen starken Auftritt – man habe kein Thema ausgelassen, sagte er selbst. Er wich auch auf der Pressekonferenz keinem Konfliktthema aus, wählte deutliche Worte. … Der Kanzler kann zumindest mit dem Gefühl zurückfliegen, dass er so etwas wie leichte Hoffnung in den Konflikt zurückgebracht hat. Die Pressekonferenz war ein richtiger Politkrimi. Scholz widersprach Putin, Putin widersprach Scholz. Und doch gab es ab und an auch den Ansatz eines Lächelns. Eine Entschärfung der Krise war es nicht – aber auch keine Zuspitzung. Es wird weiter geredet, der Friedensprozess soll endlich mit Leben gefüllt werden. Da wird es sehr auf das diplomatische Geschick der deutschen und französischen Seite ankommen. Scholz hat seinen Teil geleistet.

focus.de: Scholz hat erreicht, was er erreichen wollte
„Dass wir jetzt hören, dass einzelne Truppen abgezogen werden, ist ein gutes Zeichen und wir hoffen, dass da noch weitere folgen“, sagt Scholz. Gleichzeitig betont der Kanzler, dass die Unabhängigkeit der Ukraine für Deutschland nicht verhandelbar sei.
Es ist nicht der einzige Moment, in dem Scholz an diesem Dienstag seinen Standpunkt deutlich macht. Als Putin als Beispiel für Aggressionen der Nato den Jugoslawien-Krieg anführt, widerspricht ihm der SPD-Politiker entschieden. „Ich glaube, dass es in Jugoslawien eine etwas andere Situation gab. Es gab die Gefahr eines Völkermordes, und das musste verhindert werden.“
„Scholz' Widerspruch war richtig“, sagt Politologe Professor Thomas Jäger. „Der Kanzler hat eine Rechtsauffassung dargelegt. Er wollte seinen Standpunkt klar machen, aber ohne auf Konfrontation zu gehen.“ Insgesamt, so resümiert Jäger, hat Scholz „das erreicht, was er erreichen wollte“. „Dass die Gewichte zwischen Androhung von Gewalt und Verhandlungen sich stärker auf die Seite der Verhandlungen geneigt haben. Das ist keine Garantie, aber mehr ist momentan für den Bundeskanzler nicht zu erreichen gewesen.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Merkel hätte es nicht besser gemacht
Der Kanzler hält im Kreml seine Linie. Er droht Putin – und geht auf Abstand zu Gerhard Schröder. … Scholz hat sich auf das Gespräch mit Putin gut vorbereitet. Er hat sich in die Details von Verträgen eingearbeitet, hat mit deutschen und internationalen Russlandfachleuten gesprochen.  … Am Ende hatte Scholz noch eine besondere Spitze für Putin parat. Als es darum ging, ob eine Aufnahme der Ukraine in die Nato anstehe, sagte Putin, Russland nutze es nichts, wenn sie nicht morgen, aber übermorgen komme. Scholz hingegen sagte, sie stehe nicht an. „Ich weiß nicht, wie lange der Präsident im Amt sein will“, sagte er zu Putin, der seit 2000 regiert. … Scholz sagte weiter über sich selbst, er habe zwar das Gefühl, „er könne länger regieren, aber nicht ewig“. Das hätte Angela Merkel auch nicht schöner formulieren können.

Redaktionsnetzwerk Deutschland: Diese Klarheit hat gutgetan
Olaf Scholz hat in Moskau einen Ton getroffen, der weniger scharf ist als jener aus den USA. Er ließ dabei aber keine Zweifel daran, dass ein Krieg weitreichende Konsequenzen für Russland hätte – auch für die Pipeline Nord Stream 2, die Scholz diesmal beim Namen genannt hat. Diese Klarheit hat gutgetan.

Süddeutsche Zeitung: Selbstbewusst und offensiv
Dass eine neue Ostpolitik nur eine europäische sei, hatte Scholz schon in seiner Regierungserklärung angekündigt. An dieses Programm hielt er sich auch in Moskau. Er vermied alles, was bei den Partnern Misstrauen gegenüber deutschen Sonderabmachungen mit Russland provozieren könnte.
Und er trat in der Pressekonferenz mit seinem Gastgeber selbstbewusst auf und verteidigte die eigenen Maßstäbe offensiv. …
Scholz konnte keinen Durchbruch auf dem Rückflug nach Berlin mitnehmen, aber einen Erfolg: Den Raum für Verhandlungen hat er gewahrt, es wird weiter geredet werden. Es gibt Ansatzpunkte. Immerhin.

spiegel.de: Klar und erfolgreich
Scholz' Besuch kann als relativ erfolgreich gewertet werden: Er war klar in seinem Beharren auf Diplomatie, in seiner Schilderung der Konsequenzen einer Invasion, in seiner Kritik am russischen Vorgehen. Zugleich machte er klar, dass die Ukraine auf absehbare Zeit ohnehin nicht Nato-Mitglied werde – man also über etwas streite, das gar nicht auf der Tagesordnung stehe.

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Kommentare

Hätte Scholz Biden ebenfalls klare Kante gezeigt

würde ich ihm Respekt zollen. Leider hat er aber Biden unkommentiert die Ankündigung der Zerstörung von NS2 durchgehen lassen. Obwohl die Pipeline im strategischen Interesse Deutschlands ist. Und zwar aus mehreren Gründen:

Die deutsche Energiewende erfordert bis auf weiteres viel Gas als residualen Energieträger.

Die USA und auch niemand anderes kann den Gasbedarf substituieren, wenn Russland als Lieferant für Deutschland ausfällt. ausfällt.

Deutschland wäre das erste Land, das sein Gaspreisniveau mit weniger Gaslieferungen und weniger Transportkapazitäten senken kann.

Und, wichtig für die Genossen, unter steigenden Energiepreisen leiden stark überproportional die sozial Schwachen.

Von daher ist Scholzs Autritt in der aktuellen Situation bestenfalls halbherzig gemessen an den strategischen Deutschen Interessen.

völlig richtig, die

USA mit ihrer stets eigenen Interssenlage in den Blick zu nehmen. Sie schüren das feuer und werden wissen, warum sie das tun. Mir wäre es auch lieber, wir würden denen mal wieder die klare Kante zeigen, beispielsweise: Nehmt eure Atomwaffen und geht damit nach hause: Aber das ist halt diplomatisch nicht so geschickt, und so muss der kanzler rumlavieren- kann nicht so, wie er wohl gerne wollte, das will ich mal zu seinen Gunsten ins Feld führen.
es geht bei NS 2 immer um anderes als die Versorgung mit Erdgas, das steht für mich außer Frage. jeder hat eigenen Interessen, unsere wirklich hübsche Außenministerin vom Völkerrecht und ihr Parteigänger von der Milchwirtschaft, der charmante Wirtschaftsminister vorneweg. Die wollen die Energie so knapp und teuer machen, dass alles mit Wind und Solar zugepflastert werden kann- ohne Widerstand. Da ist auch der Rotmilan nicht von Interesse, auf den greifen sie wieder zurück, wenn es um Straßen- und Schienenausbau geht. Da ist er dann wieder wichtig und muss unter allen Umständen geschützt werden, und mit ihm der Laubfrosch.

Auch die Grünen kommen nicht umhin

sich zur Versorgungssicherheit zu erklären. Damit würde ich sie als Koalitionspartner immer konfrontieren. Und da sieht es bis auf weiteres mit rein regenerativer Versorgung düster aus.

Was Scholz in Washington angeht, so hätte er doch auch einfach sagen können, dass es keine unilateralen Aktionen an europäischer Energieinfrastruktur geben darf. Wäre das wirklich diplomatisch ungeschickt gewesen?

Und was mir auch noch fehlt ist endlich mal eine Aussage dazu, dass Transitgebühren der Ukraine auf russische Gaslieferungen nach Deutschland eher kein strategisches Ziel für Deutschland sind. Wenn wir der Ukraine Geld für Entwicklung geben wollen, dann gibt es dafür geeignetere Instrumente die weniger korruptionsanfällig sind.

ja, das genau ist doch das

Problem, es geht ja bei den Transitgebühren nicht um die Ukraine als Staat, sondern an die Herren, in deren Taschen das Geld landet.

Gäben wir Geld verbunden mit konkreten Zwecken, hätten wir vielleicht ein Wörtchen mitzureden, was damit in der Ukraine passiert. gerade dies ist bei den Staatseinnahmen ja nicht der Fall. Darum das besondere Interesse der dortigen Regierung, den Druck aufzubauen und friedenssichernde Maßnahmen jedenfalls noch nicht zu ergreifen