PCK-Raffinerie: Was ein Öl-Embargo für Schwedt bedeuten würde
IMAGO/Jochen Eckel
Die EU-Kommission plant ein Öl-Embargo gegen Russland. Was würde das für Schwedt mit seiner Raffinerie PCK bedeuten?
Als Raffinerie-Standort hätte ein Embargo russischen Öls weitreichende Konsequenzen für Schwedt. Zahlreiche Arbeitsplätze in der Stadt haben direkt oder indirekt mit der Raffinerie zu tun. Durch ein Öl-Embargo wären sie massiv bedroht. Mein wichtigstes Anliegen ist deshalb, für den Erhalt aller Arbeitsplätze zu kämpfen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat gesagt, die Raffinerie in Schwedt solle im Fall eines Öl-Embargos über die Häfen in Rostock und Danzig versorgt werden. Wie realistisch ist das?
Eine Öl-Versorgung auf diesem Weg wäre wohl teilweise möglich. Berechnungen gehen davon aus, dass etwa 50 bis 60 Prozent des benötigten Öls über den Hafen in Rostock angeliefert werden könnten. Über Danzig könnten dagegen wohl nur kleinere Mengen geliefert werden, weil auf diesem Weg auch andere Raffinerien versorgt werden müssten. Für den Standort Schwedt sind zwei Probleme zu lösen: zum einen die Versorgung mit Rohöl, zum anderen der Umgang mit der Gesellschafterstruktur der Raffinerie PCK.
Hauptgesellschafter ist die Rosneft Deutschland GmbH, also ein russischer Staatskonzern. Wie eng sind die Beziehungen zwischen der Stadt Schwedt und dem russischen Staat?
Es gibt keine Verbindungen. Die Raffinerie ist ein Privatunternehmen, auf das es keinerlei Einflussmöglichkeiten einer Bürgermeisterin gibt. Alle Entscheidungen des Unternehmens treffen die drei Gesellschafter, neben Rosneft sind das ja Shell und Eni, untereinander.
Bis vor wenigen Tagen war Schwedt sicher nicht jedem in Deutschland ein Begriff. Das hat sich nun geändert. Wie ist die Stimmung zurzeit in Ihrer Stadt?
Die Stimmung verändert sich täglich. Bisher ist sie besorgt, aber besonnen. Die Mitarbeiter von PCK machen sich natürlich Sorgen um ihre Arbeitsplätze und lesen alles, was es an Berichterstattung gibt. Mittwochabend hatten wir eine Veranstaltung mit dem Ostbeauftragten der Bundesregierung Carsten Schneider. Das ist vor Ort sehr gut angekommen, weil die Menschen den Eindruck bekommen haben, dass ihre Sorgen auch in Berlin sehr ernst genommen werden. Und auch ich habe den Eindruck, dass die Bundesregierung den Ernst der Lage erkannt hat und an einer guten Lösung arbeitet. Ihnen ist klar: Wenn Schwedt ins Trudeln gerät, kann das vieles andere auch ins Wanken bringen.
Inwiefern?
Schwedt hat eine große strategische Bedeutung für die Versorgung des gesamten Nord-Osten Deutschlands mit Kraftstoffen. Die PCK-Raffinerie versorgt Berlin und Brandenburg zu 95 Prozent mit Benzin, Kerosin und Heizöl. Nicht umsonst hieß es mal „Schwedt bewegt Berlin und Brandenburg“. Ein Embargo oder Lieferstopp des russischen Öls könnte auch logistisch nicht ohne weiteres abgefangen werden, weil es keine Pipelines zwischen West- und Ostdeutschland gibt.
Schon vor den Problemen mit russischem Öl hat Deutschland das Ziel verfolgt, unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu werden. Wurden dafür in Schwedt bereits die Weichen gestellt?
Ja, natürlich. Uns ist schon lange klar, dass wir in Schwedt nicht noch die nächsten 50 Jahre Erdöl verarbeiten werden und sich der Industriestandort verändern muss. Seit zwei Jahren arbeiten wir intensiv daran, den Transformationsprozess voranzubringen. Wir bereiten einen Innovationscampus vor und haben neben der Raffinerie auch eine moderne Papierfabrik in Schwedt. Die Erzeugung nachhaltiger Produkte steht dabei im Mittelpunkt. Und auch was die Raffinerie betrifft, geht der Blick in die Zukunft: Statt Benzin und Diesel sollen hier in wenigen Jahren E-Fuels und anderes hergestellt werden. Mit einem abrupten Öl-Embargo fehlt uns aber die Vorbereitungszeit, bereits Begonnenes vernünftig weiterzuentwickeln.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.